Melbourne. . Alexander Zverev gilt als Kandidat für ein frühes Aus bei den Australian Open. Denn: Der 21-Jährige hadert oft bei Grand Slams.

Als die ehemaligen Stars und Sternchen der Tennisszene in den vergangenen Tagen zu ihren Prognosen für die Australian Open befragt wurden, da lag Alexander Zverev bei den meisten Experten weit vorn. Allerdings aus Gründen, die ihm nicht gefallen konnten. Denn der 21 Jahre alte Hamburger nahm eine Spitzenstellung nur in der Hitliste der Kandidaten ein, die als erste einer größeren Überraschung zum Opfer fallen könnten. Kaum einer nannte Zverev als Titelkandidaten für die erste Grand-Slam-Prüfung des Jahres in Melbourne, viele waren skeptisch, ob der Deutsche überhaupt die erste Turnierwoche Down Under überstehen würde. „Die Skepsis, was die Grand-Slam-Performance von Zverev angeht, hat sich offenbar ins neue Jahr hinübergerettet“, sagt der frühere Weltranglisten-Erste Mats Wilander, der inzwischen für Eurosport die Centre-Court-Angelegenheiten analysiert.

Kaum Vertrauen in den Weltmeister

Tatsächlich werden die vier größten Turniere im Tenniszirkus (neben Melbourne sind dies noch die French Open, Wimbledon und die US Open) mehr denn je als eine abgeschlossene Welt betrachtet, mit eigener Wertigkeit, mit eigenem Herausforderungsprofil. Zverev mag amtierender Weltmeister sein, aber die Major-Turniere waren für ihn bislang größtenteils ein enormes Rätsel – sowohl, was den äußeren wie inneren Erwartungsdruck angeht.

Dieser Last wird Zverev auch in Melbourne nicht entgehen können, es klingt da eher wie ein frommer Wunsch, wenn der Weltranglisten-Vierte bekundet, er wolle „einfach Spaß daran haben, möglichst viele Spiele zu machen, große Matches auf den großen Plätzen“. Die Hoffnungen und Ziele klein zu halten, hat Zverev bereits in Paris, London und New York probiert – es hat nur wenig geholfen. Bei den US Open scheiterte er zuletzt gegen den Landsmann Philipp Kohlschreiber in einem bitteren Karrieremoment; statt erstmals in der zweiten Woche mitzumischen, verließ Zverev das Feld in gedemütigter Verfassung.

Die Vorbereitungen des stolzen ATP-Champions auf das Jahr 2019 und dessen ersten, wie stets zu frühen Saison-Höhepunkt verliefen zwiespältig – um es milde auszudrücken. Der harten, guten Trainingsarbeit in Monte Carlo folgte das Gastspiel beim Hopman-Cup in Perth an der Seite von Angelique Kerber. Das Ganze endete in einem verlorenen Matchball-Drama im Finale gegen die Schweiz. Zverev zog sich in diesem Endspiel eine leichte Oberschenkelblessur zu, später knickte er in einem Showmatch mit dem Knöchel um – nichts, was man im Vorlauf zum komplexen Auftritt in Australien braucht, in der höllischen Wetterküche im National Tennis Center. Er habe „keine großen Sorgen“, sagt Zverev, aber wie gelöst, locker und leicht er wirklich ans Handwerk gehen kann, wird man erst am Dienstag sehen, in der ersten Runde gegen den unbequemen Slowenen Aljaz Bedene.

Möglich ist zweierlei: eine eher freundliche oder eine eher düstere Deutung. Zverev könnte, die Verletzungsprobleme im Hinterkopf, befreit aufspielen. Ganz einfach, weil niemand Großartiges von ihm erwartet, er selbst ja auch nicht. „Favorit bin ich hier sowieso nicht. Da sind ganz andere Namen im Spiel: Federer, Nadal, Djokovic“, sagt er selbst. Andererseits braucht es nirgends mehr ein vollkommenes Vertrauen in den eigenen Körper, den kompromisslosen Glauben an die volle Leistungsfähigkeit als in Melbourne. Dort, wo Hitze und höllische Wetterkapriolen den Artisten des Wanderzirkus’ traditionell schwer zusetzen. Fehlen Zverev nur ein paar Prozentpunkte an optimaler Physis, kann das schon ein erheblicher Malus sein.

Becker gibt wichtige Tipps

„Es kommt für Sascha mehr denn je darauf an, in den frühen Matches nicht zu viel Energie zu vergeuden“, sagt Boris Becker, der Abteilungsleiter des deutschen Herrentennis. Er, der alte Kämpfer, der Held und Gescheiterte vieler Melbourne-Kämpfe, mahnt zu mehr Realismus in der Causa Zverev: „Er ist, trotz allem, noch ein Spieler in der Entwicklung, er muss auch noch seinen Weg bei den Grand Slams finden“, sagt Becker, „und da draußen sind weiter ein paar der Allergrößten aller Zeiten unterwegs. Und die gehen so schnell auch noch nicht weg.“