Das heutige Kulturdenkmal Friedrichstadt wurde von niederländischen Bürgern errichtet. Am besten erlebt man den 0rt an der Treene bei einer Fahrt durch die Grachten

Holland ist viel näher als gedacht! 15 Kilometer südlich von Husum liegt Friedrichstadt. Überall holländische Bauten und Grachten - auf den ersten Blick sieht es so aus, als könne man das malerische Holländerstädtchen nur in Holzschuhen betreten. Aber Karl-Heinz Rottmann, der hier seit 1997 Führungen anbietet (Tel. 04881/10 44), nimmt uns auch in Sneakern mit auf einen kleinen Rundgang durch die Geschichte. Unser Treffpunkt ist der Brunnen am Markt. Dieser wurde 1879 zur Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser erbaut. Eine segensreiche Einrichtung, denn erst 1968 wurde die Kleinstadt an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Sowieso spielte das Wasser hier immer eine wichtige Rolle: Die Nähe zum Meer war einst ausschlaggebend für die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes, wie ihn sich Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorf 1621 vorstellte.

Schon der Marktplatz mit seinen typischen Häusern mit Treppengiebeln im holländischen Stil ist beeindruckend. Bei näherem Hinsehen erkennt man über den Eingängen kleine, gemeißelte Tafeln. "Es sind Hausmarken, die dem Besucher zeigten, wer zur Bauzeitim Haus wohnte, denn Straßennamen gab es damals noch nicht", sagt Rottmann. An die 100 dieser kleinen Steinmotive sind noch an den Altbauten zu finden, darunter Fische, Windmühlen oder typische Handwerkermotive, die die weiß und gelblich gestrichenen Hausfassaden schmücken.

Früher handelten auf dem Platz die Bauern mit Pferden, heute gibt es Veranstaltungen, wie zum Beispiel die "Friedrichstädter Rosenträume" (2./3. Juli) oder die Friedrichstädter Festtage (29./31. Juli), deren Höhepunkt der "Karneval auf dem Wasser" ist. Dann erscheinen die Grachten in einem so wundervollen Licht - da möchte man doch gleich holländischer Maler werden.

Die Kirchen des Ortes kann man nicht übersehen. Sie sind auch heute noch ein Zeugnis der ausländischen Bürger, die der Herzog für den Aufbau der Stadt nach Norddeutschland holte. Um seine Idee eines Handelshafens zu verwirklichen, bot der Herzog den aus religiösen Gründen verfolgten Niederländern, allen voran den Remonstranten, hier eine neue Heimat.

Rottmann steuert die kleine Remonstrantenkirche in der Prinzessstraße an und schließt ganz selbstverständlich die Tür auf. Er kennt sich aus, man vertraut ihm. Die Kirche beherbergt die einzige Gemeinde der Remonstranten außerhalb des Mutterlandes. Aber hier wird nur noch an manchen Sonntagen der Gottesdienst gefeiert. Die heutige Kirche ist ein Nachbau der ursprünglichen Saalkirche von Jahr 1624, die bei der Beschießung durch die Schleswig-Holsteiner im Jahr 1850 zerstört wurde.

Unser Weg geht weiter zur Prinzenstraße, der großen Fußgängerzone von Friedrichstadt. Eigentlich ist hier alles Fußgängerzone, aber in diesem Teil der Stadt findet man mehr Cafés und diverse Geschäfte mit Kunstgewerbe. "An manchen Tagen kommen die Besucher in Wellen die Straße entlang, dann spielt sich alles draußen ab", sagt Rottmann und geht auf ein Geschäft mit dem Namen "De Tulp" (Prinzenstraße 8) zu. Hier verkauft Ulrike Ryslev holländische und dänische Spezialitäten. Seit dreieinhalb Jahren führt die Kauffrau mit dem dänischen Namen ihr Geschäft mit Produkten aus der Region, und auch mehr als 150 Sorten Lakritze bietet sie an. "Lakritz ist eine typisch holländische Süßigkeit, die heute in vielen Variationen angeboten wird", sagt Ryslev. Natürlich habe sie auch Klompen, die bekannten Holzschuhe der Holländer aus Pappelholz. Es gibt sie in den Größen 21 bis 49. Viele schätzen den Holzschuh für die Gartenarbeit, mache kaufen ihn aber auch nur zur Dekoration.

