Kreis Segeberg. Im Vorbeifahren nahm er seine Opfer ins Visier, fiel über sie her und vergewaltigte sie. Danach erdrosselte der Serienmörder die Mädchen und jungen Frauen mit ihren eigenen Kleidungsstücken, legte die Leichen an entlegenen Orten ab, wo einige erst Monate später gefunden wurden. Fünf Sexualmorde hat der 64 Jahre alte Hans-Jürgen S. aus Henstedt-Ulzburg gestanden. Sein Anwalt Horst Schumacher ist nach eigenen Worten davon überzeugt, dass S. ein vollständiges Geständnis abgelegt und keine weitere Frauen auf dem Gewissen hat. Doch die Mordkommission in Kiel prüft, ob weitere Sexualmorde und andere Verbrechen auf das Konto des bärtigen kräftigen Maurers gehen, der gemeinsam mit seiner 90 Jahre alten Mutter in einem Reihenhaus lebte, treuer HSV-Fan ist und nach Angaben von Ermittlern ein geradezu "auffällig unauffälliges" Leben führte.
Die Spezialisten für "Operative Fallanalyse" des Landeskriminalamtes unterstützen die Mordkommission bei den Ermittlungen. Die Profiler suchen nach Übereinstimmungen bei den Verbrechen und versuchen bei der Analyse der Morde, Informationen über den Täter zu gewinnen. Außerdem wurden deutschlandweit alle Kripo-Dienststellen mit einer Prüfung beauftragt, ob Hans-Jürgen S. für bislang nicht aufgeklärte Taten in ihrer Region infrage kommt. Ferner versucht die Polizei nach Jahrzehnten, ein Bewegungsprofil des Serienmörders zu erstellen, um herauszufinden, wo er wann unterwegs war - privat und beruflich.
Hans-Jürgen S. hat folgende Taten zugegeben: Am 21. Juni vergewaltigte und tötete er in Harksheide die 22jährige Jutta M. Ihre Unterwäsche war zerrissen, ein Schuh lag neben der Leiche. Die 16 Jahre alte Renate B. aus Norderstedt fiel am 30. September 1969 ihrem Mörder als Anhalterin in die Hände. Kinder fanden ihre verweste Leiche im Mai 1970. Der Täter hatte Slip und Miederhose eingerissen. Ein Schuh lag auf der Leiche. Als am 4. September 1970 die teilskelettierte Leiche von Angela B. , 22, aus Hamburg-Langenhorn entdeckt wurde, waren ihre Schuhe verschwunden. Der Slip ist zerrissen Die junge Frau wurde am 31. Juli 1970 ermordet. Ein Spaziergänger entdeckt am 27. Mai 1973 die Leiche der 15-jährigen Ilse G. aus Norderstedt, die sieben Monate zuvor als vermisst gemeldet worden war. Ein Schuh lag neben der Toten. Die Hose sei "ruckartig heruntergerissen" worden, schrieb 1973 eine Sonderkommission der Kripo. Im Februar 1984 entführte Hans-Jürgen S. die 18 Jahre alte Anhalterin Gabriele S. , fuhr mit ihr in einen Wald nach Weddelbrook und erdrosselte sie mit ihrem Schal, nachdem er sich an ihr vergangen hatte.
1993 wurde S. zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er in Hamburg die Prostituierte Tülay S. , 22, vergewaltigt hatte.
Bei sechs weiteren ungeklärten Verbrechen an Mädchen und jungen Frauen im Großraum Hamburg sind auffällige Parallelen zu den Morden erkennbar, die S. gestanden hat. Auch in diesen Fällen hatte der Täter es offenbar auf die Schuhe der Opfer abgesehen.
Spaziergänger fanden am 4. Juni 1968 die Leiche der 22-jährigen Prostituierten Helga A. in einem Graben im Hamburger Stadtteil Eidelstedt. Der Täter hatte sie missbraucht und erdrosselt. Die Polizei fahndete nach einem Auto mit einem HSV-Wimpel. Zeugen hatten einen kräftigen Mann beobachtet, als die Frau in den VW-Kastenwagen gestiegen war.
