Die Barmstedter Galerie III zeigt Portraits des Malers Alessandro Serafini. In seinen Bildern verwandelt er Frauengesichter in Seelenlandschaften

Barmstedt. Auf den ersten Blick wirken sie fast wie schöne Schwestern, die überlebensgroßen Frauengesichter, die der Maler Alessandro Serafini auf seinen Bildern großformatig in Öl und Mischtechnik in Szene setzt. Volle, geschwungene Lippen unter schmalen, geraden Nasen, die Stirn faltenfrei, der Blick aus einer dunklen Iris irgendwo zwischen grün, braun und blau faszinieren in ihrer vollendet proportionierten Ästhetik. Die 14 Portraits, die Serafini vom 3. Mai an unter dem Motto „Das Gesicht im Licht“ in der Galerie III auf der Barmstedter Schlossinsel zeigt, sind auf Anhieb hinreißend – aber für den flüchtigen Betrachter eben auch ziemlich ähnlich.

Ihre spezielle Magie entwickeln die Arbeiten des 1961 in Rom geborenen und aufgewachsenen Malers, der mit seiner Frau und den beiden Töchtern im bayerischen Eichstätt lebt, beim zweiten Hinsehen. Wer den Blick nicht rechtzeitig von den Werken löst, verfällt der Sogwirkung der fiktiven Schönen – ähnlich wie sich die antiken Seefahrer der Sage nach vom Gesang der Sirenen betören ließen. Zum Glück wartet auf den neugierigen Betrachter in Barmstedt kein Schiffbruch mit Todesfolge, sondern eine interessante Erfahrung.

Perfekt jongliert Serafini mit Licht, Farbwirkung und Form, balanciert die klassischen Komponenten der Bildgestaltung bis ins Detail aus. Die gemalten Augen – sofern sie geöffnet sind – scheinen ein geheimnisvolles Eigenleben zu entwickeln, bis sich das Verhältnis von Realität und Kunst umkehrt. Betrachter und Betrachtete scheinen die Rollen zu tauschen. „Manchen Menschen ist das zu nah“, sagt Serafini in seinem quirligen Deutsch-Italienisch. Eine Freundin der Familie habe ihm einmal etwas verlegen gestanden, sie könne Serafinis Bilder nicht kaufen und aufhängen, obwohl sie sie großartig finde. Denn sie fühle sich regelrecht beobachtet, die Lebendigkeit der Augen auf den Leinwänden sei ihr unheimlich. „Ich war überhaupt nicht gekränkt, im Gegenteil, ich habe mich gefreut“, sagt der Maler. „Da wusste ich nämlich: Es ist gut geworden, es ist genau richtig.“

Die Maler des 15. Jahrhunderts beeinflussen Serafini. Alte Meister wie Antonello da Messina und Rogier van der Weyden sind seine Leitsterne. In ihrer gelassenen Ästhetik vor Hintergründen in fast nachtschwarzem Umbra oder goldstichigem Aquamarin könnten seine Motive moderne Nachfahrinnen der Frauen auf den Gemälden der Hochrenaissance sein. Trotzdem dreht Serafini die Uhr nicht zurück, im Gegenteil. Er bricht die Konventionen, indem er die Gesichter auf Ausschnitte reduziert, sie auf Überlebensgröße aufbläst, mal in extrem schmale Hoch- und ebenso flache Querformate zwängt. Objekte wie regenbogenbunte Fische, ein einsames Rotkehlchen oder die cremeweißen Perlen einer Halskette stehen in surrealem Gegensatz zu den Portraits. Da passt es ins Puzzle, dass Serafini keine realen Frauen abbildet, sondern ein anonymisiertes, idealisiertes Konzept von Weiblichkeit.

„Die Bilder sollen wie ruhige Seelenlandschaften sein“, sagt Serafini. Auch deshalb, wegen des Panoramacharakters, wähle er die großen Formate. Gemalt und gezeichnet hat er schon immer. Anfangs am liebsten mit dem Kugelschreiber. „Der Bleistift war mir zu weich, den kann man immer wieder ausradieren“, sagt er. „Mit dem Kugelschreiber ist es ein bisschen wie bei einer Radierung. Man darf keinen Fehler machen.“ Seine ersten Aufträge bekam er mit 16, noch als Schüler der Kunstakademie seiner Heimatstadt Rom. Er illustrierte Bücher, portraitierte Menschen für Plakate, bevor die Computertechnik das grafische Gewerbe grundlegend veränderte. „Das hat mich nicht interessiert, das war mir zu steril“, sagt Serafini. Er wandte sich endgültig der Malerei zu.

Federleichte, fast transparente Landschaften waren ab 1986 sein favorisiertes Motiv, daraus entwickelten sich allmählich Menschengruppen und schließlich die für ihn typischen Gesichter. „Das Licht ist sehr wichtig, mich faszinieren Schattierungen und Plastizität. Und ich lerne immer weiter.“

Das Licht kommt mal von oben, mal von der Seite, niemals von unten – „das ist nicht gut“ – und sitzt immer perfekt. „Das Licht ist in meinen Bildern schon drin“, sagt der Italiener. „Ich male für ganz normale Menschen, die nicht in Sälen, sondern eher in Reihenhäusern wohnen. Die Bilder brauchen keine Extra-Beleuchtung, die wirken auch in schattigen Nischen zwischen Schrank und Tür.“

Ob seine zeitlose, harmonische Ästhetik den Beifall der kritischen Avantgarde findet, ist Serafini egal. Zum einen könne man ohnehin nie allen gefallen. Zum anderen distanziere er sich bewusst von der akademischen, „offiziellen“ Kunst, wie sie auf internationalen Messen wie der documenta oder den großen Biennalen gefeiert werde. „Das ist oft Provokation, Manipulation, Demagogie. Das will Unzufriedenheit vermitteln, das ist Trend. Das ist nicht mein Ziel, ich bin nicht Trend.“