Ahrensburg. Gründershows, in denen kreative Köpfe ihre Geschäftsideen vor prominenten Investoren präsentieren, sind seit dem Vox-Format „Die Höhle der Löwen“ aus dem Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Wie das ist, als Existenzgründer eigene Produkte zu entwickeln und vor Unternehmern dafür zu werben, das konnten Schüler einer achten Klasse des Eric-Kandel-Gymnasiums in Ahrensburg beim Projekt „Network for Teaching Entrepreneurship“ (NFTE) erproben. Rage-Möbel, die man bei Wut zerstören kann, eine Handyberatung für Senioren, Reisezahnbürsten mit Zahnpasta und ein Fantasybuch – die Juroren, fünf Vertreter aus der Ahrensburger Wirtschaft, zeigten sich beeindruckt von den Konzepten der Nachwuchsunternehmer.
Zwei Schulstunden je Woche hatten die Jungen und Mädchen im Fach Wirtschaft/Politik Zeit, einen Prototypen zu entwerfen, eine Powerpoint-Präsentation zu gestalten und den Markenauftritt zu planen. „Die Produkte sind aus den Alltagserfahrungen heraus entstanden“, sagt Lehrerin Inger Kanzler.
Spezialpflaster für Surfer, umweltschonende Kosmetik
Amber Güldenpfennig wollte die Jury mit einem Pflaster für Surfer überzeugen. Es soll die Hände der Wellenreiter vor Reibung schützen. „Beim Surfen müssen die Hände am Gabelbaum ständig hin- und hergeschoben werden, um das Segel in den Wind zu legen“, sagt die 14-Jährige, die selbst seit zwei Jahren surft. Sie zeigt ein Foto, das ihre Hände zeigt, übersäht mit Rötungen und Scheuerstellen: „Das Salzwasser verursacht eine starke Reibung, wenn man drei bis fünf Stunden auf dem Meer ist.“ Doch herkömmliche Pflaster kleben im Meerwasser nicht. Da sei ihr die Idee gekommen, ein Pflaster zu entwerfen, das an die Form der Hand und Finger angepasst ist. Laschen zum Umknicken sollen für besseren Halt sorgen. „Ich habe auch lange an einem Klebstoff experimentiert, der sich im Meerwasser nicht löst“, sagt Amber. „Bisher gab es nur ein Tape, das hält: Panzertape“, sagt die Schülerin.
Wichtig sei auch das Material des Pflasters gewesen. „Mit herkömmlichen Schutzklebern verliert man den Grip“, weiß sie aus eigener Erfahrung. Jurorin Jeanette Rouvel war überzeugt. Sie führt das Unternehmen SPI, das auf IT-Lösungen für die Blechindustrie spezialisiert ist. „Design, Logo, Visitenkarten – Amber hat einfach an alles gedacht“, lobte sie. „Sie sagte, dass sie bereit sei, ihr Konfirmationsgeld in die Idee zu investieren, das zeugt von echtem Unternehmergeist und Risikobereitschaft.“
Auch Greta Liehr punktete bei den Juroren. „Plastikfreie und Öko-Produkte sind gerade im Trend“, weiß die 14-Jährige und klingt dabei wie eine echte Geschäftsfrau. Unter dem Titel „For Me, For You“ hat sie eine Produktlinie für umweltschonende Kosmetikartikel entworfen. Greta hat aus Baumwolle wiederverwertbare Reinigungspads für das Gesicht genäht. „Sie können nach dem Gebrauch ausgewaschen werden.“ Dazu bietet sie ein Duschgel auf Basis von Stückseife an. „Ohne künstliche Zusatzstoffe“, betont die Gymnasiastin.
NFTE war am Eric-Kandel-Gymnasium ein Pilotprojekt
Lange hat die Schülerin sich mit der reinigenden Wirkung von Pflanzen und Kräutern befasst. „Ich mische Lavendel, Zitrone, Brennnessel oder Rosmarin dazu“, sagt sie. „Das erzeugt nicht nur den Duft, sondern gibt der Seife eine individuelle Wirkung. Zitrone eignet sich besonders für die Pflege blonder Haare, Rosmarin reinigt fettiges Haar.“
Besonders angetan hat es den Juroren Laura Blabers Pinclip. Mit ihrer Kombination aus Büroklammer und Pinnadel belegte sie vor Ambers Pflaster und Gretas Kosmetiklinie den ersten Platz im Ranking. „Ich habe über meinem Schreibtisch eine Korkwand, an die ich Fotos, Karten und Autogramme hefte“, erzählt die 13-Jährige. „Aber wenn ich die Sachen irgendwann wieder abnehme, haben sie von den Nadeln Löcher und Risse.“
Ihre Lösung ist simpel: Sie entwickelte eine Büroklammer, die über ein spitzes Ende verfügt und gleichzeitig als Pin dient. Gefertigt hat sie sie selbst, mit einer Zange aus Gartendraht. „Die erste sah nicht schön aus, aber sie funktionierte“, sagt Blaber. Das sei ein unglaubliches Erfolgsgefühl gewesen.
