Der Ehrenratsvorsitzende Andreas Peters spricht im Abendblatt über die Wege, die aus der Krise des “Chaosklubs“ HSV führen sollen.

Hamburg. Sein Job ist es, über die Ehre des HSV zu wachen. Seit 2008 hat Dr. Andreas Peters, 42, den Vorsitz des Ehrenrats inne. Die jüngste Mitgliederversammlung im Januar stand unter seiner Leitung, er sitzt dem Satzungsausschuss vor, und gemeinsam mit weiteren sechs Ehrenräten steht er für Streitschlichtung, neutrale Wahlleitung sowie die Einhaltung der Vereinssatzung. Im normalen Leben ist Peters Rechtsanwalt bei der Kanzlei Raupach & Wollert-Elmendorff.

Abendblatt:

Herr Dr. Peters, hat der HSV seine Ehre verloren?

Andreas Peters:

Was meinen Sie damit?

Der Trainer geht freiwillig, die Aufsichtsräte streiten öffentlich, der Vorstand wird abgewählt ..., der Imageverlust des HSV ist doch enorm.

Peters:

Die Ehre des HSV mit seiner fast 125-jährigen Geschichte hängt nicht am Tagesgeschehen. Der Verein hat aber an Ansehen verloren, und wir alle, vom Gremienmitglied über ehemalige Verantwortungsträger bis zum Teilnehmer eines Internetforums, müssen uns bei der eigenen Ehre packen lassen und fragen, was wir künftig zum positiven Erscheinungsbild beitragen können.

An welche Beiträge denken Sie?

Peters:

Ich würde hier nicht inhaltliche Entscheidungen oder Abstimmungsergebnisse hervorheben wollen. Wir nehmen vor allem Schaden durch gezielte Indiskretionen und schlechten Umgang

miteinander. Sei es in Mitgliederversammlungen oder durch die fehlende

Bereitschaft, im Nachgang Entscheidungen ehren- oder hauptamtlicher Verantwortungsträger zu akzeptieren, was zuweilen in Verunglimpfungen, aktuell sogar in völlig unakzeptablen Drohungen gipfelte. Wenn wir der basisdemokratischste Verein in Europa sein wollen, gehört dazu auch Disziplin. Und zwar von allen Beteiligten.

Ist das ein sportspezifisches Problem, weil das Thema so emotionalisiert ist?

Peters:

In der Politik ist das nicht anders. Auch dort werden mitunter schlechte Vorbilder für das Miteinander geliefert, wenn etwa Sachargumente bewusst in den Hintergrund gedrängt werden, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen oder den politischen Gegner in ein schlechtes Bild zu rücken.

Inwieweit sind Sie in die Vorgänge als Ehrenrat gefordert und einbezogen?

Peters:

Über Inhalt und Bedeutung von Verschwiegenheitspflichten sowie mögliche Folgen von Pflichtverletzungen haben wir uns bereits in der jüngeren Vergangenheit mit dem Aufsichtsrat intensiv ausgetauscht. Hierbei kam auch die Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten im Umgang innerhalb des Vereins auf, was ein Anstoß für die Wertediskussion war.

Welche könnten das sein?

Peters:

Eine gewisse Respektlosigkeit und Besserwissertum nehmen für meinen Geschmack in mancher Diskussion einen zu breiten Raum ein. Wir täten gut daran, das Gute an der Arbeit, die andere leisten, stärker hervorzuheben. Vorbildlichkeit und Achtung voreinander sollten unser Handeln bestimmen, wie dies schon in aktuellen Diskussionen anklang und wie wir es ja auch von unseren Jugendspielern und Bundesligaprofis fordern.

Wann greift ein Ehrenrat in vereinsinterne Prozesse schlichtend ein?

Peters:

Grundsätzlich geschieht dies auf Bitte eines Beteiligten. In Bezug auf die aktuelle Situation wäre es eine Illusion zu glauben, der Ehrenrat könne als höhere Instanz eingreifen und kraft Amtes für Ruhe und Frieden sorgen. Wir führen aber viele Gespräche und es ist unverkennbar, dass die Mehrheit zu einem konstruktiven Miteinander zurückkehren will. Im Übrigen bieten wir Vermittlungshilfe bei Fällen an, in denen nichts mehr geht oder niemand mehr miteinander spricht. Das sehe ich beim Aufsichtsrat aktuell aber nicht. Deren Vorsitzender Otto Rieckhoff tut alles, um die Truppe zusammen- und die Kommunikationskanäle offenzuhalten. Man ist sich der Verantwortung bewusst und sucht intensiv nach Lösungen.

Wie lautet denn Ihre Meinung bei der Vorstandsfrage? Ist die Entscheidung, mit Bernd Hoffmann das Jahr noch zu beenden, realistisch, oder muss eine Interimslösung her?

Peters:

Das ist eine Sachfrage aus dem Verantwortungsbereich des Aufsichtsrates, zu der ich mich als Ehrenrat öffentlich nicht zu äußern habe.

