Tourismus im Norden

Wenn der 47 Jahre alte Karl auf Tour geht

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Eintrieb der Heidschnucken in Schneverdingen

Eintrieb der Heidschnucken in Schneverdingen

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Antje und Arne Soetebier präsentieren Touristen mit ihren historischen VW-Bullis die Schönheit der Lüneburger Heide.

Bispingen. Er ist viel leiser als gedacht. Dabei wäre es typisch für Karl, Jahrgang 1973, durch die Gegend zu rattern. Das liegt an seinem Alter. Mit 47 Jahren ist so ein VW-Bulli eben lauter als seine jüngeren Verwandten. Außer Karl. Denn der grün-blaue Bulli hat eine ex­trem gute Dämmung. Das hilft Antje Soetebier. Denn so kann sie sich während der Fahrt mit ihren Passagieren unterhalten und ihnen etwas über die Gegend erzählen. Antje und ihr Mann Arne bieten seit Anfang September Rundfahrten durch die Lüneburger Heide mit Karl und anderen alten VW-Bullis an – den Heide Bullis.

Es ist dieser Geruch, der sofort auffällt. Dieser typische Geruch – wie früher im alten VW-Käfer. Das liegt vielleicht an den Kunststoffsitzen, die in alten Autos damals verbaut worden sind. Die Armaturen von Karl sind übersichtlich, alles ohne technischen Schnickschnack. Normalerweise fährt Antje „Anni“ Soetebier einen Kleinwagen und dann auch noch Automatik. Bei Karl hat sie es mit einem Lenkrad ohne Servolenkung zu tun, Bremskraftverstärker? Hat Karl natürlich nicht. Weil der alte Bulli aber gut eingestellt ist, fährt er sich relativ leicht.

Eine Tour im VW T2 ist gemütlich – genießen statt rasen

Auf der Fahrt vom Hotel Stimbekhof in Oberhaverbeck nach Schneverdingen wird der gute alte Karl mit seinen 48 PS zwischendurch 80 Stundenkilometer langsam über die Landstraße fahren. Eine Tour im VW T2 ist gemütlich. Genießen statt rasen. Sorge, einen Unfall mit dem wertvollen Oldtimer zu bauen, hat Anni nicht. „Man darf keine Angst haben, aber Respekt. Denn ich habe eine große Verantwortung, wenn ich Menschen an Bord habe.“

Der Heidebulli auf Tour durch die Lüneburger Heide
Der Heidebulli auf Tour durch die Lüneburger Heide

Kurz nach der Abfahrt, fängt Anni an zu erzählen. „Karl wurde in Deutschland gebaut und ist auch in Deutschland geblieben.“ An Bord sind heute vier Passagiere. Ein Ehepaar aus Bad Oeynhausen, das eigentlich Urlaub in Kroatien geplant hatte und nun stattdessen die Lüneburger Heide entdeckt, und das Rentnerpaar aus dem thüringischen Gera, das immer schon einmal in die Heide wollte und nach zwei Tagen Wandern sich auf diese Weise eine Fahrt mit Chauffeur im Oldtimer gönnt.

In diesem Sommer kam Karl dann zu Antje und Arne Soetebier

Sich herumkutschieren zu lassen, das hat was, sagen die beiden. Während Karl also für Bulli-Verhältnisse leise über den Asphalt rollt, erzählt Anni weiter: „Karl wurde ab 1974 von einem Hamburger Lehrer gefahren. Der hat mit dem Bulli die Welt bereist und alles genau dokumentiert.“ Und weil der Lehrer dafür die hinteren Sitzbänke ausgebaut und gegen ein Bett getauscht hatte, sind die Sitze fast wie neu und gut gefedert. In diesem Sommer kam Karl dann zu Antje und Arne Soetebier.

Karl ist schon der vierte Bulli von Antje und Arne Soetebier. Bislang hatte Arne, der hauptberuflich bei der Lufthansa Technik arbeitet, Hochzeitspaare im alten Volkswagen T1 Oskar herumgefahren, bevor die beiden auf die Idee kamen, daraus Sightseeing-Touren zu entwickeln. Zur Flotte gehören neben Karl und Oskar noch Hilde und Frieda. Frieda ist der eigene Bulli von Anni, und Frieda war in ihrem früheren Leben ein Feuerwehrauto in Italien. Alle Bullis tragen als Andenken die Namen der Großeltern von Anni und Arne.

Im Bulli wird geplaudert und gelacht

Heute geht es für die Gäste des Stimbekhofes in Richtung Schneverdingen, vorbei an alten Baracken, die versteckt im Wald direkt an der Landstraße liegen. „1944/1945 war das hier die erste Anlaufstelle für Kriegsverwundete, die aus Hamburg hierher gebracht wurden“, weiß Anni.

Später wurde aus dem Genesungszentrum eine Außenstelle der Hamburger Endoklinik. Heute vergammeln die Gebäude. Anni berichtet auch von Wintermoor, dem nächsten kleinen Ort, durch den die Tour geht. „Hier waren im Krieg zwei Waggons gestrandet mit Menschen, die ins Konzentrationslager gebracht werden sollten. Die Einheimischen durften nicht dort hin, die Waggons wurden sechs Tage lang nicht geöffnet. Als man die Waggons schließlich öffnete, waren die meisten verstorben.“

Die Tour mit Karl dem Bulli erzählt aber nicht nur von traurigen Kriegsereignissen. Ganz im Gegenteil. Im Bulli wird geplaudert und gelacht. Alle freuen sich, in diesem besonderen Auto zu sitzen. Ein Stück weiter geht es raus zum Bei­nevertreten und zum Heidschnuckengucken.

Anni Soetebier teilt Begeisterung für die Lünburger Heide mit Gästen

Denn um 17 Uhr kommt jeden Tag der Schäfer mit seiner Heidschnuckenherde zum Stall zurück. Die 350 Tiere stürmen in ihren Stall vorbei an den Touristen. Endlich Feierabend. Morgen um 7 Uhr geht es wieder den ganzen Tag raus, um die Heide zu pflegen. Apropos Heide. Auch wenn die Blüte längst vorbei ist, kennt Anni einen Geheimspot, an dem die Pflanze immer blüht: Der Heidegarten in Schneverdingen. Die künstlich angelegte Anlage besteht aus verschiedenen Heidesorten. Eine davon blüht immer.

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Die Lüneburger Heide hat es Anni Soetebier einfach angetan und diese Begeisterung teilt sie gern mit ihren Gästen. Die 40-Jährige kommt ursprünglich aus der Hotellerie und lebt seit 15 Jahren mit Arne und ihrer 11-Jährigen Tochter in der Heide. „Diese Landschaft macht mir den Kopf frei“, sagt sie. „Nach einem stressigen Tag genieße ich hier einen Spaziergang und die Weite. Ich bin hier in einer ganz anderen Welt, fernab von Geräuschen und Autoverkehr.“ Nur das leise Dröhnen von Karl ist zu hören.

Infos: Heide Bulli bietet vier unterschiedliche Touren für jeweils max. 6 Personen an: von 2,5 bis vier Stunden. Die Touren heißen Heide-Himmel-Tour, die Heidschnuckentour, die Gin-Tour oder die Biergeflüster-Tour – basierend auf der Heidschnuckentour von Undeloh wieder nach Undeloh. Kosten: zwischen 55 und 79 Euro pro Person, www.heidebulli.de