Norderstedt

„Endlich laufe ich Treppe hoch, ohne außer Atem zu sein“

| Lesedauer: 8 Minuten
Burkhard Fuchs
Ex-Innenminister Schleswig-Holsteins und Ex-Oberbürgermeister Norderstedts: Hans-Joachim Grote ist 55 Kilo leichter.

Ex-Innenminister Schleswig-Holsteins und Ex-Oberbürgermeister Norderstedts: Hans-Joachim Grote ist 55 Kilo leichter.

Foto: Burkhard Fuchs

Ex-Innenminister Hans-Joachim Grote hat 55 Kilo abgespeckt. Wie er das schaffte und welche Sorgen um Norderstedt ihn umtreiben.

Norderstedt. 
  • Hans-Joachim Grote, ehemaliger Oberbürgermeister von Norderstedt und Ex-Innenminister Schleswig-Holsteins, hat 55 Kilogramm abgenommen
  • Der 68-Jährige hat seine Ernährung komplett umgestellt und treibt viel Sport
  • Aus seiner Sicht muss sich die zukünftige Verwaltungsspitze insbesondere um die wirtschaftliche Entwicklung von Norderstedt kümmern

Rank und schlank ist er geworden, der ehemalige Oberbürgermeister von Norderstedt und Ex-Innenminister des Landes Schleswig-Holstein. Wer Hans-Joachim Grote in jüngster Zeit gesehen hat, vermag ihn kaum wiederzuerkennen. „Mir geht‘s bestens“, sagt der 68-Jährige ganz entspannt und fügt hinzu: „Fast besser als je zuvor.“ Sage und schreibe 55 Kilogramm habe er in knapp zwei Jahren abgenommen, sagt Grote. Im November 2021 habe er noch 143 Kilogramm gewogen, nun sind es 88 Kilo.

So viel habe er zuletzt Anfang der 1990er-Jahre auf die Waage gebracht, sagt Grote. Das war noch bevor er nach Norderstedt kam, wo er seit 1995 zunächst Erster Stadtrat und Baudezernent, dann ab 1998 Bürgermeister und von 2005 bis 2017 Oberbürgermeister gewesen ist. „Endlich kann ich eine Treppe hochlaufen, ohne gleich außer Atem zu geraten.“ Früher hätte er zu den unmöglichsten Tagesrandzeiten noch den Kühlschrank geplündert. Damit ist es nun vorbei.

Ex-Innenminister Grote: „Ich esse meinen Teller nie vollständig auf!“

Eine komplette Ernährungsumstellung, Sport und viel Bewegung seien sein Erfolgsrezept, erklärt Grote. So habe er sich zum Prinzip gesetzt, seine Mahlzeiten nicht mehr vollständig aufzuessen, sondern immer etwa ein Fünftel auf dem Teller liegenzulassen. Er fahre viel Fahrrad, auch auf dem Hometrainer, und spiele regelmäßig Golf. „Da läuft man auch viereinhalb Stunden über den Platz.“

Die ersten Kilos seien schnell verschwunden. „Der Erfolg hat angespornt“, sagt Grote. Später purzelten sie langsamer. Aber auch eine Knie-OP, die ihm bevorstehe, machte eine erhebliche Gewichtsreduktion nötig, erklärt Grote. Bereits zweimal sei er am Meniskus operiert worden. Auch sein Arzt habe ihm zur Gewichtsreduktion geraten. Das seien Einschnitte, die einem das Leben nicht leichter machten, sagt Grote. Aber sein Wohlbefinden habe sich dadurch erheblich gesteigert.

Jetzt startet Grote wieder durch und engagiert sich für Norderstedt

Und so kann Grote wieder voll durchstarten in gleich mehreren Ehrenämtern. So ist er seit zwei Jahren Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (WKS) des Kreises Segeberg. Und neuerdings gehört er auch dem Kontrollgremium der Norderstedter Entwicklungsgesellschaft (EGNO) an, deren Vorsitzender der Gesellschafterversammlung er qua Amt als OB viele Jahre gewesen ist.

In dieser Doppelfunktion hat Grote eine Botschaft an den oder die künftige Oberbürgermeisterin sowie die Stadtväter und –mütter. Sie sollten unbedingt an die zukünftige Entwicklung Norderstedts denken, was insbesondere die Wirtschaft betrifft. Da sei zum einen die Fehmarnbeltquerung, die bis 2029 realisiert werden soll.

„Was passiert mit dem Lkw-Verkehr aus Dänemark, wenn die Fahrzeuge dann in zehn Minuten durch den Tunnel fahren können?“, fragt Grote. Er geht davon aus, dass der Hauptlastverkehr überwiegend über Lübeck und die A1 abgewickelt werde. Auf einen Schlag könnte Norderstedt seine Lagegunst verlieren, warnt Grote. Die Kommunen entlang der A7, die bisher von dieser guten Verkehrsanbindung profitierten, könnten plötzlich abgehängt werden.

