Barsbüttel

Mit 53 Jahren zu alt für den Beruf?

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Alexandra Schulz

Natalie Peters aus Barsbüttel findet keinen Job. In Stormarn sind fast 1700 Menschen über 50 arbeitslos. "Ich schreibe bis zu 30 Bewerbungen im Monat", sagt Peters.

Barsbüttel. Sie fühle sich wie ein Fußball, sagt Natalie Peters, ständig beiseite geschoben. Das klingt fast freundlich, wenn berücksichtigt wird, dass Fußbälle weniger geschoben als getreten werden.

Natalie Peters ist eine von derzeit 1688 Stormarnern, die älter als 50 Jahre und arbeitslos sind. Und sie ist unglücklich mit der Situation. "Ich möchte nicht als Sozialschmarotzer leben", sagt sie. "Ich bin gesund und sehr aktiv, aber ich hänge vom Staat ab. Das finde ich nicht in Ordnung. Ich habe immer gearbeitet." Peters lebt in Barsbüttel, studiert hat sie jedoch in Russland, fünf Jahre, und dort als Diplom-Biologin und Biologie- und Chemielehrerin gearbeitet. "Aber als Russlanddeutsche hatte ich den Wunsch, nach Deutschland zu kommen."

Als sie im Februar 1996 umzog, habe sie zunächst einen Sprachkursus gemacht und sich darum gekümmert, dass ihr Erstes Staatsexamen anerkannt wird. "Und dann habe ich sehr schnell einen Job gefunden, als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Hamburg." Dann bekam sie Arbeit bei einem privaten Pharma-Unternehmen. Im Jahr 2011 wurde die Firma verkauft, der Standort in Hamburg wurde geschlossen. Und Natalie Peters war arbeitslos.

Das ist nun zwei Jahre her, geändert hat sich nichts. "Ich schreibe bis zu 30 Bewerbungen im Monat", sagt Peters. Alles ohne Erfolg. Auch auf Stellen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hat sie sich beworben. "Zwar liebe ich Hamburg und wohne gern in Barsbüttel, aber ich habe schon einmal mein Leben umgekrempelt und bin von Russland nach Hamburg gezogen. Warum sollte ich nicht noch mal umziehen", sagt sie. Bei der Agentur für Arbeit habe man ihr nicht helfen können. "Die waren sehr nett, aber haben keine Möglichkeit für mich gesehen. Mein Job ist zu speziell. Ich muss mir selber helfen."

Ein Versuch ist der Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Betreff: "Verschwendung von hoch qualifizierten Arbeitsressourcen über 50", mit Ausrufezeichen. "Die Idee habe ich seit einem Jahr. Es soll doch etwas geschehen, es betrifft ja nicht nur mich, sondern so viele Leute", sagt sie. Bundesweit sind rund 927.000 Menschen arbeitslos, die älter als 50 Jahre sind. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um gut 27.000 oder fast drei Prozent gestiegen. In Stormarn hat sich die Zahl kaum verändert. Im Kreis gab es sowohl im Juli 2012 als auch im Juli 2013 fast 1700 Arbeitslose über 50.

Für Natalie Peters ist das natürlich kein Trost. Sie schreibt in ihrem Brief an die Kanzlerin: "Trotz meiner guten Qualifikationen und Kompetenzen habe ich bisher keine Stelle gefunden, was vermutlich an folgenden Gründen liegt: mein Alter (ich werde in diesem Jahr 54 Jahre alt). Ich bin nicht mehr auf dem Stand der neuesten Technologien im Bereich Genforschung. Und der Weg in den Schuldienst ist mir verwehrt, weil das Zweite Staatsexamen in Deutschland nicht anerkannt wurde."

Letzteres werde erst anerkannt, wenn sie drei Jahre an einer Schule gearbeitet habe, erzählt sie. "Wie soll ich das tun, wenn mich keine Schule nimmt?" Einer ihrer beiden Söhne habe vorgeschlagen, sie solle doch in einem Supermarkt an der Kasse arbeiten. "Aber es gibt Sachen, die ich gelernt habe und sehr gut kann", da sei es doch sinnvoller, sich mit diesen Fähigkeiten einzubringen.

"Bei dem Lehrermangel in Deutschland und dem Ruf nach mehr Bildung für unsere Jugend ist es nicht nachvollziehbar, dass die Kompetenzen von gut ausgebildeten, erfahrenen Mitarbeitern über 50 Jahren so sträflich ignoriert werden", schreibt sie an Angela Merkel. Die Kanzlerin selbst hat nicht geantwortet, aber ein Brief kam vom Referat 313, Arbeitsmarktpolitik; Arbeitsrecht. Die Potenziale der Älteren müssten noch besser erkannt und systematisch erschlossen werden, heißt es darin unter anderem.

Von Natalie Peters' ehemaligen Kollegen haben auch nicht alle eine neue Arbeitsstelle gefunden. "Bei denen, die unter 50 Jahre alt sind, geht es relativ schnell", sagt sie. "Bei mir war es auch so. Als ich mit Mitte 30 nach Deutschland kam, hatte ich keine Probleme, obwohl ich damals die Sprache noch nicht so gut konnte wie heute. Es ist frustrierend, obwohl ich eigentlich das Leben positiv sehe."

Nicht alle ihrer Bekannten hätten Verständnis für ihre unermüdlichen Bemühungen. "Manche lächeln darüber, dass ich mich so abstrampele, und fragen mich, ob ich wirklich noch hoffe, etwas Neues zu finden", sagt die Barsbüttelerin. "Aber ich werde so lange weiter suchen, bis ich etwas finde. Es gibt keine unlösbaren Situationen, alles im Leben renkt sich ein." So einfach ist das. Das Runde muss ins Eckige.

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