Hamburg. Julian Brandt und Kai Havertz gelten als die Zukunft des deutschen Fußballs, spielen aber momentan in der Nationalelf nur eine Nebenrolle.

Eher beiläufig geht Julian Brandt auf den Ball zu, der auf dem Rasen des Hamburger Millerntor-Stadions liegt. Eine schnelle Bewegung mit dem Fuß, und schon hat er das Spielgerät in die Luft gestreichelt, hält es dann mit geschmeidigen Bewegungen hoch. Eigentlich ist gerade Pause im Training vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande am Freitag (20.45 Uhr/RTL). Aber Brandt kann eben nicht ohne Ball. Und kaum einer kann mit dem Ball so gut umgehen wie dieser Spaßfußballer, der seinen Beruf so sehr liebt – mit dem bisweilen übergroßen Getöse drumherum aber nur wenig anfangen kann.

Havertz und Brandt haben bis Sommer zusammengespielt

Als sich die Nationalmannschaft am Montagabend im Hamburger Luxushotel The Fontenay an der Außenalster versammelt, lassen sich die Spieler mit dem Auto vor die Tür fahren. Nur Brandt stiefelt zu Fuß die Auffahrt hoch, in der Hand eine Plastiktüte seines neuen Arbeitgebers Borussia Dortmund, darin seine Fußballschuhe. Brandt hat sich lieber an der Straße absetzen lassen, der ganze Rummel ist ihm unangenehm, sagt er.

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Im Hotel trifft er auf Kai Havertz, und die Begrüßung fällt überaus herzlich aus. Die beiden haben bis zum Sommer zusammen für Bayer Leverkusen gespielt, sie sind gute Freunde. Und noch etwas verbindet sie: Der 23-jährige Brandt und der 20-jährige Havertz gelten als die große Zukunft des deutschen Fußballs – spielen aber in der Gegenwart bislang nur eine Nebenrolle in der Nationalmannschaft. Beide saßen in den ersten drei EM-Qualifikationsspielen dreimal auf der Bank. Brandt wurde einmal eingewechselt, für 14 Minuten.

Brandt hat bislang 25 Länderspiele, Havertz drei – wenig für einen, um den ein regelrechter Hype entstanden ist. Rudi Völler, Geschäftsführer des Havertz-Klubs Bayer Leverkusen, schwärmt regelrecht von seinem hochbegabten Mittelfeldspieler: „Ihm sind fußballerisch keine Grenzen gesetzt“, sagte er dem „Kicker“: „Er ist schnell, ausdauernd, kopfballstark, robust, technisch perfekt, sein Spielverständnis ist überragend, und er denkt auch noch defensiv. Er ist ganz klar der deutsche Spieler der kommenden zehn Jahre.“

Havertz muss erst einmal seinen Platz beim DFB finden

Das haben längst auch andere Klubs erkannt, im Sommer häuften sich die Anfragen der europäischen Elite. Völler aber wollte nach Brandt, der dank einer Ausstiegsklausel für 25 Millionen Euro zum BVB ging, nicht noch einen Eckpfeiler seiner Mannschaft abgeben. „Ich bin froh, noch ein Jahr in Leverkusen zu bleiben“, sagt Havertz artig – vermeidet aber jedes längerfristige Bekenntnis: „Was nächstes Jahr passiert, werden wir schon noch erfahren.“ Ein Wechsel im kommenden Sommer gilt als nahezu gesichert, der FC Bayern als heißer Kandidat. Borussia Dortmunds Kapitän Marco Reus verkündete am Mittwoch im Sport1-Interview zwar, er wolle alles tun um Havertz nach Dortmund zu lotsen. Die dreistellige Millionensumme, die als Ablöse im Raum steht, wäre aber für den Vizemeister deutlich zu viel.

Kai Havertz während des DFB-Trainings am Mittwoch mit BVB-Kapitän Marco Reus (r.).
Kai Havertz während des DFB-Trainings am Mittwoch mit BVB-Kapitän Marco Reus (r.). © dpa

Erst einmal geht es für Havertz ohnehin darum, seinen Platz beim DFB zu finden, ebenso wie für Brandt. „Sie müssen beide in diesem Jahr in ihrem Verein und der Nationalmannschaft den nächsten Schritt gehen, und das in unterschiedlicher Art“, fordert Oliver Bierhoff. Havertz, der in Leverkusen unumstrittener Stammspieler ist, müsse lernen, „der größeren Verantwortung, und den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden“, so Bierhoff. Und Brandt, der ein Jahr vor der WM den riskanten Wechsel von Leverkusen zum BVB wagte, muss sich im Klub nun gegen deutlich stärkere Konkurrenz durchsetzen. „Es wird wichtig sein, dass er diesen Kampf annimmt und der Mannschaft konkret durch seine Qualitäten weiterhilft“, gibt Bierhoff vor. „In solchen Vereinen ist es in der Champions League und dem Meisterkampf nicht nur entscheidend, gut zu spielen, sondern auch die ganz wichtigen Akzente zu setzen, durch die gewonnen wird.“

Brandt: "Ich bin auf einem guten Weg"

Er wolle diesen Schritt baldmöglichst gehen, versichert Brandt: „Ich bin auf einem guten Weg, ich entwickele mich immer noch weiter“, sagt er. „Dass ich immer noch Fehler mache, ist klar, aber die werde ich hoffentlich so schnell wie möglich beheben.“

Und dann wird er seine Ballfertigkeiten nicht nur im Training unter Beweis stellen dürfen.