G 8 sorgt für Nachhilfe-Boom

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Frederike Mielke

Foto: Birgit Schücking

Lerntherapeutin registriert in Ahrensburg eine gestiegene Nachfrage wegen des Turbo-Abiturs

Ahrensburg. Seit der Einführung des achtstufigen Gymnasiums in Schleswig-Holstein und Hamburg müssen mehr Kinder Nachhilfe nehmen - diesen Trend beobachtet Charlotte Mauve. Die studierte Bauingenieurin hat 25 Jahre nach ihrem Studium eine Ausbildung zur Lerntherapeutin gemacht. Seit mittlerweile sechs Jahren unterrichtet sie nun Kinder und Jugendliche aller Schulformen von der zweiten Klasse bis zur Oberstufe. Sie sagt: "Es kommen oft Schüler zu mir, die im neunstufigen Gymnasium sehr gut gewesen wären und das Abitur problemlos hätten schaffen können."

Doch schon die Bücher der Fünftklässler eines achtstufigen Gymnasiums enthielten schwierigen Stoff aus höheren Klassen. Nur so sei es möglich, das fehlende Jahr irgendwie unterzubringen. "Ich finde es fatal, dass Kinder, die eigentlich gut in der Schule sind, aus diesem Grund dann Nachhilfe nehmen müssen.", sagt Mauve. Die verkürzte Schulzeit könne mit ein Grund dafür sein, dass sich einige Kinder sogar während ihrer Ferien mit Schulbüchern beschäftigen und Nachhilfelehrer aufsuchen müssen.

"Ich habe 38 Schüler. Neun davon kommen auch in den Ferien", sagt sie. "Manche Kinder haben große fachliche Defizite. So stehen einige zum Beispiel mit den englischen Zeiten auf Kriegsfuß." Sie hätten sie einfach nie richtig verstanden oder gelernt. Derartige Lücken müssten aber unbedingt geschlossen werden. Und das schaffe man eben nicht während der Schulzeit, wenn die Kinder nebenbei noch den aktuellen Stoff behandeln müssen.

Ein anderer Grund für den Ferienunterricht bei Frau Mauve sei die Enttäuschung über das Zeugnis. Manche Schüler hätten mehr erwartet und wollten über die Noten sprechen und für das nächste Jahr Lernziele formulieren.

Der 15-jährige Niklas ist auch ein Nachhilfeschüler, der in den Ferien zu Charlotte Mauve kommt. Während andere Urlaub machen, büffelt er Formeln und Vokabeln. "Ich habe in zwei Wochen eine Nachprüfung in Mathe, Deutsch und Französisch", sagt er. "Die muss ich bestehen, damit ich in die neunte Klasse versetzt werde." Um das zu schaffen, lernt er fleißig. Dabei tue es ihm nicht leid, dass er seine schöne Ferienzeit dafür opfern muss. "Als ich erfahren habe, dass ich die Nachprüfung machen muss, war meine Motivation im Keller. Aber zum Nachhilfeunterricht komme ich gern hierher." Mit schwierigen Fällen von fehlender Motivation habe sie Erfahrung, sagt Mauve. "Da geht die Unterstützung in der Nachhilfestunde auch einmal über das Fachliche hinaus." Niklas schätze die 53-Jährige auch als neutrale Bezugsperson, sagt er. "Für die Nachprüfung fühle ich mich jetzt gut vorbereitet."

Bei jüngeren Schülern seien es die Eltern, die den Anstoß zur Nachhilfe in den Ferien geben. Die Älteren kämen auch von sich aus auf sie zu. Elena Theophil leitet das private Unterrichtszentrum in Ahrensburg. Die Gymnasiallehrerin ist der Meinung, dass Nachhilfeunterricht in den Ferien nur in besonderen Fällen sinnvoll ist: "Wir arbeiten hier mit vielen Kindern, die eine Lese-Rechtschreibschwäche haben. Diese Schüler bringt es durchaus weiter, wenn sie auch in den Ferien zum Nachhilfeunterricht kommen." Thomas Hillmann ist Konrektor bei "Die Hauslehrer", einem Institut für Nachhilfepädagogik. Auch er kennt Schüler, die Nachhilfe in den Ferien nehmen. Der studierte Diplomingenieur hat eine Ausbildung zum Hauslehrer gemacht und unterrichtet seit dem Jahr 2003. Er sagt: "Wir haben aktuell eine Stormarner Schülerin aus der neunten Klasse, die eine Nachprüfung machen muss und dafür auch in den Sommerferien zum Lernen kommt." Er sei jedoch generell der Meinung, dass Ferien zum Entspannen da seien. Die Schüler hätten durch die veränderte Schulpolitik sowieso mehr Stress. Thomas Hillmann kenne das auch aus Hamburg, wo er ebenfalls Schüler betreut. Dort hat bereits der erste Jahrgang nach zwölf Jahren mit dem Abitur abgeschlossen. Lachend sagt Hillmann: "Ein Elternteil hat mal gesagt, wenn die Kinder eine Gewerkschaft hätten, würde das nie so durchgehen."

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