London. Herausforderer Fabiano Caruana vergab den Sieg. Auch die achte WM-Partie endete Remis. Die Kontrahenten neutralisieren sich.

Als auch die achte Partie um die Schach-WM in London zwischen dem norwegischen Weltmeister Magnus Carlsen und seinem Herausforderer Fabiano Caruana aus den USA mit einem Remis endete, wurde Caruana von einem Reporter gefragt, ob er sich in diesem Moment so fühle, als ob er gerade einen Elfmeter beim Fußball verballert habe. „Nur weil du auf Magnus Druck ausübst, heißt es noch lange nicht, dass er auch kollabiert. Nein, es ist für mich nicht so, als ob ich einen Elfmeter vergeben hätte“, antwortete der Italo-Amerikaner. „Wohlgemerkt, du bist in England. Wir verballern hier Elfmeter ziemlich leicht“, erwiderte daraufhin der englische Großmeister Daniel King, der das Duell der besten Schachspieler der Welt moderiert.

Carlsen tauscht die Strümpfe

Nach dem achten Remis im achten Match gab es vor der intensiven Analyse der Partie noch Raum für Flachs. Kurz vorher hatte vor allem Carlsen keinen Anlass für Scherze. Der Weltmeister stand in Partie acht gegen Caruana nämlich erheblich unter Druck. Mitten in der Partie tauschte der Norweger die Strümpfe, mit denen er 2016 den WM-Kampf gegen den Russen Sergej Karjakin gewonnen hatte, im Ruheraum gegen ein Paar schwarze ein. „Das war ein enges Match. Fabiano hatte alle Chancen“, sagte Carlsen. „Deshalb bin ich wirklich froh, dass ich überlebt habe.“ Nach acht Partien steht es 4:4. Am Mittwoch steht die neunte Partie auf dem Programm. Sollte es nach Match 12 immer noch unentschieden stehen, entscheiden Tiebreak-Partien mit verkürzter Bedenkzeit, wer sich die nächsten zwei Jahre Weltmeister nennen darf. Der 27-jährige Carlsen gilt in diesem Fall als klarer Favorit, weil er in der Schnellschach- und Blitzschach-Weltrangliste die Nummer eins ist, während Caruana nur auf Position acht und 16 geführt wird.

„Caruana spielt bisher sehr stark. Er weiß natürlich, dass er im Tiebreak die schlechteren Karten hat. Deshalb wird er versuchen, in den ausstehenden vier regulären Partien zu einem Sieg zu kommen, ohne etwas zu überstürzen“, sagt Großmeister Sebastian Siebrecht aus Essen, der bei vielen Schach-Events als Kommentator tätig ist. „Der Druck auf die beiden Kontrahenten wird jetzt von Partie zu Partie größer. Wer jetzt ein Match verliert, steht vor einem riesigen Problem.“

Auch wenn viele Schach-Fans angesichts der acht Remis ungeduldig werden, kann man nicht von einem langweiligen Duell um den WM-Titel sprechen. „Wie man auch an den Elo-Punkten, der Gradmesser von Schachspielern, erkennen kann, liegen die beiden leistungsmäßig ganz eng beieinander“, sagt Siebrecht. „Carlsen und Caruana neutralisieren sich gegenseitig.“

1984 gab es 17 Remis in Serie

Acht Remis in acht Partien bedeuten auch die Einstellung eines 23 Jahre alten WM-Rekords: Schon 1995 trennten sich der Russe Garri Kasparow und der Inder Viswanathan Anand in den ersten acht Partien durchweg remis. Aber ein Blick zurück in die WM-Geschichte zeigt, dass es weitaus längere Remis-Serien gegeben hat. 1984 spielten die beiden Russen Anatoli Karpow und Garri Kasparow von Partie 10 bis 26 gleich 17 Mal unentschieden.

Das aktuelle WM-Reglement verhindert ein so langes Match. Carlsen, der in Norwegen wie ein Popstar gefeiert wird und dessen Partien live im Fernsehen übertragen werden, scheint nicht in Bestform zu sein. Vor der WM erklärte seine Schwester Ellen sogar, sie könne sich vorstellen, dass ihr Bruder im Fall einer Niederlage gegen Caruana seinen Rücktritt erklären würde. Vier Partien hat Carlsen noch Zeit, um sich diese Frage erst gar nicht stellen zu müssen. Bei einem Gleichstand folgt der Tiebreak, das Elfmeterschießen des Schachs. Und das in England.