Am 14. Mai 1969 meldeten Angehörige die 15 Jahre alte Ulrike B. als vermisst. Sie verschwand gegen 21.30 Uhr, als sie mit dem Fahrrad von Lüneburg zu ihrem Elternhaus nach Adendorf fuhr. Zwei Wochen später wurde ihre mit einem Stein beschwerte Leiche in der Elbe bei Drage entdeckt. Die Unterwäsche fehlte. Der Täter hatte die Bluse um den Hals des Mädchen gewickelt und sie vermutlich damit erdrosselt. Hose und Unterwäsche sind verschwunden.
Im Forst Klövensteen bei Schenefeld (Kreis Pinneberg) fanden Pilzsammler am 7. September 1970 die Aushilfskellnerin Elke M. Die 25 Jahre alte Mutter einer neun Jahre alten Tochter wurde erdrosselt und missbraucht. Ihre Schuhe liegen mehrere Kilometer entfernt auf einem Schrottplatz.
Bei einer Suchaktion in der Feldmark des Barsbütteler Ortsteils Stemwarde (Kreis Stormarn) entdeckte die Polizei am 22. Dezember 1970 die Leiche der 13 Jahre alte Schülerin Hannelore K. , die am Tag zuvor vermisst gemeldet worden war. Der Täter hatte den Unterleib des Mädchens entblößt. "Die Todesursache ist Ersticken durch Strangulation", so die Ermittler.
Am 24. Oktober 1972 fand die Hamburger Bereitschaftspolizei bei einer Übung im Sachsenwald bei Dassendorf (Kreis Herzogtum Lauenburg) die ermordete Monika F. , 14. Die Hose lag neben der skelettierten Leiche. Der Mörder hatte der Schülerin am Abend des 5. Juni 1972 aufgelauert, als sie nach dem Besuch bei einer Freundin mit Fahrrad von Dassendorf nach Hause in Richtung Brunsdorf fuhr. Der Vater des Mädchens hatte am Abend des Verschwindens ihre Schuhe und das Fahrrad in einem Straßengraben gefunden. Die Todesursache konnte die Kripo nicht mehr feststellen.
In unmittelbarer Nähe des Fundorts von Hannelore K. in Barsbüttel lag die Leiche der zehn Jahre alten Anche K. Das Mädchen war am 12. August 1979 nicht von einer Fahrradtour zurückgekehrt. Anche lag missbraucht und erschlagen unter einem Holzstapel. Ihre Schuhe lagen 300 Meter von der Leiche entfernt.
Hans-Jürgen S. hatte bei den Vernehmungen nach Polizeiangaben "vehement" bestritten, weitere Morde begangen zu haben. Dass Serientäter nur einen Teil ihrer Straftaten gestehen und andere bestreiten, ist für Kriminalisten jedoch nicht ungewöhnlich. Vor kurzem hatte die Polizei in Schleswig-Holstein einem dreifachen Prostituiertenmörder nach seinem Tod eine vierte Tat nachgewiesen, die er stets bestritten hatte. Vor der Aufklärung weiterer Verbrechen im Fall Hans-Jürgen S. hat für die Kripo jedoch Vorrang, die Fälle komplett und gerichtsfest zu bearbeiten, die der 64-Jährige gestanden hat. Bis zum Jahresende muss die Anklage gegen S. vorliegen, der in Untersuchungshaft einsitzt. "Wir wollen auch wissen, mit was für einem Menschen wir es zu tun haben", sagte ein Ermittler. Die Beamten sprechen ausführlich mit Zeugen, Freunden und der Familie des Henstedt-Ulzburgers. Außerdem soll bis Prozessbeginn das Gutachten eines Psychiaters vorliegen.
Sollte sich danach herausstellen, dass der 64-Jährige für weitere Verbrechen verantwortlich ist, würde er erneut vor Gericht stehen.
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