London. 31 Partien in Folge ist Italien nun ungeschlagen. Der 2:1-Sieg im EM-Achtelfinale gegen Österreich war allerdings ein Kraftakt.

Das Spiel stand auf der Kippe nach etwas mehr als einer Stunde, und es sollte tatsächlich kippen – in Richtung der hoch favorisierten Italiener und zu Ungunsten des wackeren Österreichs. In der 65. Minute dachten die Österreicher, dass ihnen die Führung gelungen sei im EM-Achtelfinale im Wembley-Stadion in London.

Marko Arnautović hatte den Ball nach Vorlage von David Alaba aus spitzem Winkel über Italiens Torwart Gianluigi Donnarumma ins Netz geköpft. Mit provozierenden Gesten in Richtung der italienischen Fans feierte der einstige Profi des SV Werder, seit 2019 in Shanghai aktiv, seinen Treffer. Doch das Tor zählte nicht. Nach minutenlanger Konsultation entschied der Videoschiedsrichter auf Abseits. Österreichs großer Moment war verstrichen.

Trainer Roberto Mancini brachte Matteo Pessina ins Spiel

Italiens Trainer Roberto Mancini baute seine Mannschaft kurz danach um, und zwar entscheidend. Er wechselte doppelt, unter anderem kam Matteo Pessina. Und es war der Mittelfeldspieler von Atalanta, bekannt für seine Liebe zu Kunst und Kultur, der entscheidend dazu beitrug, dass Italien seiner Favoritenrolle spät aber gerade noch rechtzeitig gerecht wurde und sich durch den 2:1-Sieg nach Verlängerung für das Viertelfinale am Freitag in München qualifizierte.

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In der 95. Minute schaffte Pessina mit einem geschickten Laufweg Platz auf der rechten Seite, den Federico Chiesa, ebenfalls eingewechselt, zum 1:0 nutzte. Das entscheidende 2:0 in der 105. Minute schoss Pessina selbst. Österreich musste sich mit dem Anschluss durch Sasa Kalajdzić in der 114. Minute begnügen.

Franco Foda: Kritiker haben jetzt erst einmal Pause

Die Italiener sind bisher die am meisten gefeierte Mannschaft der EM. Mit drei Siegen und 7:0 Toren waren sie durch die Vorrunde gerauscht und hatten das Publikum entgegen italienischer Tradition mit attraktivem Offensivfußball begeistert. Gegen Österreich wurden sie zum ersten Mal richtig geprüft, und es hätte nicht viel gefehlt, dann wären sie durch die Prüfung gefallen.

Nach einer ersten Halbzeit, in der Italien Chance um Chance vergab, hatte Österreich nach dem Wechsel mehrere gute Gelegenheiten – und feierte tatsächlich die Führung durch Arnautović, ehe der Videoschiedsrichter intervenierte. Am Ende scheiterte Österreich bei seinem ersten Spiel in einer K.o.-Runde seit 1954, aber es scheiterte heldenhaft, zumindest nach eigener Ansicht: “Heroisch! Packend! Unverdient!” – so fasste der österreichische Verband ÖFB die Partie und ihr Ergebnis auf seiner Internetseite zusammen. Der umstrittene deutsche Trainer Franco Foda sagte zum Abschied aus dem Turnier: “Jetzt haben die Kritiker zwei, drei Wochen Pause. Danach dürfen sie uns wieder kritisieren.”

Manci hat 25 von 26 nominierten Spieler eingesetzt

Italien dagegen darf weiter auf den ersten Titel seit der WM 2006 hoffen, auch dank einer beeindruckenden Tiefe im Kader. Trainer Mancini vertritt die Auffassung, dass alle Spieler in seinem Aufgebot gleichermaßen wertvoll sind, das bezeugt zum Beispiel die Tatsache, dass von den 26 für die EM nominierten Profis nur der dritte Torwart Alex Meret noch nicht zum Einsatz gekommen ist.

Wenn die erste Elf an ihre Grenzen stößt, dann richten es eben frischen Kräfte von draußen wie gegen Österreich die eingewechselten Chiesa und Pessina. “Es ist ein Vorteil, Spieler zu haben, die das Spiel drehen können, wenn sie von der Bank kommen”, sagte Mancini. Ein Vorteil, der Italien noch weit bringen kann bei dem Turnier.

Donnarumma nach 1168 Minuten bezwungen

Gegen Österreich zeigte die Mannschaft ihre schwächste EM-Leistung, entsprechend nervös ist die Presse in der Heimat. Doch das Spiel lässt sich auch positiv interpretieren, nämlich so, dass Italien eine wichtige Eigenschaft großer Teams erfüllt – es gewinnt auch mäßige Spiele, hat mehr als nur Plan A.

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Ganz nebenbei vollbringt die Mannschaft Historisches. 31 Partien nacheinander ungeschlagen, zwölf Siege in Serie – beides ist Rekord. Der Anschluss durch Kalajdzić war der erste Gegentreffer der Italiener seit Oktober, nach insgesamt 1168 Minuten. Damit übertrafen sie die bisherige Bestmarke für die längste Zeit einer Nationalmannschaft zu Null. Aufgestellt hatte sie zwischen 1972 und 1974 Italien selbst.