Prisdorf/Tornesch. Radfahrer waren bisher verpflichtet, den Radweg entlang der Landesstraße 107 zwischen Prisdorf und Tornesch zu nutzen. Diese Radwegebenutzungspflicht hat die Verkehrsbehörde des Kreises nun aufgehoben. Am Dienstag wurden an der fünf Kilometer langen Stecke zwischen Peiner Hag und der Kreuzung mit der Landesstraße 110 die entsprechenden Verkehrsschilder von Mitarbeitern des Landesbetriebes Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV) an 25 Einmündungsbereichen ausgetauscht. Abgestimmt wurde die Aktion mit der Stadt Tornesch und dem Amt Pinnau für die Gemeinde Prisdorf und mit der Polizeidirektion Bad Segeberg. Schleswig-Holstein-weit ist es die erste Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht an einer Landesstraße.
„Wir prüfen seit einiger Zeit die Aufhebung von Radwegebenutzungspflichten“, sagt Holger Dresche vom Fachdienst Straßenbau und Verkehrssicherheit des Kreises. Das heißt, wenn die Nutzung von Radwegen aufgrund ihres schlechten Zustandes für Radfahrer zu gefährlich wird, können sie auch legal auf die Straße ausweichen. „Die Straßenverkehrsordnung sieht seit 1997 sogar vor, dass Radfahrer die Straße innerorts benutzen sollen.“ Er betont aber, dass der Geh- und Radweg weiterhin von Radfahrern benutzt werden darf.
Straße ist stark befahren
Nun ist die L 107 recht stark frequentiert. Dresche sieht darin keinen zwingenden Grund, die Radwegebenutzungspflicht aufrechtzuerhalten. „Der Schwerlastanteil liegt nur bei fünf Prozent“, sagt er. Zudem wurde vor einigen Jahren das Tempolimit von 70 auf 50 Kilometer pro Stunde gesenkt. Laut Messungen des Kreises wird die Geschwindigkeitsbegrenzung von den meisten Fahrern auch eingehalten.
Damit die Radfahrer trotz des starken Verkehrs auch sicher sind, soll in Tornesch zwischen der Einmündung Hasweg und dem Pinnauring beiderseits ein Radschutzstreifen aufgebracht werden. Allerdings sind die Markierungsarbeiten nur bei geeigneter Witterung und Temperaturen über zwölf Grad Celsius möglich und werden erst im zweiten Quartal des kommenden Jahres umgesetzt. Auf den anderen Straßenabschnitten ist die Anlage eines Schutzstreifens nicht zulässig, weil die Straßenbreite dafür nicht ausreicht, so Dresche. Denn beim Überholen gilt ein gesetzlicher Mindestabstand von anderthalb Metern. So breit müsste auch der Radstreifen sein.
LBV saniert maroden Radweg frühestens 2023
Dafür dürfen Radfahrer aber die rechtsseitigen Gehwege – soweit vorhanden – mitbenutzen. Dies wird durch ein Zusatzzeichen zum Verkehrsschild „Gehweg“ signalisiert. Auf der Strecke Richtung Tornesch, wo rechts kein Gehweg vorhanden ist und die Straße sehr schmal ist (insbesondere im Bereich des Bahnüberganges), dürfen Radfahrer auch links den Gehweg mitbenutzen. Sie müsse allerdings darauf achten, dass Fußgänger Vorrang haben.
Das eigentliche Problem bleibt allerdings noch etwas länger bestehen: Der marode Geh- und Radweg wird aller Voraussicht nach wohl nicht vor 2023 saniert werden. „Im Maßnahmenkatalog bis 2022 des LBV ist die Sanierung nicht vorgesehen“, sagt Björn Schwarzenberg, Leiter der Autobahn- und Straßenmeisterei Elmshorn. Der Grund: Losgelöste Radwegesanierungen verursachen überproportional hohe Kosten. Deswegen kommt laut LBV eine Sanierung des Radweges nur infrage, wenn auch die komplette L 107 in diesem Bereich saniert werden müsste. Das ist aber in naher Zukunft nicht geplant.
„Der Kreistag hat im Juni ein Radverkehrskonzept für den Kreis Pinneberg verabschiedet“, sagt Projektleiterin Birgit Schucht. Das Büro Argus Stadt und Verkehr aus Hamburg war von der Kreisverwaltung beauftragt worden, die Radwege anhand unterschiedlicher Kriterien zu bewerten. Eingeflossen in die Bewertung war auch eine Online-Beteiligung mit mehr als 4000 Mängelmeldungen. „Danach fiel der Radweg an der L 107 in die Kategorie Rot, er gilt also als stark sanierungsbedürftig.“ Die Einflussmöglichkeiten des Kreises sind auf den Streckenabschnitten begrenzt, an denen das Land für die Sanierung zuständig ist.
Prisdorfer Kinder- und Jugendbeirat übt Kritik
Der marode Radweg, der auch von Schulkindern genutzt wird, beschäftigt auch schon länger die kommunale Politik. Das Thema stand schon in verschiedenen Ausschüssen auf der Tagesordnung. Zuletzt hatte Daniel Kölbl, CDU-Vorsitzender in Tornesch, in einem offenen Brief an Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) erneut die kurzfristige Sanierung des Radweges gefordert. Nach seinem Willen soll diese aus Mitteln des vierten Nachtragshaushaltes zur Bewältigung der Corona-Pandemie finanziert werden (wir berichteten).
Auch der Kinder- und Jugendbeirat der Gemeinde Prisdorf kritisiert die neue Regelung: „Kindern ab zehn Jahren bietet man an, die Straße als sichere Alternative nutzen zu dürfen. Auf der L 107 ist das Tempolimit bei 50 km/h und kein ausreichender Platz, wie der Kreis auch festgestellt hat, da kein Radschutzstreifen auf der überwiegenden Strecke installiert werden darf. Durch die Anordnung des Kreises Pinneberg werden die Kinder- und Jugendlichen auf dem Weg zur Schule hochgradig gefährdet.“ Zudem müssten Radfahrer auf halben Weg die Straßenseite wechseln - ohne Ampel.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Pinneberg