Titelsponsor Hamburger Sparkasse animiert seine Kunden zur Teilnahme an den Staffelwettbewerben. 640 Läufer trainieren jetzt dafür

Hamburg. Die Frisur sitzt. Nur das Gesicht darunter ist verräterisch gerötet. Petra von Lützow schnappt sich eine Flasche Mineralwasser, nimmt einen kräftigen Schluck und beginnt, sorgsam eine Banane zu schälen, ehe sie herzhaft das obere Stück abbeißt. „Ich muss erstmal meinen Akku wieder aufladen“, erklärt die 48-Jährige und lacht. Die Mitarbeiterin der Haspa-Filiale Bergedorf kommt gerade zurück vom „Lauf-Workshop“ durch das Niendorfer Gehege. Das Programm habe sie stärker angestrengt als erwartet, sagt sie. Erst seit rund einem Jahr jogge sie „für den Hausgebrauch“ häufiger um die Außenalster. Für einen Marathon jedoch reiche dieses Pensum, so von Lützow selbstzweiflerisch, bei weitem nicht. Deshalb wolle sie beim 30. Haspa-Marathon probehalber nur mal eine Teilstrecke im Rahmen der Staffel übernehmen, nach Möglichkeit die kürzeste.

Zwei Stunden lang trimmten sich mehr als dreißig überwiegend weibliche Aspiranten für den Staffelwettbewerb der großen Hamburg-Schleife am 26. April und ließen sich Tipps vom Leistungsdiagnostiker Sebastian Rosenkranz geben, Ratschläge wie diesen: „Eine hohe Schrittfrequenz ist besser als lange Schritte. Den Fuß nie mit der Ferse aufsetzen, das ist widernatürlich.“

Im Pulk der Probanden: Martin Englert, 46, Haspa-Regionalleiter in Niendorf. „Ziel der Aktion ist Kundenbeteiligung“, sagt der Marathonkoordinator für alle Filialen im Nordwesten der Hansestadt. Startgeldrabatte und Marathonfrühstück vor einzelnen Dependancen waren in den vergangenen Jahren erste Maßnahmen, um die Identifikation des Geldinstituts mit der Hamburgensie des Marathons zu demonstrieren. „Zum 30. Lauf wollten wir aber etwas Ausgefalleneres machen. So kamen wir auf die Idee, Staffeln zusammenzustellen, angeführt von jeweils einem Haspa-Mitarbeiter und ergänzt um drei Kunden der jeweiligen Filiale.“

Die Resonanz war umwerfend, schwärmt Englert: „Die Startplätze waren in nullkommanix vergeben.“ Binnen weniger Tage gründeten sich 160 Staffeln mit insgesamt 640 Startern. Dazu kommen aus dem Unternehmen noch 60 Angestellte, die die komplette Strecke in Angriff nehmen, darunter auch Englert selbst, der in diesem Jahr zum sechsten Mal unter dem Fernsehturm finishen möchte – in persönlicher Bestzeit, versteht sich. Dieses Konzept des Titelsponsors konnte entstehen, weil Veranstaltungschef Frank Thaleiser zum Marathon 2012 den Staffelwettbewerb ins Leben rief.

Ein nicht unumstrittener Schachzug. Im Grunde widerspricht die Zerschneidung der 42,195 Kilometer langen, klassischen Distanz dem Spirit eines Marathons. Der fängt erfahrungsgemäß erst um Kilometer 30 erst richtig an – dann, wenn der Körper die Kohlehydratdepots aufgebraucht hat und auf die Fettreserven umschalten muss. Fortan beginnen die Qualen der Aktiven. Die Muskeln schmerzen. Viele müssen zwischendurch gehen statt zu laufen, um wenigstens auf dem allerletzten Abschnitt, wenn Freunde und Angehörigen sie im Endspurt zu Gesicht bekommen, wieder eine ordentliche Figur abzugeben und sich nicht sichtlich am Ende der Reserven über den Zielstrich zu schleppen.

Wer als Mitglied einer Staffel lediglich 16,3 oder 11,4 oder 5,4 oder 9,4 Kilometer absolvieren muss, fühlt sich hingegen unbeschwert wie bei einem Volkslauf durch Wald und Wiesen. Jedenfalls wenn er sich vorher eine akzeptable Fitness angeeignet hat.

Der Wettkampfgedanke wird nicht von allen gleich gelebt. Englert hat erfahren, dass einige Staffeln sich schon seit Wochen regelmäßig zum gemeinsamen Training treffen, um die anderen am 26. April abzuhängen. Die meisten ticken entspannter. Viele möchten sich das Erlebnis gönnen, einmal auf abgesperrten, von feiernden und anfeuernden Menschen gesäumten Straßen zu laufen – und dabei vielleicht das Verlangen zu stimulieren, einmal als Solist die Gesamtstrecke schaffen zu wollen. Das entspräche dem Konzept Thaleisers. Er beabsichtigt ja keineswegs, den Marathon zu verwässern, sondern möchte mit dem Staffelangebot den Kreis möglicher Starter über die Gesamtdistanz ausweiten. Einen Marathon erleben, ohne ihn vollständig bewältigen zu müssen – so lautet das Staffel-Motto.

Die Haspa verspricht sich von der „Operation Marathonstaffel“ kundenklimatische Vorteile. Sich in einem anderen als dem gängigen, geschäftlichen Kontext kennenzulernen und gemeinsam etwas zu schaffen, so lautet das Credo laut Diplomkaufmann Englert. Laufen sei für diesen Zweck ideal. Man müsse ja nur mit offenen Augen durch die Stadt gehen, um zu erkennen, dass ungezählte Menschen mittlerweile das Joggen als unkompliziertes Mittel zu körperlicher Ertüchtigung oder zum Stressabbau entdeckt haben und praktizieren. Ihre Verbundenheit mit der Stadt vermag die Sparkasse kaum sinnfälliger zu demonstrieren als bei einem Dauerlauf durch dieselbe.

Im Idealfall werden all die in leuchtend rote Shirts gekleideten Staffeln gemeinsam über die Ziellinie laufen. Das Reglement erlaubt es, dass die Quartette sich 400 Meter vor dem Ziel am Fernsehturm vereinen, um das Werk gemeinsam zu vollenden – und sich dabei als ewige Erinnerung fotografieren zu lassen. An mangelnder Vorbereitung kann es nicht scheitern. Die Teilnehmer auf dem Haspa-Ticket kommen in den Genuss kostenloser theoretischer und praktischer Schulungen, wie eben jener im Niendorfer Gehege. Absolventin Petra von Lützow bangt aber noch um ihren Startplatz. Bislang steht sie nur auf der Nachrückerliste. Ihre Chancen dürften gleichwohl gut sein. Ausfälle wegen Krankheit, familiärer oder terminlicher Probleme gibt es fast immer.