Hamburg. Ex-HSV-Profi will Vorfall “wie zwei Männer“ klären. Aogos Ehefrau: “Dieses Land macht mir Angst.“ Lehmann verliert nächsten Job.

Der frühere Fußball-Nationaltorhüter Jens Lehmann hat mit einer rassistischen Nachricht an den langjährigen HSV-Profi Dennis Aogo für einen Eklat gesorgt.

Lehmann hatte per WhatsApp gefragt: „Ist Dennis eigentlich euer quotenschwarzer?“ Versehen war der Satz mit einem Lach-Smiley vor dem Fragezeichen.

Aogo, der als Experte für den TV-Sender Sky arbeitet, schrieb dazu: „WOW dein Ernst? @jenslehmannofficial Die Nachricht war wohl nicht an mich gedacht!!!“

Lehmann entschuldigte sich für die irritierende Nachricht. Dennoch ist der 51-Jährige sowohl seinen Posten im Aufsichtsrat des Bundesligisten Hertha BSC als auch seinen Expertenstatus bei Sky und Sport1 los.

Jens Lehmanns gesammelte Fehltritte

9. Dezember 2009

Der VfB Stuttgart spielt in der Champions League gegen Unirea Urziceni aus Rumänien, Lehmann kann dem Druck nicht mehr standhalten. Er springt bei einem Angriff der Schwaben während der zweiten Halbzeit kurzerhand hinter seinem Tor über eine Bande und lässt es laufen. „Das hat mich an die Tour de France erinnert. Das hat er ganz geschickt gemacht“, sagt der damalige VfB-Sportchef Horst Heldt später zur Pinkelpause.

13. Dezember 2009

Vier Tage später, der VfB spielt in der Bundesliga bei Mainz 05, Lehmann sieht die Rote Karte - nach einem Tritt auf den Fuß von Angreifer Aristide Bance. Auf dem Weg aus dem Stadion wird der Schlussmann handgreiflich und reißt einem VfB-Fan die Brille von der Nase - erst nach einiger Zeit gibt er sie zurück. Die Staatsanwaltschaft erstattet anschließend Strafanzeige wegen Diebstahls.

26. Januar 2014

Lehmann ist zu Gast bei der Talkshow Sky90 und wird gefragt, wie seine Reaktion ausgefallen wäre, wenn er während seiner aktiven Karriere von der Homosexualität seines früheren Mitspielers Thomas Hitzlsperger gewusst hätte. Lehmann antwortet: „Komisch, glaube ich. Man duscht jeden Tag zusammen, man hat Phasen, in denen es nicht so läuft. Aber Thomas Hitzlsperger ist ein Spieler, der erstens sehr intelligent ist, und zweitens von seiner Spielweise überhaupt nicht den Anlass gegeben hätte, dass da man hätte denken können, da ist irgendetwas.“

19. April 2020

Nach dem Corona-Ausbruch sitzt Lehmann im Sport1-Doppelpass und setzt sich entgegen der Meinung der Experten für die Zuschauerrückkehr im Fußball ein. „Mir hat noch keiner die Frage beantworten können, warum man in ein Stadion wie die Allianz Arena, in die 70.000 Leute reinpassen, nicht 20.000 reinstecken kann“, sagt Lehmann und erntet daraufhin heftige Kritik. 

12. Dezember 2020

Lehmann äußert sich erneut zu Corona. „2017 mussten wir in Deutschland 23.000 Grippe-Tote betrauern. Da hat es keiner wahrgenommen. Jetzt müssen wir genau die gleiche Sterberate innerhalb der Bevölkerung von 0,028% betrauern. Bleibt gesund und frohe Weihnachten“, schreibt der frühere Nationaltorwart bei Twitter. Später löscht er den Eintrag.

4. Mai 2021

Versehentlich schickt Lehmann eine WhatsApp-Nachricht an den früheren Fußballprofi Dennis Aogo. „Ist Dennis eigentlich euer Quotenschwarzer?“, steht darin, mit lachendem Smiley. „WOW, dein Ernst? Die Nachricht war wohl nicht an mich gedacht!!!“, reagiert Aogo. Lehmann entschuldigt sich. „In einer privaten Nachricht von meinem Handy an Dennis Aogo ist ein Eindruck entstanden, für den ich mich im Gespräch mit Dennis entschuldigt habe. Als ehemaliger Nationalspieler ist er sehr fachkundig und hat eine tolle Präsenz und bringt bei Sky Quote“, twittert er. Seinen Posten im Aufsichtsrat von Hertha BSC verliert er dennoch.

