Der Van-der-Vaart-Vertreter traf aus 41 Metern. Matthäus kritisierte den verletzten Holländer schwer

Hamburg. Am Sonntagmorgen wollte Hakan Calhanoglu nur schnell weg. Er müsse seinen Flieger erwischen, sagte der Deutschtürke, der den freien Montag zu einem Ausflug in die badische Heimat nutzen wollte. Doch über sein ungewöhnliches Traumtor aus 41 Metern vom Vortag könne man natürlich noch ein paar Minuten philosophieren – so viel Zeit muss sein.

„Wahrscheinlich war es tatsächlich das schönste Tor meiner Karriere“, sagte Calhanoglu, der sich aber ganz sicher sein konnte, dass es das weiteste Tor seiner Karriere war: „Ich weiß selber nicht so recht, wie das passiert ist. Ich dachte mir einfach, den schieße ich drauf“, erklärte der Kunstschütze, der gegen Dortmund in der Nachspielzeit nur einen Schritt vom Mittelkreis entfernt das Tor des Tages erzielt hatte. Den Weltrekord hatte er allerdings verfehlt. Den hält seit April 2011 Sport Colombias Torhüter Wilson Quiñonez, der in der zweiten paraguayischen Liga im Spiel gegen Cerro Porteño aus 83 Metern per Freistoß traf.

Doch Weltrekord hin oder her – besonders war Calhanoglus Treffer allemal. „Vielleicht wird es ja sogar Tor des Monats“, orakelte der Freistoßexperte, der in der vergangenen Spielzeit sieben und in dieser Saison immerhin drei Freistöße direkt verwandeln konnte. „Tolgay hat zu mir gesagt, dass ich einfach mal draufhauen soll“, sagte Calhanoglu, der aber nicht nur Arslans gut gemeinten Rat für den Treffer verantwortlich machte. Entscheidend sei auch gewesen, dass er sich in Abwesenheit von Kapitän Rafael van der Vaart, der normalerweise ungern auf die Ausführung eines Freistoßes verzichtet, mehr zugetraut hätte: „Rafa ist ja älter als ich, da gehe ich gerne mal zur Seite. Wenn ich aber alleine auf dem Platz bin, dann habe ich mehr Selbstvertrauen.“

Unabhängig von der Freistoß-Frage scheint Sky-Experte Lothar Matthäus ganz generell der Meinung zu sein, dass Calhanoglu auch nach van der Vaarts Genesung an dessen Stelle im Team bleiben solle. „Ich bin der Meinung, der HSV hat heute nach langer Zeit wieder mal mit elf Spielern gespielt, nicht mit zehn. Van der Vaart war eine Zumutung. Ich glaube, er wird es schwer haben, in diesem Abstiegskampf unter Slomka zurückzukommen, wenn sich die Mannschaft weiter so präsentiert wie heute“, sagte Matthäus und legte sogar noch nach: „Van der Vaart war ein guter Spieler, aber dass er der Mannschaft in den vergangenen Wochen nicht geholfen hat, haben wir alle gesehen.“

Ganz anders sieht das Neu-Trainer Mirko Slomka, der sogar auf eine Rückkehr van der Vaarts bis zum Bremen-Spiel hofft: „Das halte ich wirklich für eine gewagte These von Lothar Mattäus. Ich habe mit Rafael noch nicht so intensiv zusammenarbeiten dürfen, weil er sich verletzt hat. Ich glaube aber, dass van der Vaart für diese Mannschaft wahnsinnig wichtig ist.“

Am Sonntag konnte der Regisseur nach seiner Sprunggelenksverletzung erstmals auch wieder mit dem Ball trainieren, im Laufe der Woche will er ins Mannschaftstraining einsteigen. Spätestens dann könnte er sich mit Vertreter Calhanoglu darüber unterhalten, wer gegen Werder den nächsten Schuss ins Glück wagen darf.