Paris. Willy Sagnol übernimmt. Es gibt zwei Favoriten auf die Nachfolge. Uli Hoeneß: “Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste.“

Nach der Schmach von Paris und der Ankunft am Flughafen München ging Carlo Ancelotti scheinbar unbeeindruckt zum Bus, der vor dem Terminal auf ihn und die Mannschaft wartete. Auf Fragen zu seiner Zukunft als Trainer des FC Bayern brummte er nur: "Kein Kommentar." Eine vielsagende Äußerung. Wenige Stunden später senkten die Verantwortlichen dann den Daumen: Ancelotti, dessen Vertrag bis 2019 läuft, muss gehen. Das gab der Club am Nachmittag bekannt.

Präsident Uli Hoeneß hat ein gestörtes Verhältnis zwischen Ancelotti und einigen Spielern bestätigt. "Der Trainer hat fünf Spieler auf einen Schlag gegen sich gebracht. Das hätte er niemals durchgestanden", sagte Hoeneß am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung in Siegen dem Radiosender FFH: "Ich habe in meinem Leben einen Spruch gelernt: Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste - deshalb mussten wir handeln."

Nach Informationen des US-Senders ESPN hatte der Italiener dem deutschen Rekordmeister am Tag nach der 0:3-Schmach in der Champions League bei Paris Saint-Germain seinen Rücktritt angeboten. "Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbeginn entsprachen nicht den Erwartungen, die wir an sie stellen", wird der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge in einer Pressemitteilung zitiert: "Das Spiel in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenzen ziehen mussten." Sportdirektor Hasan Salihamidzic und er hätten dies Ancelotti "in einem offenen und seriösen Gespräch erklärt".

Rummenigge bedankte sich für die Zusammenarbeit und bedauere die Entwicklung, die sie genommen hat. "Carlo ist mein Freund und wird es bleiben, aber wir mussten hier eine professionelle Entscheidung im Sinne des FC Bayern treffen."

Sagnol debütiert am Sonntag

Mit Ancelotti wurde auch sein italienisches Trainerteam freigestellt. Als Nachfolger steht Willy Sagnol übergangsweise bereit. Der ehemalige Profi wurde im Sommer auf Wunsch der Verantwortlichen für das Trainerteam verpflichtet, er war zuvor als Chefcoach bei Girondins Bordeaux von 2014 bis 2016 tätig. Sagnol (40) wird am Sonntag im Spiel bei Hertha BSC als Interimstrainer auf der Bayern-Bank sitzen.

Danach ist Länderspielpause. Als Kandidat für die Zukunft galt bislang Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann. Für eine längerfristige Nachfolge wird nun auch Thomas Tuchel gehandelt, der nach dem DFB-Pokal-Gewinn mit Borussia Dortmund im Sommer entlassen wurde – er wohnt in München, Nagelsmann baut dort gerade.

Direkt nach dem 0:3 (0:2) gegen die Hochgeschwindigkeitsfußballer von Paris um die sündhaft teuren und herausragenden Turbostürmer Neymar und Kylian Mbappé hatten die Münchner Bosse das Stadion gedemütigt, verstört und sprachlos verlassen. Die höchste Vorrundenniederlage in 21 Jahren Champions League, die im ZDF 8,27 Millionen Zuschauer sahen (28,9 Prozent Marktanteil), wollte die Führung des wankenden europäischen Schwergewichts nicht mehr tatenlos hinnehmen.

Krisensitzung am Donnerstag

„Ich glaube, es war eine ganz bittere Niederlage, über die es zu sprechen gilt, die es zu analysieren gilt und aus der wir auch in Klartextform Konsequenzen ziehen müssen“, sagte Rummenigge beim abendlichen Bankett und ergänzte: „Ich glaube, da sind wir uns alle einig, wenn ich hier so zu meiner Linken und Rechten in die Gesichter schaue. Das war nicht der FC Bayern.“