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Abendblatt.de hält Sie über den Fall Jens Lehmann auf dem Laufenden:

Laureus suspendiert Lehmann als Botschafter

Nach Jens Lehmanns rassistischer Nachricht an Dennis Aogo hat auch die Laureus World Sports Academy reagiert. „Angesichts der weit verbreiteten Kommentare haben wir Jens Lehmann informiert, dass er auf unbestimmte Zeit von seiner Rolle als Laureus-Botschafter suspendiert wurde“, hieß es in einer Pressemitteilung der Organisation. Laureus „widersetzt sich allen Formen von Rassismus“, hieß es weiter.

Lehmann war 2015 zum Laureus-Vorstandsmitglied berufen worden, seit 2012 arbeitete er als Botschafter. Die Organisation vergibt ihre Awards an diesem Donnerstag. Zu den Nominierten gehört unter anderem der FC Bayern München.

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Dennis Aogo: "So etwas schreibt man nicht"

Dennis Aogo hat die Entschuldigung von Jens Lehmann angenommen. "Ich habe ihm abgenommen, dass es ihm leid tut", sagte der ehemalige HSV-Profi am Mittwochnachmittag in einer Videobotschaft auf Instagram. Zuvor habe er bereits zweimal mit dem früheren Torhüter über den Vorfall telefoniert.

Gleichwohl betonte Aogo noch einmal, dass er Lehmanns Nachricht "nicht gut" und "auch ein Stück weit respektlos" fand – "weil man so etwas nicht schreibt. Egal, an wen die Nachricht adressiert war".

Er wolle sich nun zeitnah noch einmal mit Lehmann treffen, um das Thema "wie zwei Männer" endgültig aus dem Weg zu räumen. Jeder Mensch mache Fehler und habe eine zweite Chance verdient, so Aogo im Bezug auf Lehmann: "Ich finde es auch nicht richtig, dass sich jetzt alle auf ihn stürzen."

Diesen Chatverlauf mit Jens Lehmann bei WhatsApp postete Dennis Aogo auf Instagram.
Diesen Chatverlauf mit Jens Lehmann bei WhatsApp postete Dennis Aogo auf Instagram. © Instagram: Dennis Aogo

Ina Aogo: "Schäme mich manchmal, dass ich Deutsche bin"

Ina Aogo hat sich nach Lehmanns WhatsApp-Nachricht an ihren Ehemann Dennis entsetzt geäußert. „Ich frage mich echt, was hier los ist. Dieses Land macht mir Angst mittlerweile“, sagte sie am Mittwoch bei Instagram und nannte als Beispiel ein Video, das einen Mann zeigt, der einen Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln tritt.

Lehmanns Post habe ihren Mann verletzt, sagte Ina Aogo. „Mein Mann war menschlich so enttäuscht von dieser Person. Es tat mir einfach sehr, sehr leid. Enttäuscht und verletzt ist, glaube ich, das richtige Wort“, sagte die 31-Jährige. „Ich schäme mich manchmal, dass ich Deutsche bin. Wenn ich sehe, wie sich manche verhalten oder wie manche reden – dann schäme ich mich dafür.“

Dennis und Ina Aogo im vergangenen Dezember im Rahmen der Gala
Dennis und Ina Aogo im vergangenen Dezember im Rahmen der Gala "Ein Herz für Kinder" in Berlin. © Imago/Future Image

„Wir müssen einfach versuchen, dass wir alle besser miteinander umgehen“, sagte Ina Aogo und riet, „dass Eltern mal einfach bessere Arbeit leisten zu Hause, um ihre Kinder vernünftig zu erziehen, dass sie nicht solche Sachen im Kopf haben“.

Baumann zu Lehmann: "Schon damals ein Vollidiot"

Jens Lehmanns ehemaliger Mitspieler Karsten Baumann hat mit einer eindeutigen Aussage auf die rassistische WhatsApp an Dennis Aogo reagiert. "Du warst schon damals ein Vollidiot", schrieb Baumann bei Twitter unter die Entschuldigung des früheren Nationaltorhüters (siehe auch diesen Eintrag).

Der ehemalige Verteidiger Baumann (u.a. auch 1. FC Köln) stand zwischen 1998 und 2000 für zwei Spielzeiten gemeinsam mit Lehmann im Kader von Borussia Dortmund.

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DFB-Botschafter Hartwig: Erschreckendes Denken

DFB-Botschafter Jimmy Hartwig hat Jens Lehmanns Verhalten scharf verurteilt. „Mir ist es unverständlich, dass ein überragender Torwart wie Jens Lehmann von 'Quotenschwarzen' spricht“, schreibt der frühere Nationalspieler und Profi des Hamburger SV in einem vom Deutschen Fußball-Bund veröffentlichten Statement. „Nicht nur die Sprache ist das Erschreckende, sondern auch das Denken, das dahinter steckt.“

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„Der DFB und die Vereine leisten viel gegen Rassismus. Aber es ist leider immer noch ein weiter Weg in die Köpfe einiger Menschen“, sagte Hartwig. Das schnelle und entschlossene Handeln von Hertha BSC bezeichnete der 66-Jährige als „dringend geboten“. Investor Lars Windhorst hat den Beratervertrag mit Lehmann beendet (siehe auch diesen Eintrag).