Juror Andy Adiwidjaja war überzeugt: „Er hat nach der Präsentation geprüft, ob es irgendwo auf der Welt schon ein Patent für die Pinclips gibt und wurde nicht fündig“, sagt Laura Blaber stolz. Der Unternehmer, der ein IT-Projektbüro in Ahrensburg führt, riet ihr, sich die Idee eintragen zu lassen.
Bei dem Projekt waren nicht nur kreative Ideen gefragt. Auch die Finanzierung, Geschäftskosten und Zielgruppe mussten die Nachwuchsunternehmer nachvollziehbar darlegen. „Im Unterricht haben wir viel über Gewinnrechnung, Marketing und Marktforschung sowie Businesspläne gesprochen“, erzählt Laura. So weiß die Schülerin, dass ihre Pinclips mindestens 1,99 Euro kosten müssen, damit sie Gewinn macht. NFTE war am Eric-Kandel-Gymnasium ein Pilotprojekt. Doch das Unterrichtskonzept gibt es schon seit 1987. „Erfunden hat es ein Pädagoge in den USA, um benachteiligten Jugendlichen Berufschancen aufzuzeigen und Motivation zu geben“, sagt Inger Kanzler, die das Projekt als Lehrerin betreute. „Die Geschäftsideen sollen aus dem Lebensumfeld der Schüler kommen.“
Im Zentrum des Konzepts stehe aber nicht die tatsächliche Markttauglichkeit der Produkte. „Durch das Werben für ihre Idee gewinnen die Schüler Selbstbewusstsein“, sagt Kanzler. Natürlich habe es auch Anlaufschwierigkeiten gegeben: „Nicht allen Schülern fiel das kreative Arbeiten von Beginn an leicht. Denn Ideenfindung und Umsetzung bieten viel mehr Frustrationspotenzial, wenn mal etwas nicht funktioniert und man nacharbeiten muss, als Frontalunterricht.“ Dennoch habe sich das Projekt durch die positive Resonanz der Schüler bewährt. „Wir wollen NFTE als Berufswahlsiegel-Schule einen festen Platz im Fachkcurriculum geben“, sagt Kanzler. Im nächsten Jahr werde das Projekt in der Mittelstufe als Wahlpflichtkurs angeboten, mit der Umstellung auf G9 soll es dann dauerhaft in den Fachunterricht integriert werden.
Projekt soll Selbstwertgefühl der Jugendlichen fördern
Auch die Jury zog ein positives Fazit. „Wir waren überwältigt von der Bandbreite der Ideen“, sagte Jeanette Rouvel. „Die Schüler haben echte Probleme identifiziert und kreative Lösungen gefunden. Sie haben sich mit dem kalkulatorischen Zahlenwerk auseinandergesetzt und so ein Gefühl für die Machbarkeit bekommen. Und sie hatten den Mut, das Ganze vor einer Jury vorzustellen.“ Rouvel erhofft sich von NFTE auch positive Impulse für die regionale Wirtschaft. „Junge Menschen bringen eine frische Denke mit, von der wir uns inspirieren lassen können“, sagte sie. Das Projekt sei ein Beispiel dafür, wie Schulen und Wirtschaft konstruktiv zusammenarbeiten könnten. Und Adiwidjaja fügt hinzu: „Für eine Schule ist es eine gute Idee, Wirtschaft auf einem anfassbaren Level zu betrachten. Ich würde mich freuen, wenn daraus konkrete Schülerfirmen entstehen.“
Werden die Erfindungen der Nachwuchswissenschaftler also eines Tages im Supermarktregal zu finden sein? „Ich kann mir das auf jeden Fall vorstellen“, sagt Laura Blaber. „Drei Dosen mit meinen Pinclips habe ich schon verkauft.“ Die drei Gewinnerinnen haben nun die Möglichkeit, sich für den NFTE-Landesentscheid zu bewerben.
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