Köln. Der THW Kiel gewinnt zum vierten Mal die Handball-Champions-League. Auch wegen Sander Sagosen. Der Norweger gilt als bester Spieler der Welt.

Die Siegerehrung war schon seit einer halben Stunde vorbei, das Konfetti wurde zusammengefegt und die Sponsorenlogos vom Boden gelöst, als ein lauter Schrei aus dem Kabinentrakt die geschäftige Stille in der Kölner Arena unterbrach. Unschwer war die Stimme als die von Sander Sagosen zu erkennen. Jenem Mann, der mit den Handballern des THW Kiel kurz zuvor die Sensation geschafft und am Dienstagabend als Außenseiter das Finalturnier der Champions League gewonnen hatte. „Es ist unglaublich. Wir hatten dieses große Ziel, und wir haben es tatsächlich erreicht“, hatte der Norweger zuvor noch in die Mikrofone gesprochen – und den ganzen Druck schließlich wenig später mit einem Urschrei entweichen lassen.

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Der 33:28-Sieg des THW Kiel im Finale gegen den FC Barcelona war das Resultat einer leidenschaftlichen Mannschaftsleistung. Im Tor überragte Niklas Landin, in der Abwehr gingen Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek an ihre Grenzen gegen die favorisierten Spanier, vom Siebenmeterpunkt zeigte Rechtsaußen Niclas Ekberg keine Schwäche, Steffen Weinhold tankte sich immer wieder über die rechte Seite durch und ja – dann war da noch Sander Sagosen.

Schon früh limitiert durch zwei Strafzeiten konnte er ab der elften Minute nur noch im Angriff walten, aber sobald Barcelona neue Hoffnung schöpfte, wurde diese von einem der platzierten Gewaltwürfe Sagosens wieder zerstört. Sieben Tore hatte der 25-jährige Spielmacher am Ende erzielt. Fast schon verliebt betrachtete er immer wieder die Medaille um seinen Hals: „Von der habe ich schon geträumt, als ich fünf Jahre alt war.“ „Hier wird Handball gelebt und geatmet.“

Sander Sagosen glänzt auf der EM-Bühne

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Damals lebte der kleine Sander noch in Trondheim. In der Stadt, in der Norwegens Könige einst gekrönt und heute noch gesegnet werden. Hier warf er seinen ersten Handball, im Januar dieses Jahres kehrte er dort auch als derzeit wohl bester Spieler der Welt auf die EM-Bühne zurück, holte Bronze und den Titel des Torschützenkönigs. Sagosen war damals noch Spieler von Paris St. Germain, einer Ansammlung von Starspielern, denen es aber partout seit Jahren nicht gelingt, die Champions League zu gewinnen. Sagosen wollte dies schon als kleiner Junge und sah nicht im pulsierenden Paris, sondern im ruhigen Kiel die besseren Voraussetzungen. „Hier wird Handball gelebt und geatmet. Der THW ist der beste Handball-Klub der Welt“, hatte er seinen Wechsel im Sommer begründet.

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Dreimal hatte der THW den Wettbewerb der besten Vereinsmannschaften Europas bis dato gewonnen. Die Krönung in Europa sollte mit ihm erneut möglich werden, der längst einen bezeichnenden Spitznamen in Anlehnung an eine bekannte TV-Sendung trug: mit Sander Sagosen, dem König des Nordens.

Der König zeigte zuletzt aber kleine Schwächen. Es gelang Sagosen in der aktuellen Champions-League-Saison nicht mehr, mit seiner individuellen Qualität Spiele zu entscheiden. Überhaupt litt das gesamte Kieler Team unter dem dezimierten Kader, derzeit belegt der THW nur Rang fünf in der Tabelle und reiste so als Außenseiter zum Nachhol-Finalturnier der vergangenen, im März abgebrochenen Saison nach Köln. Doch Filip Jicha hatte schon vor dem nervenaufreibenden Halbfinale mit Sieg in der Verlängerung gegen den ungarischen Serienmeister KC Veszprem betont, dass Köln nun seine eigenen Gesetze habe. Der THW-Trainer, der seine ruhmreiche Spielerkarriere 2017 bei Finalgegner Barcelona beendet hatte, sollte Recht behalten. „Ich bin derzeit der glücklichste Trainer der Welt“, sagte der 38-Jährige. „Barca war es nicht gewohnt, zwei Tage nacheinander solche Spiele zu spielen. Wir schon.“

Am Tag nach dem Triumph veröffentlichte Sagosen ein Bild in den Sozialen Medien. Es zeigte den riesigen Pokal aus Bronze und Stahl, und schnell war erkennbar, dass Sagosen noch immer verliebt war. Den Toren, dem Urschrei, dem Feiern in der Kabine folgte nun das Bild eines Kussmundes unter der Trophäe.