Sky und Sport1 laden Lehmann nicht mehr ein

Der Pay-TV-Sender Sky wird künftig auf den Einsatz von Jens Lehmann verzichten. „Wir hatten Jens Lehmann oft bei Sky als Gast in unserem Programm, sind sehr enttäuscht über sein Verhalten und planen, ihn jetzt nicht mehr als Gast in unsere Sendungen einzuladen“, schrieb Sky-Sportchef Charly Classen. Auch bei Sport1 wird der Ex-Torhüter nicht mehr eingeladen.

Aogo war zuletzt beim Zweitligisten Hannover 96 unter Vertrag und arbeitet seit September im Experten-Team von Sky. „Dennis Aogo ist ein hoch geschätzter Kollege und exzellenter Experte und wir sind sehr froh, ihn in unserem Team zu haben“, schrieb der Sportchef weiter. „Wir bei Sky verurteilen jegliche Form von Rassismus und geben Rassismus keinen Raum und keine Plattform.“

Lehmann selber hatte bereits einige Jahre als Experte bei Sky und später bei RTL gearbeitet, wo er Vorgänger von Jürgen Klinmann war. Zuletzt hatte er als Gast bei Sky, im „Doppelpass“ von Sport1 und in der Vorwoche bei der ARD TV-Auftritte.

Dardai begrüßt schnelle Hertha-Entscheidung

Trainer Pal Dardai hat das schnelle Handeln der Verantwortlichen bei Hertha BSC nach dem Eklat um Jens Lehmann als „sehr gut“ bezeichnet. „Die neue Führung von Hertha ist sehr konsequent, und das ist sehr positiv“, sagte der Ungar am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum Nachholspiel in der Bundesliga an diesem Donnerstag (18.30 Uhr/Dazn) im Berliner Olympiastadion gegen den SC Freiburg.

Dardai wollte gar nicht „so viel darüber reden. Wir müssen uns konzentrieren aufs Fußballspielen“, betonte er. Es sei jetzt nicht der Moment für eine derartige Ablenkung, sagte Dardai, der mit seinem Team gegen den Abstieg kämpft. Er habe aber auch nicht gespürt, dass Lehmann eng bei der Mannschaft gewesen sei, sagte Dardai.

„Natürlich ist das eine sehr, sehr unglückliche Situation“, kommentierte Hertha-Keeper Alexander Schwolow am Mittwoch den Vorfall mitten in den Stresswochen der Hertha nach einer zweiwöchigen Quarantäne wegen mehrerer Corona-Fälle.

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Lehmann verliert Posten im Hertha-Aufsichtsrat

Jens Lehmann hat nach seiner WhatsApp-Nachricht an Ex-Profi Dennis Aogo seinen Posten im Aufsichtsrat von Hertha BSC verloren. „Wir haben den Beratervertrag mit Jens Lehmann aufgelöst. Damit ist auch seine Tätigkeit im Aufsichtsrat von Hertha BSC beendet“, sagte Sprecher Andreas Fritzenkötter von der Tennor Holding.

Lehmann hatte einen Beratervertrag bei Tennor für Sport- und Fußballfragen und saß für das Unternehmen von Hertha-Investor Lars Windhorst im Kontrollgremium des Bundesligisten. Der Vorfall sei nicht vereinbar mit den Grundsätzen des Unternehmens, sagte Fritzenkötter.

Lehmann entschuldigt sich bei Aogo

Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann hat sich für eine irritierende WhatsApp-Nachricht beim ehemaligen Profi Dennis Aogo entschuldigt. „In einer privaten Nachricht von meinem Handy an Dennis Aogo ist ein Eindruck entstanden für den ich mich im Gespräch mit Dennis entschuldigt habe“, schrieb Lehmann am Mittwochmorgen bei Twitter. Der 51-Jährige ergänzte: „Als ehemaliger Nationalspieler ist er sehr fachkundig und hat eine tolle Präsenz und bringt bei Sky Quote.“

Gegenüber der Bild-Zeitung versicherte der 51-Jährige zudem, die Nachricht sei „überhaupt nicht so gemeint“ gewesen, „sondern positiv“. Es sei von ihm „unglücklich ausgedrückt“ gewesen: „Da die WhatsApp von meinem Handy rausging, übernehme ich die Verantwortung dafür. Es war eine private Nachricht.“