Kaltenkirchen. Wären die Zeiten normal, würden Ute Conrad-Lempfert und ihr Mann Bernd in Uniform in einem der Hamburger Musical-Theater oder in der Barclaycard-Arena stehen und Eintrittskarten kontrollieren. Seit Jahren arbeitet das Ehepaar aus Pinneberg für den Kaltenkirchener Sicherheitsdienst Pütz Security und schaut bei Konzerten und Musical-Aufführungen nach dem Rechten. Doch seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich ihr Arbeitsalltag geändert. Nicht mehr die Umgebung der großen Bühnen, sondern der Eingang von Supermärkten und Banken ist der neue Arbeitsplatz der Lempferts. Hier geht es nicht um Eintrittskarten und den richtigen Weg zum Sitzplatz, sondern um die Sicherheit von Kunden und Personal in Zeiten von Corona.
Pütz Security gehört zu den Arbeitgebern, deren Geschäft derzeit boomt. „Am Anfang der Corona-Krise hatten wir so viele Anfragen, dass wir gar nicht alle bedienen konnten“, sagt Lothar Bäßler, Bereichsleiter bei Pütz. Dutzende Auftraggeber, darunter viele Filialen von Rewe und Edeka, gehören zu seinen Kunden im Norden. Je nach Größe des Marktes stehen ein oder zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes am Eingang, achten auf die Maskenpflicht und sorgen dafür, dass nicht zu viele Kunden gleichzeitig in die Filiale gehen. Außerdem müssen sie die Griffe der Einkaufswagen, wenn die Auftraggeber das verlangen, desinfizieren.
Es gibt viele Quereinsteiger
Im Stuttgarter Raum, wo das Unternehmen ebenfalls vertreten ist, können es auch schon mal drei Mitarbeiter sein, die eingesetzt werden müssen. Dort ist bei Baumärkten der Ansturm besonders groß.
Bäßler und seine Kollegen können das Personal flexibel einsetzen und bewahren manche Mitarbeiter vor dem finanziellen Ruin. Dazu zählt beispielsweise ein freiberuflicher Grafikdesigner, der in seinem Beruf derzeit keine Einnahmen hat und jetzt bei Pütz einspringt. Auch Ingenieure und Handwerker sind dabei. Hauptsache, sie haben die Ausbildung für den Sicherheitsdienst absolviert. „Die Aufträge retten die Mitarbeiter und uns“, sagt Bäßler über die Jobs vor Supermärkten und Banken, die an die Stelle der Aufgaben bei Konzerten und Festivals getreten sind. In den Musicals und in der Barclaycard-Arena weiß niemand, wann der Betrieb wieder startet.
Die Lempferts haben durchgehend gute Erfahrungen mit ihrer neuen Aufgaben gemacht. Trotz Stress beim Schlangestehen haben sie bislang kaum mit aggressiven Kunden zu tun gehabt. „Die meisten Leute sind eher ratlos“, sagt Ute Conrad-Lempfert. „Denen macht die Isolation zu schaffen, die wollen reden.“ Und wenn es doch mal kriselt, weil jemand in der Warteschlange die Nerven verlieren könnte, setzen beide auf Kompetenzen, die sie gelernt haben: Kommunikation und Deeskalation. „Wir bleiben ruhig und souverän“, sagt Bernd Lempfert. Dabei helfen auch die Erfahrungen in den Theatern, berichten beide.
„Einen richtigen Krach haben wir noch nie gehabt“, sagt Bernd Lempfert. Nicht einmal mit den Besserwissern, die überall anzutreffen seien. Für den Notfall haben beide gelernt, sich zu verteidigen, doch das mussten sie noch nie.
Dass ein informatives Gespräch eine aufgeheizte Situation beruhigen kann, hat seine Frau immer wieder erlebt. In einem Fall habe sich eine Kunde über eine andere beschwert, weil sie keine Gesichtsmaske trage. Als sich dann herausstellte, dass die Frau wegen einer Erkrankung keine Maske tragen darf und das mit einem Attest belegen konnte, beruhigte sich die Situation. Die Kundin, die sich beschwert hatte, entschuldigte sich.
Mitarbeiter dürfen keine Angst haben
Angst vor Infektionen haben sie nicht, sagen beide. Sie tragen stets Masken und versuchen, Distanz zu den Personen zu halten. „Wenn ich mit Angst zur Arbeit gehe, bin ich in diesem Job falsch“, sagt Bernd Lempfert. Er ist 65 Jahre alt, hat als Servicetechniker und im Außendienst gearbeitet und könnte jetzt seine Rente genießen. Doch er hat Spaß an seinem Job bei Pütz. Seine 58-jährige Frau Ute stand bis vor zwei Jahren am Fließband und ging dann zu Pütz.
Auch sie ist froh darüber und freut sich über die neuen Erfahrungen, die sie vor den Supermärkten macht. Kunden bedankten sich bei ihr mit Süßigkeiten. Einer sagte: „Wir werden Sie hier vermissen.“
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