Unser Weg geht weiter vorbei an Teegeschäften, kleinen Restaurants, Töpfereien, schönen Galerien und Kunsthandwerkergeschäften. Töpfer, Tischler und Galeristen stellen ihre Waren aus, arbeiten in den Läden und erzählen gerne Details über die Produkte und das Handwerk. Ein kultureller und wirtschaftlicher Höhepunkt dieser Branche ist der Kulturnachttag (28./29. August), denn an diesem Wochenende sind Ateliers, Galerien, Kirchen und Museen bis weit in die Nacht geöffnet, ebenso am folgenden Tag.

Jetzt pfeift der Wind durch die kleinen Straßen dieser quadratisch angelegten Stadt mit ihren Wasserstraßen zwischen Treene im Norden und Eider im Süden. Wir kommen zur ehemaligen Synagoge. Neben den Remonstranten hatten sich hier auch weitere Glaubensgruppen angesiedelt, unter ihnen Mennoniten, Katholiken, Lutheraner und Juden. Sie alle folgten der Religionsfreiheit, die ihnen der Herzog gewährte. Die ehemalige jüdische Synagoge von 1845 (zerstört 1938 in der Reichspogromnacht) diente eine Zeit als Wohnhaus. Nach einer aufwendigen Restaurierung im Jahr 2003 ist sie heute ein beeindruckendes Kulturzentrum.

Wir sind in der Straße Am Binnenhafen und kommen damit zum touristischen Highlight Friedrichshafens: der Grachtenfahrt. Die Wahl fällt auf ein Cabrio-Boot, und Kapitän Christian Prinz schmeißt den Motor an - es ist kalt, aber schön.

Mit insgesamt vier Schiffen fahren Christian Prinz und seine Leute Tagesgäste auf den Grachten durch Friedrichstadt ( www.grachtenfahrt.de ). Direkt am Parkplatz P2 am Fürstenburggraben beginnen die etwa einstündigen Fahrten, die einmal um die Stadt und durch die Innenstadt führen. Unsere Tour geht zunächst den Wester-Sielzug hoch auf die Treene. "Aus dieser Perspektive merkt man an manchen Grundstücken, wie extrem schmal die Häuser damals gebaut wurden", erklärt Prinz und nennt als Grund dafür die Grundsteuer, die damals nach holländischem Recht berechnet wurde: nach der Breite des Grundstückes an der Straßenfront.

Wir fahren an geschichtsträchtigen Gebäuden wie dem Remonstranten-Haus vorbei, dann unter schmalen Stein- und Holzbrücken durch und passieren die Alte Münze. Herzog Friedrich III. wollte der Stadt das Münzrecht verleihen. "Aber schon damals hatte das Finanzwesen seine eigene Dynamik, und der Herzog hielt sein Versprechen nicht", sagt Christian Prinz. Auch der alte Hafen gehört zur Route. Im einzigen tidenunabhängigen Hafen nahe der Küste machen viele Boote halt auf ihrem Weg von der Ost- zur Nordsee.

Wer ein Faible für größere Schiffe und die offene See hat, sollte sich auch das nahe gelegene Husum anschauen. Ob Friesentorte oder Hafenkneipe, die idyllische Hafenstadt hat mit ihren bunten Häusern einen besonderen Charme. Sehenswert ist das Schloss, das der Herzog Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf zwischen 1577 und 1582 im Stil der niederländischen Renaissance errichten ließ. Während es lange auch als Amtsgebäude für den Kreis genutzt wurde, dient es heute kulturellen Zwecken.

So werden zum Beispiel jährlich vier Sonderausstellungen mit viel zeitgenössischer Kunst aus Schleswig-Holstein gezeigt. Außerdem finden im Schloss zahlreiche Konzerte, Lesungen oder Vorträge statt. Beliebt ist das Husumer Schlossvergnügen mit dem Bürgerflohmarkt, in diesem Jahr am 18. Juni. Lohnenswert ist auch ein Besuch des Theodor-Storm-Museums sowie des Marktplatzes mit dem Tine-Brunnen vor der schönen Marienkirche. Kurz vor der Rückfahrt dann noch schnell ein frisches Krabbenbrötchen im Hafen besorgt und zurück geht's an die Elbe. Seltsam! Auf der Heimfahrt scheinen die vom Wind schief gewachsenen Bäume an der Straße dem Tagestouristen hinterherzuwinken.

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