Wolfsburg. Nach der Handball-WM richtet sich der Fokus wieder auf den DFB. Präsident Reinhard Grindel spricht über Veränderungen im Jahr 2019.

Wenn eine deutsche Nationalmannschaft derzeit Aufmerksamkeit genießt, ist es die der Handballer. Reinhard Grindel kann damit gut leben. Am Freitagabend schaute sich der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes das Halbfinale des WM-Gastgebers in Hamburg an. In dem Wissen, dass sich der Fokus bald wieder auf die Fußball-Auswahl richten wird. Am 20. März steht das erste Länderspiel des Jahres 2019 gegen Serbien in Wolfsburg an, dort nahm Grindel am Freitag vor dem Ausflug zum Handball an einer DFB-Präsidiumssitzung teil. Und vorher nahm sich der 57-Jährige die Zeit, um über das neue Länderspieljahr, die Situation von Bundestrainer Joachim Löw sowie die Probleme an der Fußball-Basis zu sprechen.

Herr Grindel, Deutschland ist aktuell im Handball-Fieber. Was kann sich der deutsche Fußball von den Handballern abschauen?

Reinhard Grindel: Ich stelle fest, dass es die Zuschauer honorieren, wenn nicht bei jeder Gelegenheit protestiert wird. Dass zudem Respekt und Fairplay großgeschrieben werden. Dazu kommt Teamgeist, unbedingtes Gewinnenwollen. Genau das streben wir auch 2019 mit der Nationalmannschaft und in den Junioren-Mannschaften an.

Kann man das Thema Sympathie überhaupt aktiv angehen? Oder ist das etwas, das durch Ereignisse oder Personen entsteht?

Grindel: Fans und Zuschauer haben dafür eine feine Sensorik. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Blick auf die EM 2020 eine Mannschaft aufbauen und entwickeln, mit der sich die Menschen identifizieren. Wir planen auch im Rahmen des Länderspiels in Wolfsburg gegen Serbien in diesem Zusammenhang einige öffentlichkeitswirksame Aktionen.

Wird sich das Gesicht des Teams ändern, oder geht es um die Einstellung der Spieler, die schon lange das Trikot der Nationalmannschaft tragen?

Grindel: Es geht um beides. Neue Spieler, aber auch an der einen oder anderen Stelle ein neues Auftreten.

Sind Sie sicher, dass Joachim Löw dafür der richtige Mann ist?

Grindel: Ich bin durch die Erfahrung der ersten Spiele nach der WM ganz sicher, dass er die Erwartungen, die auch unsere Fans haben, erfüllen wird. Die jüngeren Spieler werden unter ihm wie bisher eine faire Chance bekommen.

Haben Sie beim Bundestrainer eine Veränderung wahrgenommen? Denn auch für ihn bedeutete die WM in Russland ein Scheitern.

Grindel: Es war für uns alle eine Niederlage, denn wir gewinnen zusammen und verlieren auch zusammen. Ich habe aus vielen Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass er die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Ist 2019 für Sie auch ein Neustart?

Grindel: Nein. Manche öffentliche Kommentierung hat sich im Nachhinein als nicht zutreffend erwiesen. Wir haben nicht nur die Europameisterschaft 2024 nach Deutschland geholt, sondern sind anerkanntermaßen auch bei unserer Integrationsarbeit weiter vorangekommen. Ich erhalte große Unterstützung aus den Gremien des DFB, aber auch aus der Liga. Uns macht aber nicht nur die Spitze stark, sondern auch die Basis mit unseren rund 24.000 Vereinen.

In einem Monat steht der Amateurfußball-Kongress in Kassel an. Worum geht es da konkret?

Grindel: Die Frage ist: Wie können wir die ehrenamtliche Basis so stärken, dass wir positive Effekte, die wir von der EM 2024 erwarten, auch für die Vereine nutzen können?

Das heißt?

Grindel: Das Ehrenamt muss gestärkt werden. Es wird aber auch ganz entscheidend darauf ankommen, dass die Städte und Gemeinden den Vereinen eine bessere Infrastruktur zur Verfügung stellen. Wir brauchen dringend neue Fußballplätze, denn in nahezu allen Großstädten in Deutschland haben Vereine einen Aufnahmestopp. Vereine veranstalten Sichtungsturniere, Kinder werden enttäuscht, wenn sie nicht ausgewählt werden. Das muss sich ändern. Aber wir brauchen auch weniger Bürokratie, besonders im Steuerrecht für Vereine.

Die Probleme der Kleinen werden also ernst genommen?

Grindel: Es geht nicht ohne das Ehrenamt. Von den Talenten, die an der Basis entwickelt werden, lebt die Spitze.

Von der aktiven Fanszene, von einigen Ultras, wird nicht nur der DFB, sondern werden auch Sie persönlich oft diffamiert. Warum ist die Kommunikation so schwierig?

Grindel: Es ist eine Minderheit, über die Sie sprechen. Die große Mehrheit distanziert sich von Gewalt und Beleidigungen. Das sehe ich auch beim Handball mit Freude: Fans feiern friedlich, konzentrieren sich auf die Unterstützung der Mannschaft und gefährden nicht Unbeteiligte beispielsweise durch das Abbrennen von Pyro-Technik. Wir haben zweimal einen Fan-Dialog initiiert, sind auf alle Fragen der Ultras eingegangen und haben beispielsweise Kollektivstrafen ausgesetzt.

Das heißt, die Bringschuld liegt jetzt bei den Ultras?

Grindel: Wir wünschen uns die Fortsetzung des Dialogs. Wir haben ein klares Bekenntnis zu den Stehplätzen abgelegt, haben bereits konkrete Forderungen erfüllt. Konsens muss aber darüber herrschen, dass Gewaltverzicht die Basis ist.