Lauenburg/Büchen. Umbauten und energetische Gebäudesanierung stehen derzeit bei vielen Hausbesitzern hoch im Kurs. Dabei setzen sich besonders Heimwerker einer großen Gefahr aus. Wo überall krebserregendes Asbest verbaut sein kann, ahnen nur wenige. Wer weiß schon, dass außer in Klassikern wie Decken- und Feuerschutzplatten sowie in Dacheindeckungen und Fassadenschutz, etwa der Firma Eternit, auch in manchen Spachtelmassen, vielen Fliesenklebern, in Spritzbeton ja selbst in manchem unverdächtig erscheinenden Putz für Wände die spitzen Fasern schlummern? Eingeatmet können sie verschiedene Arten von Krebs auslösen, nicht nur in der Lunge.
Asbest in Altbauten: Bis zu 48.000 Wohnungen im Kreis Herzogtum belastet?
In vielen Häusern tickt weitgehend unbemerkt eine Zeitbombe: Nach Analyse des Pestel-Instituts (Hannover) im Auftrag der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sind potenziell allein im Kreis Herzogtum Lauenburg fast 30.000 Gebäude mit gut 48.000 Wohnungen betroffen. Eine Forderung der IG BAU: Umfassende Informationen für Hand- und Heimwerker sowie ein Förderprogramm Asbestsanierung.
Eine noch im Sommer von der IG BAU geforderte Abwrackprämie für mehr als neun Millionen Asbesthäuser ist angesichts der Finanznot von Bund und Ländern hochgradig unrealistisch. Zudem umweltpolitisch höchst umstritten.
Sanierungswelle: IG BAU fordert Schadstoff-Gebäudepass
Als ersten Schritt verlangt die Gewerkschaft die Einführung eines verpflichtenden Schadstoff-Gebäudepasses nach französischem Vorbild. Ohne Wissen um die Gefahren drohe in Deutschland in den kommenden zwei Jahrzehnten eine Asbestwelle riesigen Ausmaßes: „Um die Klimaschutzziele zu erreichen, wird auch im Herzogtum Lauenburg in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten angefasst“, warnt Achim Bartels, Bezirksvorsitzender der IG BAU.
Dabei werde es in vielen Fällen nicht bei einer reinen Energiespar-Sanierung bleiben: „Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut. Und es wird angebaut und aufgestockt, um mehr Wohnraum zu bekommen.“
Vier Asbest-Jahrzehnte haben Spuren hinterlassen
In vier „Asbest-Jahrzehnten“ seien im Herzogtum rund 50 Prozent aller Wohngebäude, die es heute im Kreis gibt, neu gebaut worden, sagt Bartels. „Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft.“
Den Handwerkern seien solche Gefahren klar, ist Susanne Bendfeldt, Geschäftsführerin der Kreishandwerkskammer überzeugt. Schon in der Ausbildung wird in den verschiedenen Gewerken darauf hingewiesen. Ganz anders die Situation von Heimwerkern.
Auch in historischen Gebäuden schlummern Gefahren
Selbst wer in historischen Gebäuden lebt, darf sich nicht sicher sein, dass sie komplett asbestfrei sind. Nicht mal in denkmalgeschützten alten Häusern wie etwa in der Lauenburger Altstadt. Die in den 1930er-Jahren entdeckten Vorzüge der Mineralfaser in Hinsicht auf Brandschutz haben dazu geführt, dass in der Vergangenheit asbesthaltige Baumaterialien auch zur Altbausanierung zum Einsatz kamen.
Wer ohne entsprechenden Atemschutz und Schutzkleidung arbeitet, etwa weil er die Gefahr nicht erkennt oder aus Unachtsamkeit, steigert die Wahrscheinlichkeit, später an Asbestose zu erkranken. Das heimtückische: Bis zum Ausbruch von Lungen-, Kehlkopf- oder auch Bauchfell-Krebs können bis zu 30 Jahren vergehen.
