Fußball-Allrounder

Jugoslawien, HSV, Kaltenkirchen: Der Weg des Sven Tepsic

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Arne Bachmann
Fußball-Allrounder Sven Tepsic hat seinen Vertrag bei Fetihspor Kaltenkirchen bis Sommer 2024 verlängert.

Fußball-Allrounder Sven Tepsic hat seinen Vertrag bei Fetihspor Kaltenkirchen bis Sommer 2024 verlängert.

Foto: Thomas Maibom

Der Fetihspor-Trainer ist nicht nur in der Verbandsliga unterwegs, sondern auch als Berater und Scout. Wie es dazu kam.

Kaltenkirchen.  Er wurde in Hamburg geboren, spielte Fußball in der Hansestadt und in Schleswig-Holstein, er trainiert Fetihspor Kaltenkirchen und arbeitet unter anderem für den Hamburger SV – keine Frage, Sven Tepsic ist in Norddeutschland fest verankert. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte der 41-Jährige allerdings in einer anderen Welt.

Tepsic wuchs auf dem Bauernhof seiner Großeltern im damaligen Jugoslawien auf. Die Eltern arbeiteten in Deutschland mit dem Plan, eines Tages in die Heimat und zum Sohn zurückzukehren, es war ein übliches Modell bei jugoslawischen Gastarbeitern. Doch es kam anders.

Fußball-Allrounder: „Als die Panzer vor dem Haus rollten, war es Zeit zu gehen“

„Als die Panzer vor dem Haus rollten, war es Zeit zu gehen“, erinnert sich Tepsic an das Ende seiner Zeit im heutigen Kroatien. Der junge Sven war zehn Jahre alt, als er nach Hamburg zu seinen Eltern zog. Deutsch sprach er nicht, aber das änderte er schnell, aus eigenem Antrieb.

„Ich war morgens immer eine Stunde früher in der Schule und habe mit einer Lehrerin Deutsch geübt“, erzählt Tepsic, der auch abends nicht mit dem Lernen aufhörte. Er legte sich ein Lexikon neben das Bett und suchte vor dem Schlafen wahllos fünf Begriffe heraus, um seinen Wortschatz zu erweitern. Längst spricht er die Sprache tadellos, ist studierter Diplom-Betriebswirt und betreibt seine eigene Reinigungsfirma.

Laufbahn beginnt auf dem großelterlichen Bauernhof

Ansonsten drehte sich bei ihm seit jeher alles um das runde Leder, wenn auch zunächst unter rudimentären Bedingungen. Auf dem großelterlichen Bauernhof begann seine Fußballerlaufbahn wortwörtlich mit Schüssen auf das geöffnete Scheunentor, an den Ball kann er sich noch genau erinnern: zerlöchert und flau, aber stylisch, weiß mit blauen Punkten.

Vater Tepsic war derweil beim SV Lurup als Co-Trainer eingestiegen. Früher kickte er in der höchsten Liga Bosniens. Als sein Sohn nachzog, nahm er ihn in die Jugendmannschaft auf. Es dauerte nur ein paar Jahre, bis einer der Juniorentrainer das Talent erkannte und ihn beim HSV vorschlug. Ein Probetraining später trug Sven Tepsic die Raute auf der Brust, kickte für die C-Junioren.

Sven Tepsic kickt für Oberliga-Clubs und dänischen Zweitligisten

Mit der Profikarriere wurde es zwar nichts, trotzdem kann er auf eine bewegte Sportlerlaufbahn zurückblicken. Tepsic spielte für mehrere Oberliga-Vereine, unter anderem beim VfL Pinneberg, Altona 93, für die zweite Mannschaft des FC St. Pauli – und 2008 sogar beim Dänischen Zweitligisten FC Hjørring. „Es war eine tolle Erfahrung“, sagt Tepsic, der in Skandinavien jedoch von einer langwierigen Schambeinentzündung ausgebremst wurde.

