Berlin. Nach zwei WM-Spielen zeigt sich: Das Team von Bundestrainer Christian Prokop funktioniert. Doch nun kommen die Härteprüfungen.

Plötzlich geriet Christian Prokop ins Stocken. Sein Blick wirkte etwas hilflos, er sah sich fragend nach links und rechts um. Der Bundestrainer durchlief gerade das übliche Prozedere bei der Handball-WM und sprach nach dem Spiel seiner Mannschaft ein paar Sätze auf Englisch über den 34:21-Erfolg gegen Brasilien. Doch ihm wollte partout ein Wort nicht einfallen. “Wie übersetzt man das noch mal?”, fragte er über das Mikrofon mehr sich selbst als andere: “Wie sagt man auf Englisch … zufrieden”?

Ja, Christian Prokop verließ die Arena am Berliner Ostbahnhof am Samstagabend als zufriedener Mann. 13.500 Zuschauer hatten seine Mannschaft zuvor lautstark in der Arena gefeiert, fast acht Millionen Zuschauer hatten dieses Spiel im Fernsehen verfolgt, das mehr war als ein Sieg. Es war der Startschuss für eine echte WM-Euphorie. Ein überzeugender Erfolg, der die Zuversicht nährt, dass diese deutsche Mannschaft eine große Rolle spielen kann. Rückraumspieler Fabian Wiede sprach von einem "perfekten Tag”, der Bundestrainer nannte die Partie gar die “schönste, seit ich Bundestrainer bin”. Linksaußen Uwe Gensheimer grinste derweil überglücklich in Kameras und Mikrofone: “Ich wollte mich schon immer mal wie ein Popstar fühlen.”

Erst Russland, dann Frankreich

Am Montag müssen die Popstars wieder auf die Bühne. Gegner ist Russland (18 Uhr/ARD) und diese Partie ist nach Korea und Brasilien wieder eine Steigerung in Sachen Handball-Niveau. Zumal gegen Frankreich am Dienstag (20.30 Uhr/ZDF) der vermeintliche Höhepunkt in der Vorrundengruppe A stattfinden wird. Zwei Spiele innerhalb von 26 Stunden. “In einem Turnier wird es immer gute und schlechte Phasen geben”, warnte Uwe Gensheimer dann am Sonntag. “ Wichtig ist, dass man sich dann aus den schlechteren wieder herauskämpft.”

Zwei Spiele sind nun gespielt und es hat sich gezeigt, dass die deutsche Mannschaft funktioniert. Von einigen Mannschaftsteilen wurde dies erwartet. Von Torhüter Andreas Wolff, der von Prokop schon früh zur Nummer eins erklärt wurde und diesen Status auch rechtfertigt. 13 Großchancen entschärfte er beim 30:19 gegen Korea, zehn gegen Brasilien. “Schade, dass die Kurve am Ende gegen Brasilien etwas nach unten ging”, sagte Wolff.

Prokop, psychologisch klug, ließ ihn trotzdem noch etwas länger auf dem Feld - und tauschte ihn erst spät nach weiteren guten Paraden gegen Silvio Heinevetter aus. Wolff wusste aber auch eine gute Abwehr vor sich: Der Mittelblock Patrick Wiencek/Hendrik Pekeler hatte sich mit einer teils offensiveren Variante nicht nur hervorragend auf Brasiliens starken Rückraum eingestellt, sondern auch auf die teils kleinliche Regelauslegung der Schiedsrichter, die gegen Korea allein in der ersten Hälfte zu fünf Zwei-Minuten-Strafen geführt hatte. Trotzdem köstlich: die Szenen, in Patrick Wiencek Brasiliens bulligen Kreisläufer Alexandro Pozzer wie eine Puppe vor sich her schob.

Alles wie erwartet also. Vermeintliches Sorgenkind ist seit jeher aber der Abgriff - und auch der wusste zu begeistern. Martin Strobel lenkt das deutsche Spiel mit ebenso stoischer Ruhe und Gelassenheit, wie er sich auch außerhalb des Feldes gibt: cool, abgeklärt, ein Fels in der Brandung. Wenn sein Ersatzmann Fabian Wiede auf die Spielmacherposition rückt, zeigt sich die Eingespieltheit der “Berliner-Achse”. Mit Steffen Fäth und Paul Drux hatte er bis vergangenes Jahr den Rückraum des Bundesligisten Füchse Berlin gebildet.

Fäth bedankte sich bei Prokop

Eine Tatsache, die auch Steffen Fäth zugute kommt, war die Nominierung des 28-Jährigen im linken Rückraum doch etwas umstritten, weil Fäth seit dem Wechsel zu den Rhein-Neckar Löwen zuletzt häufig auf der Bank zu finden war. “Wir kennen unsere Spielweise in- und auswendig. Das funktioniert”, sagt Wiede. Und Fäth bedankte sich bei Prokop: “Es ist ein Unterschied, ob dir jemand sagt, dass er Vertrauen hat, oder ob er dich das spüren lässt.”

Und die Außenbahnen? Patrick Groetzki spielt auf der rechten Seite solide, Uwe Gensheimer auf der linken weltklasse. Sieben Tore markierte er gegen Korea, zehnmal traf er gegen Brasilien. Als Siebenmeterschütze ist er die erste Wahl wie am Kreis Patrick Wiencek, der aber problemlos durch Hendrik Pekeler und Jannik Kohlbacher ersetzt werden kann. Vielversprechende Voraussetzung für die kommenden Spiele. “Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, auf ganz hohem Niveau zu spielen”, befand Torhüter Wolff. “Doch jetzt warten zwei knallharte Spiele auf uns.”

Nachtrag: Ein Pressesprecher hatte Christian Prokop die englische Übersetzung am Samstagabend dann schnell geliefert. “Satisfied”, wiederholte der Bundestrainer und nickte zufrieden.