Elmshorn

Sascha Lobo über KI: „Weniger arbeiten und mehr leben“

| Lesedauer: 8 Minuten
Burkhard Fuchs
Der Autor, Blogger und Experte der digitalen Technologie, Sascha Lobo, war in der Nordakademie zu Gast.

Der Autor, Blogger und Experte der digitalen Technologie, Sascha Lobo, war in der Nordakademie zu Gast.

Foto: Burkhard Fuchs

Der Autor, Blogger und Experte der digitalen Revolution war bei der Nordakademie in Elmshorn zu Gast. Das sind seine Thesen.

Elmshorn. Die schöne neue Welt führt nicht an der Künstlichen Intelligenz (KI) vorbei. Ohne KI würde sich der Wohlstand in Deutschland nicht aufrechterhalten lassen. Die Unternehmen in diesem Land hätten noch zehn Jahre Zeit, auf den KI-Zug aufzuspringen, sonst sind sie weg vom Fenster.

Das sind die Kernthesen, die Sascha Lobo am Donnerstagabend in der Nordakademie in Elmshorn vor 180 geladenen Gästen in einem sehr kurzweilig unterhaltsamen Power-Point-Vortrag zum Besten gab. Die Elmshorner Initiative, ein Zusammenschluss von 43 Elmshorner Unternehmen, hatte den meinungsstarken Autor, Blogger und Experten der digitalen Entwicklung eingeladen, um mit „dem Sprachrohr der Elmshorner Wirtschaft“ ins Gespräch zu kommen, wie Gastgeber und Initiativ-Sprecher Thorsten Stockfleth den Stargastredner ankündigte.

„Künstliche Intelligenz verändert die Welt – ob wir wollen oder nicht“

Und der Berliner mit der auffälligen Frisur, der gerade von einem Vortrag vor einem Lebensmittelbetrieb aus Osnabrück kam, erfüllte die Erwartungen. Gebannt hingen die Zuhörer aus Wirtschaft, Verbänden und Verwaltung an seinen Worten, die Lobo in einem atemberaubenden Tempo vortrug. Er nahm die Zuhörer mit auf eine Reise in die Zukunft, die vielerorts, vor allem in China und den USA schon längst begonnen hat. „KI verändert die Welt – ob wir wollen oder nicht“, malte der Digital-Blogger eine weitere Kernthese mit anschaulichen Beispielen an die Großbildleinwand.

Selbst ein Tech-Riese wie Google, die bekannteste Suchmaschine und der größte Datensammler im Internet, sei nicht gefeit davor. Mehrere Hundert Milliarden Dollar hätte Google für die weitere technologische Entwicklung seit 2006 investiert. Und dann kommt Ende 2022 plötzlich die kleine Firma Open AI um die Ecke und bringt das Programm ChatGPT auf den Markt, das unsere Wissensvermittlung und das Bildungssystem revolutionieren wird.

„Software-Entwickler braucht man nicht mehr.“

Der User kann damit Wissen abfragen, sich Reden schreiben oder sogar Programme entwickeln lassen. Lobo hat das ausprobiert. Das immer weiter selbst lernende Programm hat für ihn die Bilder auf seiner Homepage spiegelverkehrt umgewandelt. Dazu brauchte er nur zwei Sätze Anweisungen geben, erklärte der KI-Experte. „Software-Entwickler braucht man nicht mehr. KI wird die Arbeitswelt verändern.“

Das müsse nicht unbedingt zu Massenarbeitslosigkeit und Elend führen, erläuterte Lobo im Vorgespräch. Zum einen könnte KI in vielen Branchen gut eingesetzt werden, um den Fachkräftemangel zu beseitigen. In seinem Vortrag nannte er dafür ein Beispiel aus der Medizin, das viele Zuhörer überrascht haben dürften. Denn Lobo präsentierte wissenschaftliche Studien aus den USA, die herausgefunden hätten, dass die Diagnosen, die das ChatGPT-Programm gestellt habe, weit besser und effektiver gewesen seien als die von Ärzten bei denselben Patienten. Und nicht nur das: Auch bei der Empathie habe die Maschine den Menschen geschlagen.

Vier-Tage-Woche reicht und bringt der Wirtschaft einen Tag mehr Konsum

KI werde also mit Sicherheit eine große digitale Transformation der Arbeitswelt auslösen und zahlreiche Arbeitsplätze von heute ersetzen, ist Lobo überzeugt. Doch es würden auch noch in Zukunft Menschen gebraucht, die diese Technologien anwenden und vermarkten, damit spielen und vor allem sich selbst und ihr Unternehmen kreativer machen könnten.

