Der Betrieb für Straßenbau und -unterhaltung stellt Warnschilder an den Kreisstraßen auf. Ein Fünftel des Kreises ist betroffen.

Bleckede. "In diesem Jahr ist der Eichenprozessionsspinner auf der linken Elbseite am aktivsten", sagt Robert Ruth, Leiter des kreiseigenen Betriebes für Straßenbau und -unterhaltung (SBU). Gut ein Fünftel des Landkreises sind laut Ruth betroffen. Im Gebiet um Bleckede, Dahlenburg und Göhrde seien neongelbe Schilder aufgestellt worden, die vor allergischen Reaktionen durch den Eichenprozessionsspinner warnten. Der SBU ist für befallene Gebiete an den Kreisstraßen zuständig. Dort gibt es viele Radwege.

Die Brut der Falter ist nicht nur für die Eichen gefährlich, sondern auch für den Menschen. "Die Raupen haben viele kleinen Nesselhärchen, die allergische Reaktionen auslösen können", erklärt Robert Ruth. Die treten in Form eines Hautausschlages auf.

Der Lüneburger Hautarzt Reinhard Knöll hatte bisher zwei Fälle in seiner Praxis. "In erster Linie muss man etwas gegen den Juckreiz tun. Die Betroffenen erhalten eine kortisonhaltige Salbe", sagt der 58-Jährige. Zusätzlich sei in der Creme ein Antibiotikum enthalten, damit es keine Infektionen an den aufgekratzten Stellen gebe. "Bei diesem Ausschlag muss man Geduld haben. Bis er ganz weg ist, kann es mehrere Wochen dauern", so Knöll.

Laut SBU-Leiter Robert Ruth beginne jetzt die Zeit in der sich die Raupen verpuppten. "Dann lassen sie ihr Haarkleid in den sogenannten Gespinstnestern zurück." Ruth rät davon ab, diese Nester näher zu untersuchen. Dadurch würden die feinen Härchen in die Luft gelangen und so auf die Haut oder die Kleidung. "Die Härchen sind mit kleinen Widerhaken ausgestattet, die können nur aus der Kleidung ausgewaschen werden", sagt Ruth.

Das Protein in den Härchen wird erst nach langer Zeit zerstört. "Die Haare können noch acht Jahre nach dem Auszug der Prozessionsspinner wirksam sein", sagt Frank Krüger von der nordwestdeutschen forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen.

"Trotzdem muss man das befallene Gebiet nicht komplett meiden", beruhigt SBU-Leiter Ruth, "man sollte sich dort nur nicht über Stunden aufhalten." In Süddeutschland taucht der Eichenprozessionsspinner schon seit Jahrzehnten immer wieder in Massen auf.

"Auch bei uns ist der Falter heimisch", sagt Forscher Frank Krüger, "doch eigentlich kommt er in einer so niedrigen Dichte vor, dass er nicht weiter auffällt." Er glaubt, die übermäßige Population habe im Jahr 2003 begonnen. "Da hatten wir einen langen, heißen und trockenen Sommer, das ist für Insekten meistens gut", sagt Krüger. Die harten Winter der vergangenen zwei Jahre hätten keinen Einfluss auf die Insekten. "Der Eichenprozessionsspinner überwintert als Ei. Er übersteht sogar Spätfröste", sagt Frank Krüger. An der Göttinger Versuchsanstalt hätten die Forscher Raupen nach dem Schlupf eingefroren, die seien nach dem Auftauen putzmunter gewesen. "Diese Insekten verfügen über eine Art Frostschutzmittel", sagt er.

Die Eier des Nachtfalters werden in lichten Ästen oder Zweigen der Eichen abgelegt. "Zur Tarnung legt die Mutter noch einige Hinterleibsschuppen über ihr Gelege, dann ist es fast unsichtbar", sagt Frank Krüger. Genau das macht es den Mitarbeitern von Robert Ruth so schwer, frühzeitig etwas gegen den Schädling zu unternehmen. "Es gibt ein Mittel gegen die Raupen, einen biologisch abbaubaren Bazillus. Aber der muss in einem frühen Entwicklungsstadium gegen Ende April aufgebracht werden", sagt Ruth. Im letzten Jahr sei das in Zusammenarbeit mit Gemeinden und dem Land großflächig mit Hubschraubern geschehen. 40 000 Euro hat das allein den Betrieb für Straßenbau und -unterhaltung gekostet. "In diesem Jahr haben wir in Abstimmung mit der forstlichen Versuchsanstalt darauf verzichtet", sagt Ruth. Die Gespräche fürs nächste Frühjahr laufen bereits.

Dabei hat der Eichenprozessionsspinner durchaus natürliche Feinde. Dazu zählen der Laufkäfer und einige Schlupfwespenarten. "Das Problem von diesen Fressfeinden ist allerdings, dass sie sich abhängig von ihrer Beute entwickeln und darum immer hinterherhinken", sagt Krüger. Die Population der Fressfeinde könne sich nur über Jahre hinweg ähnlich stark aufbauen, wie die der Schädlinge.

Die führen nicht nur zu Allergien beim Menschen, sondern greifen über einen längeren Zeitraum auch die Bäume an. "Das Problem ist, dass diese Raupen so lange fressen", sagt Krüger. Von Mitte April bis Mitte Juli seien die Raupen aktiv. Andere Arten würden sich bereits Ende Mai verpuppen. Die Raupen des Eichenprozessionsspinners fressen die jungen Triebe des Baumes. Die Konsequenz ist, dass der Baum nicht mehr wächst. Außerdem ist die Gefahr groß, dass sich Sekundärschädlinge wie Bockkäfer ins Holz setzten.

Im jetzige Entwicklungsstadium können die Gespinstnester und mit ihnen die Raupen nur abgesaugt werden. Das macht der SBU allerdings nur, wenn eine Eiche bei einem Kindergarten oder in einem Wohngebiet befallen ist. " So eine Aktion kostet 5000 Euro pro Woche und in dieser Zeit schaffen die Trupps nur 20 Bäume", erklärt Robert Ruth. Er hofft jetzt, dass die Population wieder sinkt. "Mit diesen Schädlingen ist es wie mit eine Sinuskurve. Alle drei bis fünf Jahre bricht die Population zusammen und baut sich dann wieder auf", sagt der Lüneburger SBU-Chef.