Balje-Hörne. Der Nordkehdinger Außendeich ist in diesem Jahr um eine Attraktion reicher: Erstmals darf der alte Baljer Leuchtturm im Juli und August für Besucher geöffnet werden. Dass dieses maritime Baudenkmal frisch restauriert, als kleines, feines Schmuckstück erhalten werden konnte, ist der Initiative von Waltraud und Gerhard Gebhardt aus Hörne-West zu verdanken. Sie haben sich mit Gleichgesinnten für die Rettung des 1903 erbauen und im Folgejahr in Betrieb gegangenen Leit- und Quermarkenfeuers kurz vor der Ostemündung stark gemacht.
Inzwischen hat der anlässlich des 100. Geburtstag des Leuchtturms im Jahr 2004 gegründete Förderverein Balje Leuchtturm rund 80 Mitglieder. Etwa die Hälfte der Vereinsmitglieder ist aktiv im Leuchtturmdienst, sie betreuen Besucher und erklären alles Wissenswerte zu diesem historischen Seezeichen. Die Gäste auf dem Turm, Einheimische wie Touristen, kommen schnell ins Schwärmen von der faszinierenden Aussicht von der etwa 15 Meter über dem Elbspiegel liegenden Leuchtturm-Galerie. Wenn dann noch Container oder Luxusliner, Segler oder eine alte Dampf-Segelyacht am Turm vorüberfahren, ist das Erlebnis der Turmbesucher perfekt.
"Wir wussten nicht, dass es in den Innenräumen des Leuchtturms so interessante Ausstellungen gibt", sagt Rüdiger Weiß aus Calden bei Kassel. Vom Campingplatz Krautsand sind er und seine Frau zum Leuchtturm geradelt. "Die grandiose Aussicht auf die Elbe und die großen Schiffe waren Anlass unseres Besuches", sagt Weiß, der nun Feuer und Flamme für die Ausstellung der historischen Leuchtturmtechnik ist. Norbert und Christel Dirks vom Förderverein erklären, wie der Alte Leuchtturm 1904 als Leit und Quermarkenfeuer mit Petroleum-Glühlicht gezündet wurde. Alle vier Stunden musste der Leuchtturmwärter das Uhrwerk für das Kennungslicht von Hand aufziehen.
"Erst 1927 wurde auf Flüssiggas umgestellt, das aus einem Tank neben dem Turm kam. Dazu wurde die Optik des Leuchtfeuers gegen eine 500-Millimeter-Brennweite getauscht", sagt Norbert Dirks. Seine Frau ergänzt, dass 1959 auf Flaschengas umgestellt und der alte Gastank abgebaut wurde. Als 1962 die Automatisierung mit elektrischen Glühlampen erfolgte und das Feuer von Cuxhaven aus ferngesteuert wurde, endete die Ära der Leuchtturmwärter in Balje.
"Vor 40 Jahren erlosch das alte Leuchtfeuer, nachdem das neue rot-weiße Oberfeuer Balje dessen Aufgabe übernommen hatte", sagt Waltraud Gebhardt, die in Hörne-West aufwuchs und jetzt mit ihrem Mann wieder in ihrem Elternhaus lebt. Der alte Baljer Leuchtturm wurde später vom Landkreis Stade gekauft und als maritimes Denkmal unter Schutz gestellt. Vorübergehend sei der alte Leuchtturm noch vom Vogelwart genutzt worden, erzählt Waldtraud Gebhardt, sei aber dann dem Verfall preisgegeben worden.
"Zu ihrem Geburtstag im 100. Jubiläumsjahr des Baudenkmals bekam meine Frau einen Kaffeebecher mit dem Bild und den Daten des Turmes geschenkt", sagt Gerhard Gebhardt. Damit fing das Engagement der beiden für den alten verlassenen Turm an. Der Förderverein "Baljer Leuchtturm" wurde gegründet, mit dem Ziel, den Turm vor weiterem Verfall zu bewahren. Baljes Bürgermeister Hermann Bösch ist ebenso Mitglied wie der komplette Gemeinderat. Während des jahrelangen Engagements wurden die Gebhardts zu Leuchtturm-Enthusiasten. "Wir waren als Kinder so oft auf dem Turm, es war immer ein besonderes Erlebnis, wenn es der Leuchtturmwärter erlaubte. So wie wir, haben viele Baljer Erinnerungen an das Seezeichen und freuen sich, dass es nun begehbar ist", sagt Gerhard Gebhardt. Nach acht Jahren Einsatz sind die Vereinsmitglieder nun am Ziel.
Bevor der Landkreis Stade 2009 die Weichen für Renovierung und Nutzung des Turmes stellte, veranstaltete der Verein Aktionstage, um mit anderen Vereinen Geld und Zuspruch für das Baudenkmal zu bekommen. Unterstützung kam vom Philatelisten Günther Borchers, der einen Sonderpoststempel zugunsten des Seezeichens initiierte, Waltraud Gebhardt und fleißige Helfer gestalteten maritime Ausstellungen und auch vom Natureum gab es Schützenhilfe. "Herr Gieseler von der Denkmalschutzbehörde hat uns wertvolle Unterstützung gegeben, ohne die wir auf diesem Neuland kaum Erfolg gehabt hätten", sagt sie rückblickend. Das erste Geld wurde in eine Flutschutztür für den knapp 20 Meter hohen Leuchtturm investiert. Landkreis, Kommune und angezapfte Fördertöpfe sicherten letztlich finanziell den Erhalt des Leuchtfeuers, dessen Renovierung 2010 abgeschlossen werden konnte.
Mit viel Liebe und Fachkenntnis wurden vom Verein und vom Naturschutzamt des Landkreises im Inneren des Turmes Ausstellungen gestaltet, die über das Vogelschutzgebiet, Leuchtfeuer und Maritimes informieren. Der Leuchtturm ist außer montags und freitags täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Fahrten mit dem Vogelkieker-Bus zum Leuchtfeuer werden auch vom Natureum angeboten.
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