Es folgten noch einige Stationen im Hamburger Raum, der Übergang ins Trainergeschäft und schließlich der Wechsel nach Kaltenkirchen in die Verbandsliga. Dort will der Coach etwas aufbauen. „Wir sind gerade dabei, die Strukturen zu optimieren und werden im Sommer einen Umbruch machen, die Mannschaft verjüngen“, sagt er. „Es wäre schön, wenn Fetihspor mittelfristig in der Landesliga spielt.“

Fetihspor-Trainer hat Vertrag bis 30. Juni 2024 verlängert

Erst kürzlich hat der Trainer seinen Vertrag um ein weiteres Jahr bis Sommer 2024 verlängert. Doch Tepsic wäre nicht Tepsic, wenn das alles wäre. Er ist so etwas wie ein Fußball-Allrounder, verfolgt derzeit noch drei weitere spannende Projekte. So betreibt er seit Jahren seine eigene kleine Agentur als Spielerberater – auf die eigene Weise.

Talentierte Kicker auf Sportplätzen anzusprechen, genau das sei nicht seine Art, sagt er. „Es gibt Leute, die diesen Job in Verruf bringen. Ich will es seriös machen, setze nur auf Mundpropaganda.“ Unter anderem hat Tepsic den 20-jährigen Jason Ejesieme von Regionalligist Holstein Kiel II unter seinen Fittichen, er kennt ihn von klein auf.

Seit November 2022 ist Sven Tepsic Scout für Rot-Weiß Erfurt

„Ich berate ihn in allen Lebenslagen, zum Beispiel bei Behördensachen“, sagt Tepsic. „Ich hoffe natürlich, dass er Profi wird.“ Das große Geld für den Berater wird aber eher nicht herausspringen. „Bis dahin ist es ein weiter Weg.“

Die Arbeit mit seiner Agentur hat Tepsic zuletzt etwas zurückgefahren. Denn da sind ja noch zwei andere Jobs: Für die HSV-Fußballschule arbeitet er, wenn Camps in Dänemark veranstaltet werden. Und seit vergangenem November ist er im norddeutschen Raum als Scout tätig – für den Regionalligaclub Rot-Weiß Erfurt, der aktuell auf Drittliga-Kurs ist.

Der 41-Jährige ist umtriebig, strukturiert und zuverlässig

Der Kontakt nach Thüringen kam über Erfurts Investor und Sportchef Franz Gerber zustande, ehemaliger Spieler und Trainer bei den Traditionsclubs FC St. Pauli und Hannover 96.

Nun beobachtet Sven Tepsic für den ostdeutschen Traditionsverein regelmäßig Spieler in der Regionalliga Nord. Wer ihn am Wochenende anruft, erwischt ihn so gut wie immer auf irgendeinem Sportplatz. Tepsic ist umtriebig, strukturiert, zuverlässig, er beschreibt sich selbst als einen typischen Deutschen.

Fußball-Allrounder: Jugendjahre in Jugoslawien immer im Herzen

Die Jahre im damaligen Jugoslawien aber trägt er immer in seinem Herzen. Ein ganz anderes Leben sei das gewesen, hart aber intensiv, viel Zeit mit Freunden in der Natur, wenig materieller Besitz.

„Vor dem Krieg“, sagt er, „hat man nie gefragt, ob jemand Serbe oder Bosnier, Moslem oder orthodox ist. Doch auf einmal haben sich Nachbarn gehasst, die vorher zusammen Spanferkel gegessen und Sliwowitz getrunken haben. Es ist traurig, wie es sich entwickelt hat.“

Und doch möchte er seine Kindheit nicht missen. „Es war eine wunderschöne Zeit“, sagt Sven Tepsic. „Meinen Großeltern bin ich sehr dankbar, sie haben mir Werte wie Ehrlichkeit und Respekt vermittelt, was mir bis heute sehr wichtig ist.“

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