Uli Hoeneß, der Präsident, der etwas weiter rechts am Tisch saß und mit zusammengepressten Lippen zugehört hatte, nippte am Weißwein und klatschte dann wie die Mehrzahl der Zuhörer am Ende von Rummenigges Ansprache in die Hände. Der innerlich aufgewühlte Bayern-Chef hatte mit einer klaren Ansage geendet: „Es ist wichtig, dass wir schnell nach diesem Spiel wieder die Kurve kriegen und uns als Bayern München präsentieren. Und dann eben auch zeigen, dass wir eine Mannschaft sind, die in den letzten Jahren in Europa und auch national für Furore gesorgt hat, und dass wir da wieder anschließen.“

Ancelotti hatte mit seiner Aufstellung gegen die aufstrebende neue Supermacht aus Paris für große Verblüffung und Irritation gesorgt. Die größere Erfahrung hatte Rummenigge vor dem „Prestigespiel“ gegen PSG noch als Vorteil des FC Bayern bezeichnet. Und dann saßen Weltmeister Mats Hummels und Franck Ribéry 90 Minuten auf der Bank. Arjen Robben wurde erst eingewechselt, als der Gruppengipfel nach Toren von Dani Alves (2.), Edinson Cavani (31.) und Neymar (63.) entschieden war. Jérôme Boateng, auch ein Weltmeister, musste sogar von der Tribüne aus zuschauen.

„Ich bin jemand, der sehr viel über die Aufstellung nachdenkt. Ich bedaure nichts“, sagte Ancelotti. Er verteidigte seine Rotation, die seine Stars bei Laune halten soll, aber bei Hummels, Robben, Ribéry und Co. zunehmend für schlechte Laune sorgt. Ancelotti isoliert sich. „Es stimmt, dass mit Robben, Ribery und Hummels viele gute Spieler auf der Bank waren. Aber ich habe in jedem Spiel gute Spieler auf der Bank. So ist es in Topclubs. Gute Spieler müssen auf die Bank, das ist mein Job“, sagte Ancelotti.

18:1 Ecken – Bayern nur scheinüberlegen

Ancelottis Plan scheiterte krachend, begünstigt durch einen Katastrophenstart. „Das Gegentor nach einer Minute ist das schlimmste Szenario, das es gibt“, stöhnte Robben. 222-Millionen-Euro-Mann Neymar, Mbappé und Cavani konnten anschließend nach Herzenslust ihre unwahrscheinliche Konterstärke ausspielen. Bayern war defensiv nicht präsent, führungs- und planlos im Mittelfeld. 18:1 Ecken, die eine Scheinüberlegenheit suggerierten, verpufften wirkungslos.

Die Spieler um Kapitän Thomas Müller rangen nach der Abreibung um Worte oder verweigerten eine Stellungnahme wie der innerlich kochende Hummels. „Das glauben Sie nicht wirklich“, sagte er auf die Bitte um einen Kommentar. „Die Niederlage kommt hart an, weil wir das so nicht gewohnt sind“, stöhnte Robben. „Peinlich“ und „schmerzhaft“ nannte er das Erlebte. „Das ist meine neunte Saison hier, und das ist man nicht gewohnt.“ Der Holländer meinte aber wohl nicht nur das Ergebnis.

Keine Kritik am Trainer

Beim Thema Trainer wurden die Profis wortkarg. „Der Trainer trifft die Entscheidungen und stellt seine Pläne vor. Und die Mannschaft versucht, das dann bestmöglich umzusetzen“, sagte Müller. Robben bewahrte, mit geballten Fäusten, die Fassung: „Jeder Spieler, der sich jetzt nach außen unzufrieden äußert, bringt uns nicht viel.“ Wie verstört er war, wie verärgert, machte Robben indirekt deutlich: „Die Champions League ist das Schönste, was es gibt. Hohes Niveau, ein super Gegner – da will man natürlich ein gutes Spiel abliefern.“

Eindringlich appellierte Robben an den Zusammenhalt der Mannschaft. Schon am Sonntag geht es in Berlin gegen Hertha BSC weiter. „Da müssen wir gewinnen und sonst nichts. Das ist das letzte Spiel vor der Länderspielpause. Wir sind schon drei Punkte hinter Dortmund“, erklärte Robben.