Norderstedt. Autofahrer kennen das: Rennradsportler, die mit Tempo 30 auf der Straße trainieren - ungeachtet der Fahrzeugkolonne, die sich hinter ihnen staut. Dass es da schon mal zu Aggressionen kommt, die sich in einem Hupkonzert entladen, sei daher verständlich, räumte Amtsrichter Reinhard Leendertz ein. Keinesfalls aber dürfe es zu körperlichen Attacken kommen, wie sie jetzt in dem Schöffenprozess verhandelt wurden.
Am 10. Juni 2006 gegen 15 Uhr soll Rentner Dieter L. (66) den Geschädigten Jens N. (29) so grob verkehrswidrig überholt haben, dass er ihn an den Kantstein drängte. Dabei verlor N. die Kontrolle über sein Rad, prallte mit dem Oberschenkel gegen den Mast eines Ortsschildes, überschlug sich und stürzte auf den Seitenstreifen, wo er mit multiplen Prellungen liegen blieb. "Das war eindeutig Absicht", empörte sich der Radfahrer im grauen Zwirn, dessen Rennrad dabei ziemlich beschädigt wurde. "Als ich den silbergrauen Kotflügel des Audi Kombi an meiner Wade sah, konnte ich noch im Fallen einen älteren Mann und eine Frau im Auto erkennen." Sein Freund Nicolai Z. (29), der hinter ihm fuhr, hatte sich sofort das Kennzeichen notiert.
Das alles will der Angeklagte nicht bemerkt haben, woraus sich auch seine Fahrerflucht erklären würde. "Meine Frau und ich waren auf dem Weg zum Golfklub Wulksfelde", sagte Dieter L. "Wir fahren diese Strecke oft, und immer sind da die Rennradler auf der Straße. Warum sollte ich also an diesem Tag anders reagieren als sonst auch?" Was seine Frau (57) bestätigte. Deshalb wunderten sie sich, dass sie ihren Audi-Kombi bei der Polizei vorführen sollten. Dort wurden jedoch keine Schäden festgestellt. Als genauer Beobachter erwies sich der Zeuge Nicolai Z. Noch im Gerichtssaal erregte er sich in Erinnerung an den Vorfall: "Wegen des Ortsschildes hätte alles viel dramatischer ausgehen können! Der wollte ihn einfach vom Rad holen - so sah es jedenfalls aus."
Die Staatsanwältin sah die beiden Tatvorwürfe bestätigt und forderte 18 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung sowie ein Fahrverbot von einem Jahr und sechs Monaten, während der Verteidiger auf Freispruch plädierte. Der Vorsitzende machte daraus eine Geldstrafe mit 70 Tagessätzen à 25 Euro. Auf seinen Führerschein braucht der gehbehinderte Dieter L. nur drei Monate zu verzichten.
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