Er sei ein Freund der Generation Z, sagt Lobo. „Die haben die richtige Einstellung. Eine Vier-Tage-Woche reicht.“ Die 40-Stunden-Woche sei ein Relikt aus dem 20. Jahrhundert, das schon bald überholt sein werde, prophezeit der Digitalexperte. „KI wird dazu führen, dass wir weniger arbeiten müssen, zufriedener sind und intensiver leben können“, ist seine These. Und der Wirtschaft käme eine Vier-Tage-Woche auch zugute: „Dann haben wir einen Tag mehr Zeit zu konsumieren.“

Studenten an der Nordakademie wenden bereits ChatGPT-Programm an

Auch in Lehre und Forschung würden schon bald solche Programme wie ChatGPT Einzug halten, wenn sie es nicht längst schon getan haben. Christoph Fülscher, Vorstand und Kanzler der Nordakademie, berichtete, dass schon heute einige seiner 2500 Studenten ChatGPT einsetzten, um Hausarbeiten oder Referate zu schreiben. Die Hochschule könne sich dieser Entwicklung nicht verschließen und müsse dies zulassen. „Wenn wir solche Programme ins Lehrprogramm aufnehmen, dürfen wir sie nicht verbieten.“

Das sei auch notwendig, führte Lobo weiter aus. Wissenschaftliche Studien belegten eindeutig, dass Menschen, die mit ChatGPT arbeiteten, effektiver und zufriedener seien und seltener kündigten. Unternehmen, die sich dieser Entwicklung verschlössen, würden schon bald keine Fachkräfte mehr finden, warnte Lobo.

Lobo: Die Menschen lieben es, ihre Daten mit aller Welt zu teilen

Es sind die großen Datenströme, die diese Entwicklung beschleunigten und unaufhaltsam machten, erklärte Lobo wieder an recht eindrucksvollen Beispielen. So hätten die Studenten der Uni Oregon vor 50 Jahren ihren Campus neu gestalten können und mit Rasen bepflanzen lassen. Anschließend hätten sie entlang der Trampelpfade auf dem Gras die Wege angelegt. Die Verhaltensweisen der vielen hätten also diese Struktur geschaffen und herausgebildet, erklärte Lobo. Dieses noch analoge Prinzip würde erst recht im digitalen Zeitalter gelten, wo die Menschen „es lieben, ihre Daten zu teilen“.

Manches davon geschehe im Hintergrund eines jeden Smartphones, das alle möglichen Verhaltensweisen seines Users speichere und an Werbefirmen verkaufe. Aber auch vieles geschehe willentlich, wenn der smarte User seine persönlichen Daten auf virtuellen Plattformen preisgebe bis hin zu seinen Geschlechtskrankheiten, wie eine App in den USA, damit sich der Nutzer schneller und unkomplizierter mit einem neuen Partner treffen kann, den er gerade auf Tinder gefunden hat. In Schweden gebe es jetzt eine App, mit der Frauen jederzeit ihre Temperatur messen könnten, um den Zeitpunkt des Eisprungs festzustellen. „Diese Verhütung funktioniert genauso sicher wie die Anti-Baby-Pille“, so Lobo.

KI kann ganze Geschäftsmodelle von heute auf morgen auslöschen

Diese Entwicklung ist so rasant, dass sie ganze Geschäftsmodelle von heute auf morgen auslöschen könnte, erklärte Lobo. So dachten vor 20 Jahren noch die Hersteller von Digitalkameras, sie würden für die Zukunft ausgesorgt haben. Doch kurz darauf hätten die Handys diese Vorstellung zunichte gemacht und die Kamera-Konzerne teilweise in den Ruin getrieben. Das könnte auch der Finanzbranche drohen.

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In China gebe es eine App, die zunächst nur ein Chatprogramm gewesen sei, dann aber auf alle möglichen Bereiche ausgeweitet wurde und inzwischen eine Bank beinhalte. Diese könnte nun mittels KI abgesicherte Kreditzusagen innerhalb von 30 Sekunden berechnen, weil sie bereits Millionen von Daten von den Antragstellern gespeichert und verarbeitet hat, die über die Kreditwürdigkeit Aussagekraft besitzen.

KI sollte ein Unterrichtsfach bereits in der Grundschule sein – wie in China

In China sei schon seit fünf Jahren KI ein reguläres Unterrichtsfach in den Grundschulen, berichtete Lobo. Das müsste dringend auch hierzulande in den Bildungshäusern eingeführt werden, forderte er. Denn „das Gelingen der KI-Transformation in Deutschland ist in erster Linie eine Aus-, Fort- und Weiterbildungsfrage.“ Ansonsten würde der Wohlstand hierzulande nicht mehr lange zu halten sein, warnt der Digitalexperte. „Deutschland hat da noch einiges aufzuholen.“

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