Watutinki/Sotschi . Am Sonntag startet Deutschland in die Fußball-Weltmeisterschaft. Wie weit kommt der Weltmeister? Wir haben Experten gefragt.

Eine WM ist immer auch eine Fußballmesse, und die internationalen Journalisten sind dabei die Fachbesucher. Bei Ihnen findet man unterschiedliche Perspektiven auf das Spiel und die Teams, die es spielen. Unter deutschen Reportern herrscht noch Skepsis in Bezug auf die Titelchancen von Bundestrainer Joachim Löw. Aber wie sehen es die ausländischen Reporter, die über die deutsche Mannschaft in ihre Heimatländer berichten? Wir haben uns vor dem deutschen Auftaktspiel gegen Mexiko an diesem Sonntag (17 Uhr/ZDF) umgehört und festgestellt: Auch die Fach-Welt hat so ihre Zweifel, dass der Weltmeister 2018 wieder Deutschland heißen wird.

Francesco Archetti, Gazzetta dello Sport, Italien:

„Die Deutschen sind für mich unter den Favoriten, aber sie gehören nicht zu den absoluten Titelkandidaten. Ich schätze Brasilien einen Tick besser ein. Das größte Problem von Löws Mannschaft ist die nicht wirklich überzeugende Defensivarbeit. Wenn die beiden Außenverteidiger Joshua Kimmich und Jonas Hector weit nach vorn aufrücken, dann ist Deutschland hinten verwundbar. Zudem muss man erst einmal sehen, ob Manuel Neuer immer noch Wunder vollbringen kann wie 2014, oder ob ihm die fehlende Spielpraxis jetzt ein paar Wunder kosten wird. Dass meine Heimat Italien nicht dabei ist, ist traurig. Das ist ja das erste Mal, und keiner ist das gewohnt. In Italien gibt es jedenfalls keine WM-Stimmung.“

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    Archie Rindt-Tutt, Evening Standard, England:

    Ich glaube, dass die deutsche die Gruppenphase als Erster übersteht, dass es danach aber schon eng werden könnte. Wenn ich mich festlegen soll: Aus im Viertelfinale – gegen England. Joachim Löw hat so viel Turniererfahrung und weiß, was er will von seiner Mannschaft. Das ist ein Vorteil. Aber als Trainer, der während des Spiels das Spiel verändert, bin ich nicht restlos überzeugt von ihm. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Motivation der Weltmeisterspieler ein Problem werden könnte. Die Brasilianer reisen mit dem Schmerz der 1:7-Niederlage von vor vier Jahren an, sie wollen den Titel noch mehr und haben eine unglaublich stark besetzte Mannschaft. Mein Tipp: Sie werden Weltmeister, England scheitert im Halbfinale.

    Margot Dumont, BeIn Sports, Frankreich:

    „Ich bin mir nicht sicher, dass die deutsche Mannschaft ähnlich stark sein wird wie bei der EM 2016, als sie es bis ins Halbfinale schaffte. Sie hat schon Schwächen. Ein Spieler wie Bastian Schweinsteiger, der auf dem Platz und in der Kabine eine besondere Ausstrahlung hatte, der fehlt jetzt einfach. Auch die letzten Eindrücken waren nicht gut. Zudem ist die Defensive nicht mehr das Prunkstück wie früher. Jerome Boateng war oft verletzt und kommt jetzt erst gerade zurück. Ich tippe, dass es nur bis zum Viertelfinale reicht. Gegen Teams wie die Schweiz, Serbien und ähnliche wird es immer noch reichen. Trifft Deutschland aber auf Frankreich oder Brasilien, wäre vermutlich Schluss. Die Franzosen haben tolle Stürmer mit Antoine Griezmann und Kylian Mbappé. Für die ist sicher das Halbfinale drin.

    Johan Flinck, Aftonbladet, Schweden:

    „Für mich gehört auch Deutschland wieder zu den zwei stärksten Teams dieser WM. Das andere ist Brasilien. Doch anders als vor vier Jahren, als Jogi Löw auf den – zwar alternden, aber noch immer herausragenden – Torjäger Miroslav Klose setzten konnte, fehlt der Mannschaft aus meiner Sicht diesmal eine echte Tormaschine ganz vorne. Andererseits: Wenn man einen Leroy Sané (!) zu Hause lässt, dann hat man sicherlich das beste offensive Mittelfeld dieser WM. Deutschland wird auch in Russland wieder ins WM-Finale kommen – dort aber Brasiliens Revanche für das 1:7 über sich ergehen lassen. Und wir Schweden? Sind schon zufrieden, wenn wir das Achtelfinale erreichen. Die Gruppenphase wird hart für uns. Am Ende wird es wohl ein Gruppenfinale im dritten Spiel zwischen Schweden und Mexiko geben. Gewinnen wir das, freuen wir uns – und treffen dann im Achtelfinale vermutlich auf Brasilien. Und dann ist Schluss, weil Brasilien ja schließlich Weltmeister wird.

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      Roberto Lopez, TV Imagen, Mexiko:

      „Deutschland hat noch immer eine der besten Mannschaften dieses Planeten – aber möglicherweise nicht die beste dieser WM. Wenn ich einen Tipp abgeben muss, dann würde ich sagten: Halbfinalaus. Ich bin immer wieder sehr beeindruckt von Deutschlands Mentalität, Willensstärke und Siegerwille. Keine Mannschaft kann sich da mit Deutschland messen. Allerdings ist es als Weltmeister noch mal schwieriger als ohnehin schon. Es ist eine verdammt harte Aufgabe, einen guten Mix aus alter WM-Generation (Hummels, Boateng, Neuer, Özil und Co) und neuer Nationalmannschaftsgeneration (Kimmich, Hector, Werner und Co) zu finden.

      Ich muss aber auch zugeben: Deutschlands Sorgen hätte Mexiko gerne. Für „El Tri“ wird es ein ganz schwieriges Turnier – und wahrscheinlich ist wie immer im Achtelfinale Schluss. Es fehlt einfach der Glaube in das Team und vor allem in den Trainer. Señor Juan Carlos Osorio, ein Kolumbianer, hat wenig bis gar keinen Kredit in der Heimat. Das Überstehen der Gruppenphase wäre für uns nach der schwierigen Vorbereitung bereits ein Erfolg.