Bad Oldesloe/Glinde. Die Verkehrsbehörde des Kreises in Bad Oldesloe macht Ernst. Sie hat jetzt die ersten beiden Diesel-Fahrzeuge in Stormarn mit Abgasmanipulation stillgelegt. Dabei handelt es sich um Modelle des Volkswagen-Konzerns. Deren Besitzer hatten sich geweigert, ihr Auto für ein Software-Update in eine Werkstatt zu bringen. Die Zahl der Fahrzeughalter, denen ein Mitarbeiter der Kreisverwaltung die Zulassungsplakette am Auto entfernt, könnte steigen. 46 Personen droht das gleiche Schicksal. Diese Zahlen bestätigt Dirk Willhoeft, Chef der Straßenverkehrsbehörde. Er sagt: „Überwiegend sind es Pkw der Marke VW, aber auch Audis und Skodas.“ Es kämen wöchentlich neue Verfahren auf seinen Tisch.
Der Kreis ist das letzte Glied in der Kette und agiert als Vollstrecker. Zuerst werden Halter der Schummel-Diesel vom Hersteller angeschrieben und zum Software-Update gebeten. Wer dem nicht nachkommt, erhält eine Aufforderung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) zur Umsetzung. Geschieht das nicht, werden die Daten der Autofahrer an die zuständige Kfz-Zulassungsstelle geschickt. Diese startet eine sogenannte Anhörung und versendet ein Schreiben mit dem Ersuch, einen Nachweis für das Update zu erbringen. Bleibt eine Reaktion binnen zwei Wochen aus, gibt es eine Ordnungsverfügung, die 35 Euro kostet. Danach gilt die Frist von einem Monat, um das Update nachzuholen. Bleibt der Wagenbesitzer untätig, wird sein Fahrzeug stillgelegt.
Halter müssen bis zu 286 Euro zahlen
Für den Betroffenen kann das teuer werden. Maximal zahlt er 286 Euro. Nämlich dann, wenn ein Mitarbeiter der Behörde in Bad Oldesloe den Besitzer siebenmal nicht antrifft. 22 beim Kreis eingegangene Fälle haben sich inzwischen erledigt. Entweder wurden die Autos von den Haltern abgemeldet oder sie waren einsichtig und haben das Software-Update gemacht. Laut Willhoeft sind derzeit 14 Anhörungen in Gange, zudem wurden fünf Ordnungsverfügungen verschickt. Drei Personen haben Widerspruch eingelegt. „Sie können bis zum 10. August eine Klage einreichen“, so der Fachdienstleiter.
Willhoeft sagt, es mache keinen Sinn, sich zu verweigern und verweist auf die „aktuelle Rechtslage“. Es bestehe wenig Aussicht auf Erfolg bei Klagen. Einige Autofahrer lehnen das Update ab, weil die Hersteller keine vollumfänglichen Garantien übernehmen – etwa für den Fall von Schäden nach der Umrüstung. Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) fordert eine Entschädigungszahlung für Kunden.
Ende 2018 verjährt Anspruch auf Schadenersatz
Zum 1. November dieses Jahres und damit gerade noch rechtzeitig tritt die Musterfeststellungsklage in Kraft. Denn Ende 2018 verjährt für Millionen Dieselfahrer der Anspruch auf Schadenersatz. So wird es demnächst ermöglicht, kollektiv gegen Automobilhersteller zu klagen. Sie hatten zuvor Dieselfahrzeuge mithilfe einer Software so manipuliert, dass diese auf dem Teststand weniger Stickoxide ausstoßen als auf der Straße. Ursprünglich waren hierzulande rund 2,5 Millionen VW-Fahrzeuge mit dem EA 189-Motor vom Abgasskandal betroffen. Inzwischen sind auch BMW und Daimler verwickelt. Im Mai dieses Jahres rief das Kraftfahrtbundesamt erstmals auch Mercedes-Modelle wegen einer Betrugssoftware zurück.
Zum negativen Image von Diesel-Autos haben aber nicht nur die Manipulationen beigetragen, sondern auch die Diskussionen um Fahrverbote. Hamburg hatte am 31. Mai als erste deutsche Großstadt Nägel mit Köpfen gemacht. Seitdem dürfen bestimmte Fahrzeuge nicht mehr auf Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße unterwegs sein. Betroffen sind alle Diesel-Pkw, die nicht der neuesten EU-Abgasnorm Euro 6 entsprechen. So soll die Stickoxidbelastung der Luft gesenkt werden.
Händler müssen bei älteren Diesel-Pkw Abstriche machen
Die Angst vor weiteren Diesel-Fahrverboten bekommen vor allem die Gebrauchtwagenhändler zu spüren. Sie bleiben auf älteren Modellen sitzen oder verkaufen diese oft unter Wert.
Das hat Cyrus Zargari (49) erlebt, der in Glinde mit seinem Geschäftspartner Marcus Westerfeld eine Werkstatt betreibt und auch gebrauchte Autos verschiedener Marken verkauft. Er sagt: „Ein A3 mit der Abgasnorm Euro 4 hat bei uns ein Jahr auf dem Hof gestanden, ehe wir ihn 4000 Euro unter Marktwert abgegeben haben.“
Inzwischen bietet Zargari keine alten Diesel mehr an. Der Kfz-Meister: „Viele Kunden wollen solche in Zahlung geben, das lehnen wir jetzt ab.“ Derzeit hat er lediglich zwei neuere Diesel-Fahrzeuge im Angebot, früher habe deren Anteil rund 40 Prozent betragen.
Privatpersonen: Nachfrage nach Diesel-Kfz eingebrochen
Zargari hat das Auto Zentrum Glinde in der Straße Am Alten Lokschuppen 2012 gegründet und ist in einer modernen Halle aktiv. Dort sind 13 Mitarbeiter tätig. Damals habe er Diesel-Autos im Schnitt nach 30 Tagen verkauft, heutzutage dauere es mindestens zwei Wochen länger. „Privatpersonen sind auf Benziner umgeschwenkt, auf Diesel lassen sich noch vermehrt Firmen ein“, berichtet der Autoexperte.
Ähnliche Erfahrungen hat Claudia Hansen-Soltau gemacht, Geschäftsleiterin des Autohauses Hansen in Braak. Sie sagt: „Gebrauchte Pkw mit der Abgasnorm Euro 4 sind gar nicht mehr zu verkaufen.“ Die Nachfrage von Privatpersonen bei Diesel-Fahrzeugen sei eingebrochen. „Die Menschen haben Angst, was die Zukunft bringt“, so die Autohaus-Chefin und spielt damit auf die Möglichkeit von weiteren Diesel-Fahrverboten an.
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