Viele Fans, die für einen Verbleib von Bernd Hoffmann sind, setzen auf eine außerordentliche Mitgliederversammlung.

Peters:

Grundsätzlich ist es nie förderlich, in Rage Entscheidungen zu treffen. Personen abzusetzen und neu zu bestimmen, ist meines Erachtens nicht der richtige Weg und würde wiederum zu Gegenreaktionen führen. Die Frage nach der Schuld, nach Ursache und Wirkung ist durch die verschiedenen Verquickungen auch nicht einfach aufzulösen. Auf der anderen Seite haben die Mitglieder das Recht auf Information und Meinungsäußerung. Ob und wann eine Mitgliederversammlung sinnvoll ist, gilt es also zu diskutieren. Vor allem aber sollten wir unsere Energie in Sachfragen stecken.

Die Lage scheint verfahren, überall wird das Bild des Chaosklubs skizziert. Wie könnte schnell Ruhe einkehren?

Peters:

Fußball ist, wenn man ehrlich ist, äußerst schnelllebig. Erfolge bügeln so etwas auch wieder aus. Am Wichtigsten bleibt jedoch eine Klärung der Vorstandsbesetzung. Hiernach wird man sich auf die Zukunft konzentrieren, die Dinge könnten sich beruhigen. Fraglich bleibt jedoch, ob es eine dauerhafte Ruhe sein wird oder ob wir weiter in einem Lagerkampf bleiben. Dies hängt von uns selbst ab und, wie eingangs gesagt, würden wir viel gewinnen, wenn wir im Umgang umsichtiger werden.

Eine These in der Diskussion lautet, der mitgliederdemokratische Ansatz des HSV mache den Klub unregierbar. Ist das eine Schwäche des Vereins?

Peters:

Von der Grundanlage her nicht. Außerdem haben wir ja alle den Mitgliederzuwachs gefördert. Unser Modell zurückzufahren, hat noch niemand gefordert. Es kann nur darum gehen, das vorhandene System zu stärken.

Wie könnte das gehen?

Peters:

Ein Ansatz könnte sein, mehr Menschen für die Prozesse zu gewinnen, denn häufig ist ja von unterschiedlichen Seiten zu hören, bei Versammlungen kämen gesteuerte Kampagnen zum Zuge. Beklagt wird außerdem eine unzureichende Legitimation angesichts der im Verhältnis zur Mitgliederzahl geringen Beteiligung bei Wahlen. Die Möglichkeit einer Briefwahl wird zum Beispiel vorgeschlagen, die allerdings auch mit Problemen behaftet ist. Ein zweiter Punkt wäre das bereits angedachte Entzerren von Mitgliederversammlungen, indem man Wahlen gesondert abhält, um Abwanderungsbewegungen bei langen Sitzungen zu verhindern. Bei der letzten Sitzung im Januar verließen Hunderte den Saal vor der Wahl und zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang haben wir noch einmal Hunderte verloren.

Hat sich das Modell eines Vereins überholt angesichts der Entwicklung im modernen Profifußball?

Peters:

Nein. Diese Struktur bietet eine Chance, weil die größere Verbundenheit auch in einer Krise eine Stärke sein kann, die sich in anderen Klubs so nicht findet. Wenn man sieht, wie Generationen von Leuten dabei sind und Dinge weitertragen, ist das schon etwas ganz Besonderes. Das sollte man bewahren.

Ist der Aufsichtsrat zu groß?

Peters:

Die Stimmung bei vielen Mitgliedern ist offenbar so. Bislang bin ich der Meinung, dass viele Gruppen und Interessen bei zwölf Aufsichtsräten besser vertreten sind. Auf der anderen Seite ist ein Einheitsgefühl, Disziplin und auch Diskretion leichter in einer kleineren Gruppe zu erreichen, ein verschworener und verschwiegener Haufen, der sich seine Gegner außerhalb des Vereins sucht. Möglich, dass das Thema wieder aufgenommen wird.

Wofür sollte der HSV für Sie in der Zukunft stehen?

Peters:

Für das sportlich erfolgreiche Modell eines mitgliederbasierten Vereins, der seine Heimat, seinen Traditionsbezug bewahrt, aber nicht stehen bleibt und die Chancen der Zeit wahrnimmt. Erfolg im Profi-Fußballbereich ist für die meisten Fans und Mitglieder das, wonach sie sich sehnen. Ich persönlich bin nicht bereit, beispielsweise auf innovative und möglichst intelligente Wege der Finanzierung zu verzichten, wenn dies mit dauerhafter Mittelmäßigkeit einhergeht. Auf der anderen Seite muss es unser Ziel sein, auch wenn es im Moment nicht hundertprozentig zu funktionieren scheint, eine bessere Alternative zu sein zu Klubs mit anderen Modellen. Alle tragen eine Verantwortung, dass die Leute wieder denken: Der HSV ist etwas ganz Besonderes, das verdient Respekt, was die machen. Daran müssen wir arbeiten.