Trainingsauftakt des HSV mit Demirbay und Tah, aber ohne Stars. Djourou unterschrieb, aber Abwehrtrio vor dem Aus. Auch Bologna will Santa Cruz

Hamburg. Thorsten Fink und Oliver Kreuzer ließen sich Zeit. Erst 20 Minuten nach dem offiziell für zehn Uhr angesetzten Trainingsauftakt schritten die beiden HSV-Macher die Treppe von der Südtribüne der Imtech Arena in Richtung der Trainingsplätze hinunter, machten auf halbem Weg einen Fotostopp und genossen auf den letzten Metern das exzessive Schulterklopfen der 500 Anhänger. „Es ist gut, dass es endlich wieder losgeht“, sagte Fink, der vor allem durch seinen grau-blonden Fünf-Tage-Bart („meiner Frau gefällt’s“) auffiel. Auch Kreuzer – im dunklen Anzug, hellblauen Hemd und mit gepflegtem Drei-Tage-Bart – war beeindruckt: „Hier ist ja schon ordentlich was los.“

Gemeint war natürlich, was sich abseits des Trainingsplatzes so abspielte. Mehr als 50 Medienvertreter, acht Kamerateams und ein Dutzend Fotografen waren gekommen; und das, obwohl auf dem Trainingsplatz alles andere als viel los war. Insgesamt 17 Profis fehlten, gerade mal 14 Spieler – darunter mit Kerem Demirbay, 19, der einzige Neuzugang – waren gekommen. „In den nächsten 36 bis 48 Stunden wird sich noch einiges tun“, versicherte eilig Kreuzer, der noch unmittelbar vor dem Trainingsstart mit Jan van Baal, dem Berater von Wunschstürmer Roque Santa Cruz, telefoniert hatte.

Einen neuen Stand der Seifenoper um den Südamerikaner konnte der Sportchef allerdings nicht vermelden. Es bleibe dabei, dass Santa Cruz „unser erklärter Wunschspieler“ sei, der sich bis Mittwochabend erklären soll. Neben dem HSV, Málaga und Stoke City soll sich jetzt auch Bologna verstärkt in den Poker eingeschaltet haben. Kommt der Paraguayer nicht, werde man zu PlanB übergehen. „Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet“, sagte Kreuzer, der aber das kolportierte Interesse an Hoffenheims Eren Derdiyok mit freundlichen Worten zurückwies. Der Schweizer sei ein guter Spieler, aber definitiv nicht die Alternative zu Santa Cruz.

In der Defensive ist der Kandidatenkreis dagegen schon längst genau umrissen. Top-Neuzugang wird Johan Djourou, der zeitgleich zum Trainingsauftakt seinen Medizincheck im UKE erfolgreich hinter sich brachte und nach einem freien Tag zur Klärung einiger persönlicher Angelegenheiten in London am Mittwoch ins Training einsteigen soll. Spätestens zwei Tage später soll auch die Verpflichtung von Lasse Sobiech, 22, als Innenverteidiger Nummer drei perfekt gemacht werden. „Mit Lasse sind wir uns einig, jetzt wollen wir uns bis zum Ende der Woche auch mit Dortmund einigen“, sagte Kreuzer, der zudem darauf hinwies, dass der HSV auch mit Supertalent Jonathan Tah, 17, als vierten Abwehrmann plane: „Von der Qualität her traue ich ihm den Durchbruch in dieser Saison zu.“ Die etablierten Defensivkräfte Michael Mancienne, Paul Scharner und Slobodan Rajkovic sollten sich laut Kreuzer um einen neuen Arbeitgeber bemühen – und dürfen nach Informationen des Abendblatts gegebenenfalls auch nicht ins Trainingslager mit. Eine Entscheidung soll bis Freitag fallen.

Was aber die junge Garde beim HSV zu bieten hat, deutete sie bereits beim Abschlussspiel nach dem 75-minütigen Anschwitzen an. Team Jung deklassierte Team Alt deutlich mit 4:1, feierte dabei vor allem den Dreifachtorschützen Demirbay. „Ich glaube, dass heute jeder gesehen hat, was der so draufhat“, lobte Trainer Fink seinen Neuzugang aus Dortmund, „auch Jürgen Klopp hat mir gesagt, dass wir ihm da einen Guten weggeschnappt haben.“ Er plane mit dem jungen Deutschtürken auf der Achter-Position, wolle ihn langsam heranführen: „Wir brauchen Spieler, die keine Angst haben.“

Angst wurde Rafael van der Vaart noch nie nachgesagt, ein paar Pfunde zu viel musste der Niederländer nach dem ersten Training allerdings einräumen. „Ein bisschen zu viel habe ich schon drauf. Ich bin schnell wieder von der Waage heruntergesprungen“, witzelte der Kapitän. Wirklich aufgefallen ist dem einen oder anderen Fotografen allerdings weniger das angebliche Bäuchlein als vielmehr der neue Namenszug von Freundin Sabia auf seinen Schuhen. Dass van der Vaarts neues Arbeitswerkzeug mehr Glück bringt als in der vergangenen Spielzeit, ist sich der 30 Jahre alte Mittelfeldmann sicher: „In der vergangenen Saison haben wir ja schon von Europa geträumt – jetzt dürfen wir dieses Ziel auch laut aussprechen.“

Erstmals seit drei Jahren ist es tatsächlich wieder Konsens, dass der HSV im kommenden Jahr ein Comeback auf dem internationalen Parkett schaffen muss. Neben van der Vaart hatten das auch schon die Vorstände Joachim Hilke und Carl Jarchow, die sich natürlich die erste Einheit der Saison 2013/14 nicht entgehen ließen, öffentlich betont. Nach dem Training waren es dann Kreuzer und Fink, die letzte Zweifel über ihre Saisonziele ausräumten. „Natürlich wollen wir uns hohe Ziele stecken. Und unser Ziel ist ganz klar die Europa League“, sagte Kreuzer, dem Fink nach der knapp zweistündigen Einheit nicht widersprechen wollte: „Wir haben unsere Hausaufgaben frühzeitig gemacht und sind gut vorbereitet. Unser Anspruch ist Europa.“

Um kurz nach zwölf Uhr war das ganze Spektakel schon wieder vorbei. Das zunächst angedachte Nachmittagstraining wurde gestrichen, ein Laktattest für diesen Dienstag angesetzt. „Wir sind ja noch am Anfang“, sagte Fink und verabschiedete sich: „Bis morgen.“