Norderstedt

Malerin (20) holt sich Norderstedter Kunstpreis „Trude“

| Lesedauer: 5 Minuten
Heike Linde-Lembke
Lilly Neugebauer (20) holte sich die „Norderstedter Trude“ und 750 Euro Preisgeld mit ihrem Bild eines Strandverkäufers in Italien.

Lilly Neugebauer (20) holte sich die „Norderstedter Trude“ und 750 Euro Preisgeld mit ihrem Bild eines Strandverkäufers in Italien.

Foto: Heike Linde-Lembke

Beim Open-Air-Atelier auf dem Rathausmarkt überraschte eine junge Künstlerin, die höchstens mit dem Nachwuchspreis rechnete.

Norderstedt.  Lilly Neugebauers Blick war enttäuscht, als am Sonnabend auf dem Rathausmarkt in Norderstedt die Nachwuchs-Preisträgerin des städtischen Kunstpreises „Norderstedter Trude“ verkündet wurde. Ihr Name fiel nicht, dabei hatte die angehende Kunststudentin so sehr darauf gehofft. Aber – ganz zum Schluss – fiel doch noch der Name Lilly Neugebauer, und ungläubiges Staunen brachte die eben noch traurigen Augen der jungen Künstlerin zum Leuchten – der 20-Jährigen wurde der große Preis verliehen und die „Norderstedter Trude 2023“ überreicht, dazu 750 Euro.

Kulturdezernentin und Stadträtin Katrin Schmieder überreichte Lilly Neugebauer die dazugehörige Trophäe, eine Kobold-Skulptur, entworfen von Künstler Fabian Ebert und entlehnt aus Theodor Storms Märchen „Die Regentrude“, die im Brunnen des Rathausmarktes steht und dem Kunstpreis der Stadt Norderstedt seinen Namen gibt.

Preisträgerin rechnete mit dem Nachwuchspreis

„Es war Pandemie, und wir fuhren nach Italien, dort wurde plötzlich alles viel leichter“, erinnert sich Lilly Neugebauer an die Inspiration zu ihrem Bild, das einen Strandverkäufer mit Schwimmringen aller Art zeigt. Die 20-jährige Hamburgerin titelte ihr Bild „Mit Leichtigkeit“, denn sie will die Schwere dieser Zeit von Nach-Corona, Ukraine-Krieg, Klimawandel und weiterer Krisen mit ihrer Kunst der heiteren Leichtigkeit brechen und Zuversicht bringen. „Andererseits hat das Bild auch einen bitteren Nachklang, denn der Mann verkauft Billig-Produkte, mit denen er nur wenig verdient, und lebt am Existenz-Minimum“, sagt Lilly Neugebauer.

Für die Jury um die Vorsitzende Katrin Schmieder und mit dem Grafiker und Cartoonisten Wolf Rüdiger Marunde, Galerist Jan Menssen, Malerin Anke Redeker, Ina Streichert von der Kulturstiftung und Romy Rölleke vom Stadtmuseum, war Neugebauers Arbeit die stärkste im Bewerberfeld. Eine Woche habe sie Zuhause an dem Bild gearbeitet, und es auf dem Rathausmarkt fertiggemalt. Denn eine Voraussetzung der Teilnahme am Kunstpreis „Norderstedter Trude“ ist das Arbeiten vor Ort, damit das Publikum den Teilnehmenden beim Arbeiten zuschauen kann. Das Preisgeld will Lilly Neugebauer in ihre künstlerische Zukunft investieren, etwa ihre Bewerbungsmappe für einen Studienplatz in Kunst.

Filigrane Skulpturen, bearbeitet mit der Kettensäge

Den zweiten Preis und 350 Euro erhielt eine Neu-Norderstedterin. Bruni Lemme überzeugte die Jury mit „ihrer bildnerischen Tradition des Machens und den verschiedenen Drucktechniken“ wie Jan Menssen als Laudator ausführte.

Bruni Lemme titelte ihr Bild „Bunte Mitte“ und erarbeitete ein vielschichtiges Motiv, in dem sie auch die Bronzefigur der Regentrude des Bildhauers Hans-Werner Könecke einbezog. „Freunde treffen sich auf dem Rathausmarkt in Norderstedt-Mitte, und ich möchte zeigen, wie bunt diese Mitte ist“, sagt Bruni Lemme, die seit 40 Jahren künstlerisch arbeitet.

Kunst entstand vor den Augen des Publikums auf dem Rathausmarkt

Den dritten Preis (250 Euro) holte sich Ragna Reusch. Wenn sie ihre Kettensäge anwirft, geht es veritablen Baumstämmen an die Rinde. Sie sägt sich aber kein Feuerholz. Sondern filigrane Figuren, die sie bunt bemalt mit roten Schuhen, weißen Kleidern mit blauen Punkten, orangefarbenen Haartupfern – eben bunte Menschen. Alle ein bisschen im Stil von Niki de Saint Phalle. Alle ein bisschen durchgedreht.

„Mein Thema ist die große Vielfalt der Menschen von Schwarz bis Weiß, die durchs Leben tanzen, eine Transfrau, ein farbiger Mann, ich will zeigen, das Norderstedt bunt ist“, sagt die Künstlerin aus Ahausen in Niedersachsen. „Ich war richtig aufgeregt, denn es war für mich ein Experiment, hier vor Ort zu arbeiten“, sagt die studierte Künstlerin.

Eine Giraffe – aus Müll

Eine, die über das Pflaster vor dem Rathaus rutschte, ist Anne Bracht aus Altona. Sie installierte mit farbigen Klebebändern eine temporäre Arbeit auf die Steine, mit deren Anordnung sie den Platz mit Wasser und Feuer in Verbindung bringen wollte. Dafür gab es den mit 350 Euro dotierten Sonderpreis.

Die Sonderpreisträger aus dem Jahr 2021, Bernhard Luther und Frank Rohde, bauten in diesem Jahr eine Mahnmal gegen die Verschmutzung der Meere auf. Eine Schildkröte namens Mona Lisa aus Schaumstoff und Hunderte von Kaffee-Kapseln, Joghurtbechern und Plastikflaschen aller Art bauten sie einer Giraffe gleich auf. Doch – sie gingen leer aus wie auch Marina Kaphengst und Bettina Renk, die die Figurengruppe des Bildhauers Thomas Behrendt auf dem Kreisel Berliner Allee reflektierten.

Norderstedter Trude: Nachwuchskünstlerin überzeugt Jury und Publikum

Den Nachwuchspreis, der zum ersten Mal aufgerufen wurde und mit 350 Euro dotiert ist, holte sich Samantha Morales bei Kulturamtsleiter Dieter Powitz ab. „An ihrem Stand herrschte unbändige Fröhlichkeit“, lobte Jury-Mitglied Ina Streichert. Diese Fröhlichkeit, mit der Samantha Morales die Corona-Pandemie thematisierte, faszinierte auch das Publikum, das von 10 bis 16 Uhr die Favoriten wählen konnte – und ihr den Publikumspreis verlieh. Das gab denn noch einmal 350 Euro für die Nachwuchskünstlerin.

Die „Norderstedter Trude – ein Kunstpreis für alle“ wurde 2021 vom Amt für Bildung und Kultur in Kooperation mit den beiden Künstlerinnen und Ideengeberinnen Gudrun Pöpperling und Anke Redeker ins Leben gerufen. Die nächste Preisverleihung ist 2025.

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