Düsseldorf. Julian Draxler und Julian Brandt fehlen zum Auftakt der WM-Qualifikation im DFB-Kader. Ein Zeichen, dass sie um die EM bangen müssen.

Die letzten Meter absolvierte Florian Wirtz zu Fuß. Der 17-Jährige wohnt in Pulheim bei Köln und spielt in Leverkusen, da ist es nicht weit bis Düsseldorf, wo sich am Montag die deutsche Fußball-Nationalmannschaft versammelte. Deswegen verzichtete Wirtz auch auf den DFB-Fahrdienst, ließ sich am Lindner Congress-Hotel absetzen und lief ein paar Schritte, beladen mit Rollkoffer, Sporttasche und einer großen Papiertüte.

Viel Gepäck, denn für Wirtz geht es in diesen Tagen nicht nur darum, sich auf die WM-Qualifikationsspiele in Duisburg gegen Island am Donnerstag und Nordmazedonien am darauffolgenden Mittwoch sowie das eingeschobene Auswärtsspiel am Sonntag in Rumänien (alle 20.45 Uhr/RTL) vorzubereiten. Nein, Wirtz muss auch fürs anstehende Abitur büffeln, erstmals gehört deswegen auch ein Lehrer zum Stab der Nationalmannschaft.

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Dass ein 17-Jähriger zum Kader der Nationalmannschaft gehört, ist eben kein ganz alltäglicher Vorgang, in Düsseldorf ist Wirtz allerdings nur knapp der Jüngste. Jamal Musiala ist ja auch noch dabei, vor einem knappen Monat erst 18 geworden und wie Wirtz ein überaus begabter Offensiv-Fußballer. „Beide sind außergewöhnliche Talente“, sagt Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff. „Beide sind schon sehr reif für ihr Alter und spielen auf höchstem Niveau.“

Um Musiala hatten Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw lange kämpfen müssen, er hat auch einen englischen Pass und für die englischen U-Nationalmannschaften gespielt. nun ist Bierhoff sichtlich stolz und glücklich, dass es gelungen ist, den jungen Mann von der DFB-Auswahl zu überzeugen.

Viele etablierte Spieler sind nicht dabei

Anderswo ist man vielleicht nicht ganz so glücklich. Wenn junge Talente zur Nationalmannschaft dazustoßen, heißt das ja immer auch, dass für andere Spieler kein Platz mehr ist. Eine ganze Reihe an Spielern ist dieses Mal nicht dabei, die zuletzt recht regelmäßig zum Stamm der Nationalmannschaft gehörten: Luca Waldschmidt, Suat Serdar, Nico Schulz, Thilo Kehrer. Vor allem aber Julian Brandt und Julian Draxler. Beide waren selbst ja mal die Zukunft des deutschen Fußballs, wohl niemand war das so lange wie der Ex-Schalker Draxler. 2012, mit 19 Jahren, debütierte er. 2014 war er Teil des Weltmeisterkaders, 2016 Stammspieler bei der Europameisterschaft, 2017 führte er eine junge Auswahl als Kapitän zum Sieg beim Confed Cup.

Den nachhaltigen Durchbruch zum Leistungsträger aber schaffte Draxler nicht, und jetzt muss er genau wie Brandt massiv um die EM-Teilnahme bangen. Bierhoff will das so deutlich zwar nicht sagen. „Aber es ist ein Zeichen“, meint der Nationalmannschaftsdirektor. „Wenn sie jetzt nicht nominiert sind, ist man mit ihrer Entwicklung oder ihren letzten Auftritten nicht so zufrieden.“ Andererseits: „Das sind Spieler, die schon viel für uns geleistet haben und von denen ich hoffe, dass sie es auch weiterhin tun werden.“

Sanatorium für leidgeplagte Fußballer

Sicher aber ist das nicht, und das markiert auch eine Zeitenwende im DFB: Jahrelang war die Nationalmannschaft auch ein Sanatorium für leidgeplagte Fußballer. Wer im Klub eine schwere Zeit durchmachte, durfte sich trotzdem auf Zerstreuung bei der Nationalmannschaft freuen, weil Löw sehr verlässlich nominierte, mit wem er schon Erfolge gefeiert hatte.

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Nun, nach seiner Rücktrittserklärung, ändert der Bundestrainer seinen Stil: Der Leistungsgedanke wird stärker betont als die Solidarität mit langjährigen Weggefährten. „Er weiß, dass sein letztes Turnier ansteht und trifft seine Entscheidungen mit freier Konsequenz“, erklärt Bierhoff. „Er denkt nicht daran, was seine Entscheidungen für Konsequenzen nach dem Turnier haben und kann das Optimum für den Moment herausholen.“

Bundestrainer Löw hält sich Türen offen

Andererseits hat sich der Bundestrainer in bewährter Löw-Manier alle Türen offengehalten. Er hat ein deutliches Zeichen an die zuletzt formschwachen Draxler und Brandt gesetzt. Er hat auch allen anderen gezeigt, dass es keine Erbhöfe mehr gibt. Aber er hat niemanden endgültig aus der DFB-Auswahl hinauskomplimentiert, sogar die Rückkehr der Weltmeister Mats Hummels, Thomas Müller und Jerome Boateng in den EM-Kader ist ja ausdrücklich eine Option. Für Brandt und Draxler allerdings wäre dann noch weniger Platz.