Melbourne. Cori Gauff (15) ist bei den Australian Open im Achtelfinale ausgeschieden. Und wenn schon: Sie ist die Zukunft des Damen-Tennis.

Es sind manchmal nur kurze Begegnungen, die ein Sportlerleben prägen können. Bei Cori Gauff, die alle nur Coco nennen, weil der Name leicht mit dem ihres Vaters Corey verwechselt wird, ist diese Begegnung jetzt zwei Jahre her. Unmittelbar nachdem die damals 13-jährige US-Amerikanerin in der ersten Runde des Jugendwettbewerbs der Australian Open ausgeschieden war, traf sie in den Katakomben der Anlage im Rod-Laver-Park rein zufällig den großen Roger Federer. Der Altmeister tröstete das Mädchen und rief ihm zu, dass von der Niederlage nicht die Welt untergehen würde und dass es sicher schon bald einen großen Sieg feiern werde. Es kam tatsächlich so. Gauff gewann nach der kleinen Motivationsrede Federers das darauffolgende Jugendturnier der French Open. Von da an ging es für das Tennis-Wunderkind nur noch in eine Richtung: steil bergauf.

Siege gegen Venus Williams und Naomi Osaka

Es ist eine famose Reise, die die Schülerin aus Delray Beach in Florida bei den diesjährigen Australian Open der Tennis-Profis hinter sich hat. Und auch wenn am frühen Sonntagnachmittag (Ortszeit) in der stickigen Melbourne-Arena im Achtelfinale gegen ihre Landsfrau Sofia Kenin die Kraft nicht mehr gereicht hat und sie in einem abwechslungsreichen Dreisatz-Match mit 7:6, 3:6 und 0:6 unterlag: Die Zukunft im Damen-Tennis gehört Gauff. Dafür spricht eben nicht nur das Erreichen der Runde der besten 16 Spielerinnen der Welt, sondern vor allem auch der Weg dorthin.

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Zum Auftakt des ersten Grand-Slam-Turniers des Jahres bezwang sie in einer Art Generation-Duell die 24 Jahre (!) ältere Venus Williams glatt, danach behielt sie in einem engen Match gegen Sorana Cirstea aus Rumänien in drei Sätzen die Nerven ehe Gauff in Runde drei den vielleicht bemerkenswertesten Sieg ihrer noch jungen Karriere feiern konnte. Mit 6:3 und 6:4 gewann sie gegen die Titelverteidigerin und an Nummer drei gesetzte Naomi Osaka. Vor weniger als sechs Monaten, bei den US Open, trafen sich die beiden ebenfalls in der dritten Runde. Damals siegte die hoch talentierte Japanerin im Schnelldurchgang mit 6:3 und 6:0. Alles noch eine Stufe zu hoch für Gauff, dachte man damals.

Ihr Power-Stil erinnert an die Williams-Schwestern

Der Sieg gegen Osaka hier in Melbourne beweist auch, wie schnell Gauff lernt - und ihr Spiel in rasender Geschwindigkeit weiterentwickelt hat. Dabei hilft ihr kein geringerer als Patrick Mouratoglou. Der schillernder Erfolgscoach von Serena Williams hat Gauff im Alter von zehn Jahren unter seine Fittiche genommen. Im Laufe des Jahres trainiert sie nun immer mal wieder in dessen Tennis-Akademie in Südfrankreich. „Learning from the best“, nennen sie das in den USA. Von den Besten lernen.

Gauff beeindruckt mit harten Aufschlägen von fast 190 km/h. Sie kann konstant lange und enorm druckvolle Bälle von der Grundlinie spielen. Ihr Power-Stil erinnert an den der Williams-Schwestern zu deren besten Zeiten. Auch längere Ballwechsel bereiten ihr wegen herausragender Fitness-Werte keine Probleme. So eine hat die Tenniswelt lange nicht gesehen. Altmeister John McEnroe sagte ihr vor kurzem eine Zukunft „als klare Nummer eins im Damen-Tennis“ voraus. Man mag „Big Mac“ nicht widersprechen.

Von Enttäuschung keine Spur

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Abseits des Platzes bestach die 15-Jährige, die als „Minderjährige“ momentan nur zehn Profiturniere pro Jahr spielen darf, bei ihren Auftritten vor der Weltpresse in Melbourne mit einer Mischung aus Unbekümmertheit, Coolness und Professionalität. „Ich habe immer den Glauben und die Hoffnung, jedes Spiel - egal gegen wen - zu gewinnen“, sagte sie nach ihrem Sieg gegen Osaka. Und dann schob sie noch zwei bemerkenswerte Sätze hinterher: „Zu gewinnen, ist das Schönste überhaupt, aber ich will vor allem auch Spaß auf dem Court haben. Und das gelingt mir gerade immer mehr.“ Die Niederlage gegen Kenin wird daran wenig ändern. „Ich habe heute verloren, weil ich zu viele Fehler gemacht habe, aber es war wieder ganz viel Positives dabei, das ich mit nach Hause nehmen werde“, so Gauff im Anschuss an ihr Achtelfinal-Match. Sonderlich enttäuscht, wirkte sie dabei nicht. Warum auch?

Dass ihr das Schicksal anderer Tennis-Wunderkinder erspart bleibt, dafür hat das 1,75 Meter große Ausnahmetalent gewissermaßen selber schon gesorgt - und hier schließt sich der Kreis. Gauff, die vor den Australian Open auf Platz 67 der Damen-Weltrangliste geführt wurde und nun erneut einen weiten Satz nach vorne machen wird, wird seit 2019 von „Team8“ betreut, jener amerikanischen Vermarktungsfirma, an der kein geringerer als Roger Federer und sein langjähriger Agent Tony Godsick die größten Inhaberanteile halten. Das Motto „Learning from the best“, gilt also auch hier. Cori Gauff hat in ihrem jungen Leben jetzt schon sehr vieles sehr richtig gemacht.