Frankfurt. . Julian Weigl und Anton Stach hatte kaum jemand auf dem Zettel. Ihr Weg ist ungewöhnlich. Gesucht wird ein Ersatz für Joshua Kimmich.

Es gibt nicht viele Menschen, die einen Anruf von Hansi Flick erhalten. Und gerade bei denen, die es nicht erwarten, dass sich der Bundestrainer meldet, kann das Telefonat eine beeindruckende Wirkung entfalten.

Als Julian Weigl realisierte, wer gerade durchklingelt, rannte er um eine Ecke. „Ich konnte es nicht glauben.“ Anton Stach lenkte sein Auto, neben ihm saß sein Mainzer Mitspieler Anderson Lucoqui. „Wir haben uns mit großen Augen angeguckt“, erzählt Stach. „Ich musste mich wirklich sehr konzentrieren auf das Autofahren, bin gleich zweimal falsch abgebogen.“

Alternativen beim DFB für Weigl und Stach: Dahoud, Arnold, Özcan

Und wenn schon die beiden Nominierten davon überrascht sind, dass sie in den Kreis der besten deutschen Fußballer eingeladen werden, dann wundert sich natürlich auch die Öffentlichkeit über die Neuen. Zwei Außenseiter, die kaum jemand auf dem Zettel hatte, die sich jetzt aber berichtigte Hoffnungen machen dürfen, im Winter mit zur Weltmeisterschaft nach Katar zu reisen. Denn das Gerangel um den Platz als Ersatzmann für Joshua Kimmich im Mittelfeld bietet derzeit wohl das größte Überraschungspotenzial. Man brauche im Zentrum einen Spieler, der verlässlich sei, meint der Bundestrainer. „Neben Jo Kimmich brauchen wir eine Alternative.“

Der Mainzer Anton Stach möchte sich beim DFB für weitere Einsätze empfehlen.
Der Mainzer Anton Stach möchte sich beim DFB für weitere Einsätze empfehlen. © Getty

Da wären eben Stach (23/FSV Mainz) und Weigl (26/Benfica Lissabon), die in dieser Woche in Frankfurt die Möglichkeit erhalten, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird einer von beiden im Testspiel am Samstag in Sinsheim gegen Israel (20.45 Uhr/ZDF) spielen dürfen, weil Kimmich die Geburt seines dritten Kindes erwartet und bislang nicht angereist ist. Die anderen Kandidaten sind Mahmoud Dahoud (26/Borussia Dortmund) und Maximilian Arnold (27/VfL Wolfsburg), auf die Hansi Flick diesmal verzichtet hat. Genauso wie auf Salih Özcan (24/1. FC Köln), der sich allerdings erst mal entscheiden muss, ob er für die Türkei oder Deutschland spielen möchte.

In Frankfurt faltet Julian Weigl am Donnerstag die Hände, während er vor den Journalisten sitzt und berichtet, dass er „nicht unbedingt“ mit seiner Rückkehr gerechnet habe. Schon einmal versuchte der gebürtige Bayer, eine feste Größe beim Deutschen Fußball-Bund zu werden. Vor dem EM 2016 bestimmte er das Tempo im Aufbauspiel von Borussia Dortmund, erinnerte an Toni Kroos, der damalige Trainer Thomas Tuchel schwärmte.

Julian Weigl: Erst BVB, dann Lissabon

Und weil der Profifußball manchmal so seine Geschichten schreibt, kreuzte sich Weigls Weg ausgerechnet mit Kimmich. Beide erlebten ihr erstes Länderspiel vor sechs Jahren beim 1:3 gegen die Slowakei, beide durften mit zum großen Turnier im Sommer. Kimmichs Bedeutung stieg und stieg, Weigl schaute bei der EM jedoch nur von der Bank aus zu. Anschließend schwankte seine Form in Dortmund, im Januar 2020 folgte der Neuanfang bei Benfica Lissabon.

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„Ich habe wahrgenommen, dass viele das als kleinen Rückschritt angesehen haben“, sagt Weigl. „Aber ich war überzeugt von dem Konzept.“ Er habe körperlich zugelegt, durch die Geburt seiner Tochter sei er reifer worden. Mit dem portugiesischen Erstligisten hat sich Weigl immerhin ins Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Liverpool gearbeitet. „Jetzt wäre ich extrem gerne bei der WM dabei.“

Dafür müsste er Anton Stach verdrängen, den Mainzer Profi, der sich zum ersten Mal Nationalspieler nennen darf. „Viele kennen mich bestimmt gar nicht“, sagt der 23-Jährige. Das liegt wohl auch seinem ungewöhnlichen Weg, auf dem er schon häufiger Umwege in Kauf nehmen musste wie nach dem Anruf von Hansi Flick. Von der zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg schaffte er es zu Greuther Fürth, im Sommer kaufte ihn der FSV Mainz 05. „Er ist mit Sicherheit noch nicht ausgereift“, erklärt Flick. „Wir wollen sehen, was er uns anbietet.“

Denn Stach und Weigl dürfte klar sein, dass in einigen Monaten, wenn der Bundestrainer seinen Kader für WM einladen wird, das Handy nur bei einem von beiden klingelt.