Schleswig-Holstein: Plichtstundenerlass

Lehrer drohen mit Streik

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Ulf B. Christen

Regierung erhöht Arbeitszeit an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Nicht nur die GEW, auch der eher konservative Philologenverband attackiert Bildungsminister Klug (FDP).

Kiel. Die schwarz-gelbe Koalition in Schleswig-Holstein legt sich mit den Lehrern an. Die Pädagogen sollen nach den Sparplänen des Kieler Bildungsministeriums von diesem Sommer an mehr Unterricht geben und so teure Schulreformen mitfinanzieren. Der Philologenverband kündigte Proteste an, die Pädagogengewerkschaft GEW schloss Lehrerstreiks gegen die Mehrarbeit nicht aus.

Von dem neuen Pflichtstundenerlass wurden die Lehrerverbände kalt erwischt. Der Entwurf, der jetzt beraten wird und ab August gelten soll, trifft insbesondere die rund 5000 Gymnasiallehrer im Norden. Sie sollen künftig jede Woche eine Schulstunde mehr geben (25,5 statt 24,5). Auf längere Arbeitszeiten müssen sich auch viele Lehrer an Gemeinschafts- und Regionalschulen einstellen. Sie sollen einheitlich 27 Wochenstunden geben und damit eine Stunde mehr als einst versprochen.

Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) bemühte sich um Schadensbegrenzung. Er dankte den Lehrkräften für ihr großes Engagement und erinnerte an die leere Landeskasse. Zudem präsentierte er den Pädagogen ein klein Bonbon. Die "Altersermäßigung" (bisher eine Schulstunde ab 58 Jahren) wird ausgebaut. Künftig sollen Pädagogen bis zu drei Wochenstunden (ab 58, 60 und 63 Jahren) erlassen werden. Schleswig-Holstein ist damit spendabler als die meisten anderen Länder. In Hamburg gibt es eine Ermäßigung von zwei Stunden (ab 60 Jahre). Die Gesamtbilanz fällt für das Land gleichwohl positiv aus. Durch ihre Mehrarbeit "erwirtschaften" die Pädagogen etwa 600 Lehrerstellen, nur 150 Stellen kostet die Altersermäßigung. Die Sparaktion erbringt damit ungefähr die 450 Stellen, die Klug braucht, um seinen umstrittenen Teilausstieg aus dem Turbo-Abi (G 8) an den Gymnasien ohne Unterrichtseinbußen durchsetzen zu können.

Der Minister hätte die nötigen Lehrerstellen lieber anders finanziert, konnte sich damit aber in der schwarz-gelben Haushaltsstrukturkommission nicht durchsetzen. Leidtragender ist Klug. Der Minister, bisher ohne Fortune und klaren Kurs, muss sich auf eine Protestwelle einstellen.

"Der Erlass hat uns völlig überrascht", sagte der Vorsitzende des Philologenverbandes, Helmut Siegmon, dem Abendblatt. Der Verband werde gegen die Mehrarbeit protestieren. "Viele Kollegen unterrichten schon jetzt auf dem Zahnfleisch." Es könne nicht sein, dass das geplante Doppel-Angebot von Abi-Abschlüssen (G 8 und G 9) von den Lehrern finanziert werde.

Diese Kritik trifft Klug ins Mark. Der konservative Philologenverband, in dem insbesondere Gymnasiallehrer mitwirken, hatte bisher trotz aller Differenzen treu zu dem liberalen Minister gestanden. Die reformfreudige GEW rechnete derweil wie erwartet mit Klug ab. "Das Maß ist voll", sagte der GEW-Vorsitzende Matthias Heidn. "Wir werden in der Auseinandersetzung mit dem Bildungsminister zu härteren Bandagen greifen."

Heidn meinte damit nicht nur Demonstrationen. Er kann sich auch vorstellen, dass Lehrer und damit Beamte die Arbeit niederlegen. Die GEW will ihre Mitglieder befragen, ob sie bei einem Streik mitziehen. Nächste Woche dürfte sich der Konflikt verschärfen. Klug will dann den Entwurf für ein neues Schulgesetz vorstellen.