Pflicht ab 2026

Projekt Ganztagsschule: Zahlen am Ende die Eltern die Zeche?

| Lesedauer: 6 Minuten
André Herbst
Der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Habersaat (l.) informiert seine Lauenburger Genossen Immo Braune und Martin Scharnweber über die jüngsten Entwicklungen zum Thema Ganztagsschule.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Habersaat (l.) informiert seine Lauenburger Genossen Immo Braune und Martin Scharnweber über die jüngsten Entwicklungen zum Thema Ganztagsschule.

Foto: Privat / bgz

Land und Bund tragen bis zu 85 Prozent der Kosten. Unklar ist jedoch die Basis. Geld für bessere Betreuung ist nicht im Fördertopf.

Lauenburg. Vom Schuljahr 2026/2027 an sollen Grundschulen in Deutschland eine Ganztagsbetreuung für die jüngsten Kinder anbieten. Das Land Schleswig-Holstein hat jüngst angekündigt, sich mit 85 Prozent der Investitionskosten und Dreiviertel der Betriebskosten zu beteiligen. Doch auf welcher Basis ist unklar. Vor Ort, in Kommunen, bei den Eltern wie auch in der Landtagsopposition wächst das Unbehagen: Der Verweis auf die Anrechnung der Elternbeiträge lässt Befürchtungen wachsen, dass es am Ende die Familien sind, die über wachsende Betreuungskostendie Zeche zahlen werden.

Müssen Eltern für Ganztagsschule draufzahlen?

„Die Betreuung soll erst in gut zwei Jahren Pflicht werden, doch ich soll jetzt schon das Doppelte zahlen“: Die alleinerziehende, berufstätige Mutter einer Achtjährigen vermutet einen Zusammenhang. Doch sie liegt falsch. Wie sich die Beiträge von 2026 an entwickeln werden, vermag derzeit vor Ort niemand zu sagen – nicht in Lauenburg, noch anderswo.

Die für 2024 geplante Anhebung stehe nicht mit künftigen, sondern mit den aktuellen Zahlen im Zusammenhang, betont Frederike Betge, zuständige Fachamtsleiterin im Lauenburger Rathaus. „Die Kosten für eine Betreuung an fünf Tagen sollen 2024 von 33,33 Euro im Monat auf 70 Euro angehoben werden.“ Auch nach der Anhebung ist die Stadt von einer Kostendeckung weit entfernt. „Lauenburg kostet jeder Ganztagsplatz derzeit rund 150 Euro im Monat“, so Betge.

Verdoppelte Beiträge schon vor Start 2026

Der Bund hat angekündigt, den Ländern für den „quantitativen und qualitativen Ausbau ganztägiger Betreuung“ Finanzhilfen von insgesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. 750 Millionen Euro „Beschleunigungsmittel“ für den Intrastrukturausbau wurden bereits vergeben.

Insgesamt sollen von den Bundesmitteln gut 144 Millionen Euro an Schleswig-Holstein fließen. Das Geld könne das Land bei Bedarf um 52,5 Millionen Euro „aus Mitteln des Infrastrukturfonds Schule, Klimaschutz und Mobilität“ aufstocken, heißt es dazu im Entwurf der „Richtlinie Basismittel Ganztag“ aus Kiel.

144 Millionen Euro vom Bund für Schleswig-Holstein

Die genannten Summen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie kaum die Kosten decken werden. Bildungsministerien Karin Prien (CDU) hatte im Landtag die Einigung zwischen Land und Kommunen erläutert und erklärt, dass Kiel die notwendigen Investitionen zu 85 Prozent trage, die Betriebskosten zu 75 Prozent.

Während Parteifreunde der Ministerin das große Engagement des Landes lobten, folgte kurze Zeit später in vielen Städten und Gemeinden die Ernüchterung. Die Hilfe soll auf 5170 Euro je Platz gedeckelt werden. „Nach Aussage der Kommunen war eine solche Obergrenze aber nicht verhandelt worden, sie macht auch keinen Sinn, weil neue Räume für diesen Betrag nicht gebaut werden können“, kritisiert Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Werden aktuelle Baukosten zugrunde gelegt, würde die gedeckelte Summe tatsächlich für kaum drei Quadratmeter Neubaufläche je Kind reichen.

Kostendeckel: Kaum drei Quadratmeter je Kind

Wer zunächst gehofft hatte, mit der Neuregelung werde eine finanzielle Entlastung der Eltern oder eine bessere personelle Ausstattung der Ganztagsbetreuung ermöglicht, ahnt inzwischen, dass die Bäume keinesfalls in den Himmel wachsen. Die Finanzierung einer Personalausstattung, wie sie in der Hortbetreuung üblich ist, ist nicht das Ziel.

Die Betriebskosten sollen nach Abzug der Elternbeiträge zwischen Land (75 %) und Kommunen (25 %) geteilt werden, so die Ministerin. Basis: Es müsse der Rechtsanspruch erfüllt werden und die Plätze auch besetzt sein. Tage später dann die Nachricht aus dem Ministerium, als nächstes müsse verhandelt werden, welche Betriebskosten denn anerkannt werden.

Bleibt Kommunen nur, weiter an Gebührenschraube zu drehen?

Habersaat: „Es ist also mitnichten so, dass eine Kommune sich für einen Ganztag mit Fachkräften entscheiden könnte und dann 75 Prozent der Kosten vom Land erstattet bekommen würde.“ Aus Sicht von Kritikern droht damit wachsender Druck auf die Schulträger im Land, also auf Gemeinden, Städte und Kreise, weiter an der Gebührenschraube zu drehen.

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In Lauenburgs SPD-Fraktionen, der Habersaat seine Sicht auf die aktuelle Entwicklung erläutert hat, herrscht Ernüchterung: „Neben ausreichender finanzieller Unterstützung bräuchten die Kommunen auch mal Hinweise vom Land, wie es sich die Räume für den Ganztag vorstellt, welches Personal dort arbeiten soll und in welchem Maße Lehrkräfte eingebunden werden“, kritisiert der Fraktionschef. Immo Braune ist, wie auch Habersaat, selbst Lehrer.

Schon 250 Kinder in der Ganztagsbetreuung

Sie kenne bislang weder neue Details zu Raumanforderungen noch zu dem Personal für die Ganztagsbetreuung an Grundschulen, bestätigt Frederike Betge. Etwa 250 Kinder sind an Lauenburgs Schulen bereits in der Ganztagsbetreuung, nur noch 15 können eine verbliebene Hortgruppe an der Weingartenschule besuchen. „Eine Ganztagsbetreuung auf Hortniveau mit entsprechend qualifizierten Personal nach dem Kindertagesstättengesetz wird auch künftig von keiner Seite finanziert werden.“

SPD: „Verwahrung statt pädagogischer Betreuung“

Was Frederike Betge als Einbindung von Sportvereinen und Institutionen wertet, stößt bei Habersaat auf deutliche Kritik: „Bleibt das so, wie es den Anschein hat, reden wir in der Ganztagsbetreuung weiterhin eher von Verwahrung als von pädagogischer Betreuung.“

Frederike Betge sieht sich in anderer Hinsicht in der Zwickmühle. Die Fördermittel von Bund und Land sollen nur zusätzlich zu Geld von Städten und Gemeinden fließen, dürfen dieses nicht ersetzen. Doch abwarten, ob Lauenburg Geld für den Schulbau erhält, ist auch keine wirkliche Option. Betge: „Der Ausbau der Weingartenschule braucht Zeit und Planungen – so eine Schulerweiterung fällt ja nicht auf einmal vom Himmel.“