Norderstedt. In der Stadtbücherei Norderstedt-Mitte kann man im September und Oktober nicht nur Bücher ausleihen, sondern auch Tütchen mit Saatgut. Die Saatgutbibliothek in der Büchereifiliale an der Rathausallee hat ihre Türen wieder geöffnet und lädt alle Hobby-Gärtner dazu ein, Saatgut von Blumen, Kräutern, Obst und Gemüse miteinander zu tauschen. Das Projekt in Norderstedt zeigt, wie Bürgerinnen und Bürger mehr Vielfalt in den eigenen Garten und auf den Teller bringen können.
Saatgutbibliothek: Mitnehmen, einpflanzen, ernten – und neues Saatgut gewinnen
Die Idee hinter Saatgutbibliotheken ist denkbar einfach: Interessierte können dort kostenlos Saatgut mitnehmen, das sie dann im heimischen Beet, Gewächshaus oder in Töpfen auf ihrem Balkon aussäen. Dann heißt es: Abwarten, gießen, ernten und genießen. Ist die Saison vorüber, kann man aus einem Teil der Ernte wieder neues Saatgut gewinnen.
Dieses Saatgut wird dann zurück in die Bibliothek gebracht, damit sich auch im folgenden Gartenjahr wieder jemand an den ausgeliehenen Samen erfreuen kann.
Alte Blütensorten und ungewöhnlichere Gemüsesorten
Den Anfangsbestand der Saatgutbibliothek in Norderstedt – darunter Samen von Pastinaken und Mohnblumen – hat Initiatorin Jennifer Bergk auf Wildwiesen in Norderstedt selbst gesammelt. Dann kamen Spenden hinzu, und inzwischen sind auch schon Samen von Pflanzen, die im vergangenen Jahr ausgeliehen wurden, im Bestand.
Um das Angebot auszuweiten, hat die Bücherei außerdem Saatgut gekauft: „Ich habe dieses Jahr ein paar alte Blütensorten und ein paar ungewöhnlichere Gemüsesorten hinzugekauft“, erzählt Bergk, die das Projekt letztes Jahr angestoßen hatte.
Kreislauf: Erst nehmen und einpflanzen – dann selbst Saaten ernten und spenden
Das Saatgut wird in der Bücherei im April und Mai sowie im September und Oktober angeboten, sodass man die zweijährigen Pflanzen auch jetzt im Herbst einpflanzen kann. Stockrosen könne man beispielsweise auch im Winter aussäen. Bisher wird das Projekt gut angenommen: „Wir haben selten etwas übrig hinterher“, freut sich Bergk.
Jedoch käme nicht immer direkt etwas zurück, zum Beispiel, wenn die Pflanzen nichts werden, oder wenn man ein weiteres Jahr warten muss, um die Samen zu entnehmen. Die Projektinitiatorin hofft, dass auf die Dauer ein Kreislauf entsteht und nichts mehr dazugekauft werden müsse.
Gespendetes Saatgut sollte samenfest sein
Dabei ist ihr wichtig, dass kein Saatgut von Zucchini oder Kürbissen abgegeben wird, da selbstgezogene Varianten dieser Pflanzen giftig sein können. Wer Saatgut spendet, sollte außerdem darauf achten, dass es samenfest ist. Das bedeutet, dass die daraus wachsenden Pflanzen in der Lage sind, Samen zu produzieren, aus denen wieder neue Pflanzen wachsen, die dann die gleichen Eigenschaften wie die Elternpflanzen haben.
Bei sogenanntem Hybridsaatgut, das mit dem Zusatz „F1“ gekennzeichnet ist, ist das nicht der Fall.
Selbstversorgung, Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit fördern
Projekte wie das in Norderstedt werden seit einigen Jahren immer populärer. Ihr Ziel sei es, Selbstversorgung, Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit zu fördern, erklärt Bergk. Sie wünscht sich, „dass die Leute es ausprobieren – das Saatgut mitnehmen, es anbauen und etwas essen, das sie sonst vielleicht nie probiert hätten“.
Saatgutbibliotheken dienen zusätzlich dem Austausch von Wissen über die Aussaat und Pflege der Pflanzen. Deshalb findet man auch in Norderstedt direkt neben den Tütchen mit Saatgut thematisch passende Bücher, die man dort ausleihen kann.
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Saatgutbibliotheken ermöglichen es Hobbygärtnern, Samen von alten Sorten miteinander zu tauschen
Oft stößt man in Saatgutbibliotheken auf alte und lokale Sorten. Jennifer Bergk weiß: „Der Vorteil ist, dass man die selber sammeln kann, und dass man keine invasiven Arten weiterverbreitet – das wollen wir gerne vermeiden.“ Gerade bei den Blumen liegt der Schwerpunkt in der Norderstedter Bibliothek auf den einheimischen Sorten. Alte Obst- oder Gemüsesorten gibt es dort bis jetzt noch nicht. „Das wäre aber schön und ist auch unser Ziel“, sagt die Bibliothekarin.
Lokale und alte Sorten sind oft besser an bestimmte Witterungsbedingungen angepasst und können weniger anfällig für bestimmte Krankheiten oder Schädlingsbefall sein. Zwar sind viele dieser Sorten aktuell für die kommerzielle Landwirtschaft nicht interessant. Trotzdem gilt ihr Erhalt als wichtig für die Ernährungssicherheit.
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