Hamburg. St. Paulis Trainer genießt auch nach dem 0:3 in Sandhausen das Vertrauen und beklagt zahlreiche Fehler seiner Spieler

Auch am Tag nach der siebten Saisonniederlage, dem wieder einmal ernüchternden 0:3 (0:2) beim SV Sandhausen, bestimmte Normalität und Ruhe das Geschehen auf der Trainingsanlage des FC St. Pauli an der Kollau­straße. Trainer Ewald Lienen plauderte ein wenig mit den Trainingskiebitzen, ehe er sich auf dem Rasen das Training der Reservisten, Rekonvaleszenten und der Akteure anschaute, die in Sandhausen maximal eine Halbzeit zum Einsatz gekommen waren. Wie üblich leitete Lienens Co-Trainer Abder Ramdane diese Einheit, während die übrigen Profis zunächst im Kraftraum und danach auf den Mountainbikes eine regenerative Einheit absolvierten.

Von Hektik und Aufgeregtheit war trotz des letzten Tabellenplatzes in der Zweiten Liga nach nun immerhin schon zehn Punktspielen nichts zu spüren. Dafür hatte am Sonnabend schon wenige Minuten nach dem Abpfiff im Hardtwaldstadion von Sandhausen St. Paulis Sportchef Thomas Meggle gesorgt. „Wir sehen die Situation nicht als Trainerproblem“, stellte er klar. Nach wie vor sei seine vor einer Woche formulierte Maßgabe, mit Geschlossenheit für die Wende zu arbeiten, gültig.

Während sich der punktgleiche Tabellen-17. (beide fünf Zähler) Arminia Bielefeld am Sonnabend nach dem 0:4 bei Fortuna Düsseldorf am Abend zuvor von seinem Trainer Rüdiger Rehm trennte, genießt Ewald Lienen beim Schlusslicht FC St. Pauli weiter das Vertrauen der Vereinsführung. Präsident Oke Göttlich, die Aufsichtsratsvorsitzende Sandra Schwedler und der kaufmännische Geschäftsführer Andreas Rettig waren in Sandhausen auf der Tribüne Zeuge der 0:3-Niederlage. Doch nur Sportchef Meggle nahm öffentlich Stellung, dies aber unmissverständlich.

„Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass der Verein so zu mir hält. So wie es bisher war, ist es überragend. Das heißt nicht, dass sich das nicht auch ändern kann“, sagte Lienen am Sonnabend nach der offiziellen Pressekonferenz. „Ich habe vor der Mannschaft gesagt: Es geht nicht um mich, es geht auch nicht um einzelne Spieler. Es geht nur darum, was wird aus dem FC St. Pauli. Ich glaube, dass alle Verantwortlichen nur dieses im Blick haben. Ich denke nicht, dass wir gemeinsam untergehen wollen, nur um der Gemeinsamkeit willen“, sagte er weiter.

In seiner nunmehr 23 Jahre langen Laufbahn als Profitrainer hat Lienen schon einiges erlebt und weiß, dass Bekenntnisse nicht von unbegrenzter Dauer sind. „Wenn der Verein das Trainerteam als das Problem ansehen würde, dann müssten sie reagieren, um Schaden vom Verein abzuwenden. Aber bis jetzt bin ich sehr dankbar dafür, dass sich der Verein so verhält und Solidarität zeigt und mit uns gemeinsam versucht, aus dieser Misere herauszukommen“, sagte er.

Die Haltung der Vereinsführung stößt auch bei der Mannschaft auf Zustimmung. „Ich halte das für eine sehr gute Sache. Es würde sonst nur eine unnötige Unruhe hineinbringen. So können wir uns darauf fokussieren, was jetzt wichtig ist. Und auch der Trainer kann sich darauf konzentrieren“, sagte am Sonntag Lasse Sobiech, der nach Ablauf seiner Zwei-Spiele-Sperre in Sandhausen wieder als Innenverteidiger und Kapitän agierte. „Zusammenhalt ist in dieser Situation genau das, was man braucht. “, stellte Sobiech klar.

Derweil ist Lienen weiter davon überzeugt, dass er die Mannschaft sportlich wieder in die Spur bringen kann. Ein freiwilliger Rückzug ist daher für ihn keine Option. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Situation gehabt, in der ich aufgegeben habe, in der ich gesagt habe: Das kann ich nicht schaffen“, sagte er dazu. „Es kann Situationen geben, in denen man spürt, dass man nicht mehr das Feuer hat oder nicht mehr daran glauben kann, etwas verändern zu können. Wenn das der Fall wäre, müsste man die Konsequenzen ziehen. Davon aber bin ich sehr, sehr weit entfernt. Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen können und dass wir eine Mannschaft haben, die es selbst mit personellen Problemen schaffen kann“, stellte er klar.

Einig waren sich nach der Niederlage in Sandhausen praktisch alle Beteiligten darin, dass das Team nicht etwa an der Fußballkunst des Gegners, sondern allein an eigenen Schwächen gescheitert war. „Es ist der absolute Wahnsinn, dass wir zur Pause 0:2 zurückliegen, ohne dass der Gegner Torchancen hat. Wenn wir Fehler machen, dann machen wir gleich mehrere hintereinander. Vor dem ersten Gegentor waren es vier“, beklagte Lienen. In dem Falle waren zunächst Sobiech und dann Marc Horschuh, Christopher Avevor und schließlich der später mit einer Knieverletzung ausgeschiedene Jan-Philipp Kalla maßgeblich beteiligt. Den folgenden Torschuss von Thomas Pledl konnte Torwart Robin Himmelmann zwar noch abwehren, doch Lucas Höler nutzte den Abpraller zum 1:0. „Selbst diesen Nachschuss hätte man noch verteidigen können, wenn man schnell genug zurückläuft“, kritisierte Lienen später.

Vor dem zweiten Gegentor verlor Waldemar Sobota den Ball unnötig in einer Situation, als seine Kollegen weit aufgerückt waren. So konnte beim folgenden Konter Torschütze Pledl allein auf Himmelmann zulaufen. Und vor dem dritten Gegentreffer ließen sich mit einer Aktion Avevor und der eingewechselte Daniel Buballa vom Torschützen Andrew Wooten auf einfachste Art düpieren.

„Es macht keinen Sinn, darüber zu grübeln, warum diese Fehler passieren. Es ist die Geschichte dieser Saison. Wir haben es nicht zum ersten Mal erlebt, dass der Gegner kaum Torchancen hat und wir durch unsere Fehler praktisch die Tore erzielen“, sagte Lienen. „Es waren individuelle Fehler, keine Fehler der Organisation. Wenn ich in der letzten Reihe einen Zweikampf nach dem Motto ,hop oder top‘ angehe, muss ich den Ball haben.“

Sportchef Meggle war ähnlich verärgert über die Fehler. „Die Spieler waren unkonzentriert und erkennen in solchen Situationen die Gefahr nicht. Wenn wir dies nicht abstellen, können wir 100 Steinchen – wie die An- und Abreise – umdrehen, ohne dass es etwas bringt“, sagte er.

Und was macht überhaupt Hoffnung? „Gut wäre es für die Mannschaft, wenn so viele Spieler wie möglich zurückkehren und richtig fit sind, um ein gutes Trainingsniveau und eine andere Konkurrenzsituation zu haben und so die Qualität zu erhöhen“, sagte Lienen.