Kreis Pinneberg/Itzehoe. Das Coronavirus hat auch die Justiz erreicht. Aufgrund eines Verdachtsfalls befinden sich viele Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Itzehoe in Quarantäne, sodass fast alle Gerichtstermine ausfallen. Das Landgericht Itzehoe hat für diese Woche zudem die Termine der Schwurgerichtskammer abgesetzt, weil eine Richterin in einem Risikogebiet Urlaub gemacht hat.
„Unsere Mitarbeiter befinden sich im Homeoffice und können einen eingeschränkten Dienstbetrieb aufrechterhalten“, sagt Peter Müller-Rakow, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe. Die Behörde mit Sitz am Feldschmiedekamp in Itzehoe hat 120 Mitarbeiter, darunter 40 Dezernenten, Staatsanwälte und Amtsanwälte.
Eine Staatsanwältin, die Urlaub in einer inzwischen als Risikogebiet eingestuften Region gemacht und im Anschluss bereits mehrere Tage gearbeitet hat, weist Corona-typische Symptome auf. In der Familie soll es auch bereits einen bestätigten Fall geben. Daher befindet sich nun offenbar ein Großteil der Anklagevertreter in Isolation. Ihr Amtssitz ist für den Publikumsverkehr geschlossen, die Teilnahme eines Staatsanwalts an den Gerichtsverhandlungen erfolgt zurzeit nicht mehr. Die Strafverfolgung und -vollstreckung, das betont Müller-Rakow, liege jedoch nicht brach.
Fristen müssen bei Prozessen eingehalten werden
Aufgrund der Einschränkungen bei der Staatsanwaltschaft fallen an den Amtsgerichten in Pinneberg und Elmshorn alle Strafprozesse aus. Laut Müller-Rakow sollen Termine, die Haftsachen betreffen, möglichst stattfinden können. „Wir setzen dafür Staatsanwälte ein, die jetzt aus dem Urlaub zurückkehren und sich nicht in einem Risikogebiet aufgehalten haben“, so der Oberstaatsanwalt.
Auf diese Weise sollen auch laufende Prozesse gerettet werden, die laut den Vorschriften der Strafprozessordnung (Paragraf 229) ganz bestimmten Fristen unterliegen. So dürfen zwischen zwei Prozesstagen maximal drei Wochen liegen. Eine Ausnahme gibt es lediglich, wenn bereits zehn Verhandlungstage erfolgt sind. Dann ist eine Unterbrechung für einen Monat möglich. Sind bereits zehn Prozesstage absolviert, darf im Ausnahmefall auch für zwei Monate pausiert werden, wenn ein nicht ersetzbarer Verfahrensbeteiligter erkrankt oder wegen Mutterschutz oder Elternzeit ausfällt.
Ein Beispiel: der Fall Olaf P. (55) aus Tornesch. Er steht seit dem 20. Februar vor dem Landgericht Itzehoe, weil er am 21. August 2019 in seinem Haus am Neuendeicher Weg seine Stieftochter Nina T. (36) ermordet und enthauptet hat. Der Angeklagte hat dies während des Verfahrens vor der Schwurgerichtskammer, das bisher drei Prozesstage in Anspruch genommen hat, auch detailliert gestanden.
Am heutigen Dienstag sowie am morgigen Mittwoch waren die Prozesstage vier und fünf angesetzt. Die fallen jedoch aus. So hatte eine Richterin Anfang März eine Woche Urlaub in einem Gebiet gemacht, dass inzwischen als Risikogebiet gilt. Als Folge gilt eine zweiwöchige freiwillige Isolation. In der vorigen Woche, als dieses Risikogebiet noch nicht als solches bestand, hatte die Juristin wieder gearbeitet. Krankheitssymptome hat sie nicht, dennoch wird die Richterin diese Woche von zu Hause aus arbeiten.
Im Extremfall müssten Prozess von vorn beginnen
In der kommenden Woche sind die beiden letzten Prozesstage im Mordfall Nina T. angesetzt. Stand jetzt sollen sie stattfinden. „Die Lage ändert sich aber ständig“, so Gerichtssprecher Nils Meppen. Sicher ist, dass die bisher anwesende Staatsanwältin Maxi Wantzen diese Termine nicht wird wahrnehmen können.
Hinzu kommt das Problem, dass die Vorsitzende Richterin Isabel Hildebrandt eigentlich am 1. April an den Staatsschutzsenat des Hamburger Oberlandesgericht wechselt. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte das Verfahren eigentlich abgeschlossen, der Tornescher Olaf P. verurteilt sein. Während Staatsanwälte oder auch Verteidiger während eines Verfahrens ausgetauscht werden können, gilt dies für Richter nicht. Berufsrichter und auch Schöffen müssen von der ersten bis zur letzten Minute des Verfahrens anwesend sein.
Im Falle, dass etwa Schöffen längerfristig geplante Urlaube anmelden oder Richter vor Versetzungen stehen, werden Ergänzungsschöffen beziehungsweise Ergänzungsrichter benannt, die von Beginn des Verfahrens an an allen Sitzungen teilnehmen und später bei Bedarf an Stelle der ausscheidenden Richter treten. Das ist im Mordprozess Olaf P. jedoch nicht geschehen. Im Extremfall müsste der Prozess, wenn die genannten Regularien nicht eingehalten werden können, zu einem späteren Zeitpunkt komplett von vorne beginnen.
Auch Amtsgerichte in Pinneberg und Elmshorn dicht
Vor verschlossenen Türen stehen die Besucher derzeit vor den Amtsgerichten Pinneberg und Elmshorn sowie vor dem Landgericht Itzehoe. Die Gebäude sind außer für die wenigen noch stattfindenden Gerichtstermine für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Es wird darum gebeten, Anträge oder sonstige Eingaben nur noch per Post einzureichen. Das gilt nicht nur für Gerichtssachen, sondern auch für das Handelsregister und das Grundbuchamt.
„Ich möchte, dass wir in unserem Landgerichtsbezirk alle vorgesehenen Maßnahmen konsequent umsetzen und damit zu deren Erfolg beitragen“, sagt dazu Landgerichtspräsident Bernhard Flor. Der Schutz der Allgemeinheit habe oberste Priorität. Er rät allen Zeugen sowie Prozessbeteiligten, sich vor den angesetzten Terminen bei Gericht zu erkundigen, ob diese auch stattfinden.
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