Norderstedt könnte seine Lage-Gunst verlieren

Das betreffe das Wirtschaftsbündnis Nordgate in seinem Kern, das Grote selbst vor knapp 20 Jahren mit den Bürgermeistern von Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen, Bad Bramstedt, Quickborn und Neumünster geschmiedet hat. Dadurch war ein gemeinsamer Wirtschaftsraum entstanden, der zweitgrößte nach Kiel, der 250.000 Bewohner und 110.000 Beschäftigte umfasst. Nordgate betreibe in diesem Bündnis sehr erfolgreich eine gemeinsame Wirtschaftsförderung und weitsichtige, wenig eifersüchtige Ansiedlungspolitik, die die gesamte Region befruchtet habe.

Damit das auch in Zukunft so bleibe, sollte sich das Nordgate-Bündnis nach Osten bis weit in den Kreis Segeberg erweitern oder kooperieren, schlägt Grote vor. Nordgate und WKS könnten eine „Y-Verbindung“ bilden, die mit der A20 bei Bad Segeberg bis an die A1 heranreichte. Auf diese Weise ließen sich im größeren Verbund die wirtschaftlichen Interessen der Kommunen zwischen der A7 und der A1 besser wahren und lenken, ist Grote überzeugt. Norderstedt, Wahlstedt, Bad Segeberg und die anderen Nordgate-Kommunen würden so weiterhin für Gewerbeansiedlungen attraktiv bleiben. „Es muss nicht so kommen“, sagt Grote und warnt: „Aber wenn erst die Verkehre rollen, könnte es zu spät sein.“

Lösungen schnell anzugehen, sei eine Kernaufgabe der Verwaltungsspitze

Darum sollten Verwaltung und Politik gerade in Norderstedt, der größten Stadt im Kreis, sich rechtzeitig überlegen, welche Lösungen es für dieses Problem geben kann. Das sei Kernaufgabe des oder der künftigen Oberbürgermeisterin, fordert Grote.

Und er erwarte auch noch weitere strategische Visionen von der künftigen Verwaltungsspitze in seiner Wahlheimatstadt. So gebe die Landesregierung vor, dass bis 2030 nur noch 1,3 Hektar Land pro Tag versiegelt werden dürften. Das seien zwei Drittel weniger als heute mit 3,1 Hektar pro Tag. 2050 soll sogar gar keine freie Fläche mehr bebaut werden, heißt es vom Land. Somit müssten Schulen, Kindergärten, Häuser und neue Gewerbestandorte auf bereits bebauten Flächen entstehen. Das erfordere ein enormes Programm an Flächenrecycling, so Grote. 2030 sei nicht mehr weit weg. „Da müssen wir langsam in die Strümpfe kommen.“

Norderstedt brauche eine Strategie für den Fachkräftemangel

Erst recht gelte das für den enormen Fachkräftemangel, den immer mehr Branchen unmittelbar zu spüren bekämen, sagt Grote und nennt dazu Zahlen. Heute seien bundesweit etwa 12,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 55 und 65, die also in zehn Jahren in Rente gingen. Gleichzeitig aber gebe es nur etwa 8,5 Millionen Bundesbürger im Alter von 15 bis 25, die dann den Arbeitsmarkt auffüllten. Es werde also rein statistisch im nächsten Jahrzehnt eine Nachwuchslücke von vier Millionen entstehen, die nicht mehr im Erwerbsalter sein. Das dürfte nicht ohne negative Folgen für den Arbeitsmarkt sein, ist Grote überzeugt. Und davon wiederum hingen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer ab, die dann spärlicher fließen könnten.

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Auch dafür müssten die Kommunen möglichst bald Strategien entwickeln, rät Grote. Das vorhandene Arbeitskräftepotenzial sei ein ganz wichtiger Standortfaktor für eine Kommune. Der weitere Ausbau der Kindergärten könnte ein Lösungsansatz sein, um mehr Mütter in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wenn Firmen keine Mitarbeitenden mehr haben, zahlen sie auch keine Gewerbesteuer mehr.“

Grote: Norderstedt muss die Stadt der kurzen Wege werden

Für Grote reichen diese Überlegungen für eine auch in Zukunft florierende Wirtschaft in einer wachsenden Stadt wie Norderstedt in die Konzepte zur Mobilität hinein. Auch das erfordere aus seiner Sicht eine ganz neue Stadtplanung. Das Leitbild der autogerechten Stadt sei längst passé. Die Taktverbindungen für Bus und Bahn zu verringern, sei für ihn der falsche Ansatz.

Viel eher sollte darüber nachgedacht werden, wie künftig Wohnen, Einkaufen, Arbeiten und Dienstleistungen wieder enger zusammengelegt werden könnten. Dann müssten die Menschen nicht mehr so weite Strecken mit Auto, Bus oder Bahn zurücklegen. Die Zersiedelung könnte gestoppt werden. Große Städte wie Paris oder Leipzig gingen da bereits voran. „Wir müssen bereit sein, ganz anders zu denken und versuchen, eine Stadt der kurzen Wege zu werden.“

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