Krebserkrankung droht noch nach 30 Jahren
Der lange Zeitraum war einer der Gründe, warum erkrankte Bauarbeiter teils erfolglos blieben, teils erst nach langwierigen juristischen Auseinandersetzungen durchsetzen konnten, dass ihre Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt wurden. Eine Folge: Viele starben an Krebs, bevor Gerichte über Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente entschieden.
Das Asbestverbot in den 1990er-Jahren zeigt Wirkung. Die Erkrankungen in der Baubranche seien seitdem „deutlich zurückgegangen“, betont Markus Räth, Kreishandwerksmeister im Herzogtum Lauenburg. „Hinzu kommt, dass wir Handwerker über die Gefahren seit Jahrzehnten informiert sind.“
Asbestgefahren, wo sie kaum jemand vermutet
Während etwa Elektriker, Installateure oder Trockenbauer um die Gefahren wissen, ahnen viele Heimwerker nicht, wie sehr sie ihrer Gesundheit schaden. Wenn sie etwa mit einer Trennscheibe einen Kabelkanal für Lautsprecher in die Wand schneiden, Schalter versetzen, alten Putz glätten oder Jahrzehnte alte Fliesen abklopfen. Und den frei werdenden Staub samt Asbest einatmen. Oder etwa ohne Schutzvorkehrungen alte Fenster mit schadstoffbelastetem Lack oder Lasur abschleifen.
Ein Gebäude-Schadstoffpass, der nur auf Asbest abzielt, greift aus Sicht von Markus Räth daher zu kurz. „Daneben sollten dann auch etwa PCB, Formaldehyd und Blei aufgenommen werden“, so der Dachdeckermeister aus Büchen. Tatsächlich bleibe Asbest für Heimwerker jedoch eine oft unerkannte Gefahrenquelle: „Wer von ihnen weiß schon, dass auch in alter Dachpappe Asbest enthalten sein kann?“
Betriebe setzen für Entsorgung auf Profis
Muss für Umbauten oder energetische Sanierungen asbesthaltiges Baumaterial entsorgt werden, „gilt für Betriebe eine Anzeigepflicht bei staatlichen Arbeitsschutzbehörden wie der Unfallkasse Nord“, erläutert Räth. In aller Regel übernehmen zertifizierte Fachfirmen die Asbestsanierung unter besonders hohen Schutzauflagen. Diese hätten das Know-how, wie mit den Baumaterialien umzugehen ist. Räth: Alte Dachpappe könnte in der Müllverbrennung thermisch verwertet werden, „aber natürlich nicht, wenn sie Asbest enthält“.
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Die Faser wurde auch als preisgünstige Möglichkeit genutzt, den Dachbelag stabiler zu machen. Asbest ist umso gefährlicher, je schwächer es mit dem jeweiligen Baustoff verbunden ist. Das gilt besonders für Spritzbeton, wie er häufig verarbeitet wurde, um etwa Aufzugsschächte auszukleiden oder Wanddurchbrüche feuerfest zu verschließen.
Schulsanierung: Hamburg macht es vor
Ende des 20. Jahrhunderts hat die Hansestadt Hamburg mit hohem Aufwand die Asbest-Erfassung und Sanierung in Schulen in Angriff genommen. Im Fokus: Die besonders hohen Gefahren durch Spritzasbest und andere schwach gebundene Asbestbaustoffe, etwa Deckenplatten.
Im Herzogtum Lauenburg sind die Schulen nicht in Trägerschaft des Landes und in der Regel auch nicht des Kreises. „Bei welchen Schulen Asbest verbaut sein könnte, „können am ehesten sicher die Schulträger beantworten“, erläutert Kreissprecher Tobias Frohnert.
Schulträger sollen wissen, wo Asbestgefahr lauert
Vor Umbaumaßnahmen an den kreiseigenen Schulen BBZ Mölln und den Förderzentren Hachedeschule (Geesthacht) und Steinfeldschule (Mölln) würden entsprechend Untersuchungen erfolgen. Frohnert: „Im ehemaligen BBZ Geesthacht, jetzt Verwaltungszentrum Süd, haben wir bei Untersuchungen im Rahmen der Umbauarbeiten Asbest gefunden und fachgerecht entfernen lassen.“
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