Lena Thiele. Das Theater Lüneburg bangt um seine Existenz, ein Defizit von rund einer Million Euro erfordert schmerzhafte Kürzungen – sonst droht die Insolvenz. Um das Haus noch zu retten, liegen nun drei mögliche Szenarien auf dem Tisch. So könnte das Orchester verkleinert oder ganz gestrichen werden, auch der Wegfall des gesamten Musiktheaters steht zur Debatte. Doch wie konnte es soweit kommen?
Ein Blick auf die Zahlen der vergangenen sieben Jahre zeigt: Das Theater Lüneburg steht in vielen Bereichen vergleichsweise gut da, es gibt keine Anzeichen, dass hier über längere Zeit schlecht gewirtschaftet worden sei.
Theater Lüneburg muss sparen, trotz steigender Besucherzahlen
Auf diese Zahlen seit der Spielzeit 2016/2017 stützt sich das Beratungsunternehmen Actori aus München, das im Auftrag der Gesellschafter – Landkreis uns Stadt Lüneburg – die drei Szenarien zur Rettung des Theaters erarbeitet hat. Zur Einordnung des Lüneburger Hauses dienten die vier vergleichbaren kommunalen Theater in Bremerhaven, Gießen, Nordhausen/Sonderhausen und Pforzheim.
In seinen drei Sparten Schauspiel, Musiktheater und Tanz bietet das Theater Lünebug pro Spielzeit etwa 38 Inszenierungen. Die Gesamtauslastung lag in der Spielzeit 2018/2019 bei rund 81 Prozent. In den zwei Jahren vor der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Besucher um 3000 auf etwa 108.000.
Die Aufwendungen sinken, die Erträge jedoch noch stärker
Die Erlöse stiegen im selben Zeitraum um 6,9 Prozent pro Jahr. Die Aufwendung nahmen jährlich um 3,6 Prozent zu. Seit der Corona-Pandemie zeigt sich ein Rückgang der Aufwendungen um rund 1,6 Prozent pro Jahr, wobei die Erträge mit jährlich rund 3,4 Prozent deutlich stärker sinken. Beträge durch Spenden und Sponsoring fallen im Theater Lüneburg vergleichsweise hoch aus.
Beim Blick auf die Ausgaben stellten die Berater keine auffälligen Abweichungen in Lüneburg fest – außer beim Personal. Mit rund acht Millionen Euro machen die Personalkosten den mit Abstand größten Posten des Zehn-Millionen-Euro-Budgets aus. Von Überbesetzung findet sich hier allerdings keine Spur.
Theater Lüneburg beschäftigt wenig Personal im Vergleich zu anderen Häusern
In allen Bereichen, unter anderem im künstlerischen Bereich, in der Verwaltung und der Werkstatt, sind weniger Mitarbeiter beschäftigt als in den vergleichbaren Theatern. Besonders hoch ist die Abweichung mit jeweils mehr als 60 Prozent in den Werkstätten und beim Sologesang. Bei Chor, Technik, Verwaltung und Orchester sind es jeweils 40 bis 55 Prozent weniger Personal.
Das Theater finanziert sich zudem über einen außergewöhnlich hohen Anteil – aktuell sind es 28,5 Prozent – durch eigene Einnahmen. Die Umsatzerlöse liegen rund 55 Prozent über dem Durchschnitt der Vergleichstheater, der Anteil der Zuschüsse dagegen etwa 15 Prozent darunter.
Lüneburg hat das geringste Budget, doch die Kosten steigen
Und genau hier liegt ein zentrales Problem: Durch die geringen Zuschüsse liegen die Erträge am Ende rund 35 Prozent unter dem Durchschnitt, im Vergleich hat Lüneburg das geringste Gesamtbudget. Dies kollidiert mit steigenden Kosten vor allem im Personalbereich.
Das Theater Lüneburg ist in der Hand von Stadt und Landkreis Lüneburg, die als Gesellschafter knapp 25 Prozent (Stadt) beziehungsweise rund 75 Prozent (Landkreis) halten. Entsprechend tragen sie zur Finanzierung des Theaters bei. Zusätzlich ist das Theater von Zuschüssen des Landes Niedersachsen abhängig. Diese zweite Säule betrifft in erster Linie die Personalkosten.
Vereinbarung mit dem Land läuft zum Jahresende aus
Eine entsprechende Vereinbarung mit dem Land läuft Ende dieses Jahres aus. Sechs kommunale Theater haben sich deshalb zusammengeschlossen, um eine Verlängerung auszuhandeln. Doch die Verhandlungen laufen nicht gut. „Wir werden es leider nicht bis zum Jahresende schaffen“, sagte Landrat Jens Böther am Freitag bei der Vorstellung der Spar-Szenarien. „Das ist betrüblich.“
Denn die Lücke zwischen dem Zuschuss des Landes und dem Aufwand des Theaters werde immer größer, sagte Böther. In der laufenden Spielzeit beträgt das Defizit voraussichtlich 1,3 Millionen Euro, bis zur Spielzeit 2027/2028 werden es wohl 2,2 Millionen Euro pro Jahr sein.
Land trägt Tarifsteigerungen seit Jahren nur teilweise mit
Das größte Problem sind die regelmäßig steigenden Löhne der Theatermitarbeiter beziehungsweise deren unzureichende Refinanzierung. „Es quält uns seit Jahren, dass das Land die Tarifsteigerungen nicht mitträgt“, Hajo Fouquet, Intendant des Theaters. Obwohl das Land hier in der Pflicht sei, müsse der Landkreis die Steigerungen fast vollständig selbst übernehmen. „Würden wir diese Summen addieren, hätten wir heute ein Plus im Ergebnis.“
Fouquet sieht die Politik in der Verantwortung, diese Hängepartie zu beenden. „Nicht weil wir schlecht arbeiten, stehen wir heute finanziell so schlecht da. Sondern weil wir nicht erhalten, was uns zusteht. Aber jetzt ist die Spitze erreicht. Das Theater muss erhalten bleiben.“ Stadt, Landkreis und Land müssten zu einer Einigung kommen, um die Finanzierung verlässlich zu sichern.
Die verschiedenen Krisen machen dem Theater zu schaffen
Die Produktivität könne nicht mit den Kostensteigerungen mithalten, sagte auch Verwaltungsdirektorin Raphaela Weeke. Zwar habe man es bereits geschafft, die Effekte zu mildern. „Aber wir befinden uns in einer Zeit sich überlappender Krisen.“
Nun müsse es darum gehen, das Theater zukunftssicher aufzustellen. „Wir wollen einen gesunden Betrieb mit gesunden Mitarbeitern führen. Dafür brauchen wir konkrete Vorgaben.“
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Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch sieht ebenfalls das Land in der Pflicht, betont aber auch, dass die Sparmaßnahmen unumgänglich sind. „Diese prekäre Finanzsituation können wir nicht auf Dauer stemmen. Jetzt sind Entscheidungen gefragt.“ Nur so könne das Theater sicher für die Zukunft aufgestellt werden. Die Angelegenheit erfordere jedoch „Fingerspitzengefühl“, so Kalisch.
Zukunft des Theaters Lüneburg: Stadt und Landkreis entscheiden über Sparmaßnahmen
Der Beitrag der Hansestadt und des Landkreises wird bis zum Jahresende Thema in den Haushaltsverhandlungen sein. Sowohl der Kreistag als auch der Stadtrat müssen allerdings selbst mit einem gestiegenen Defizit haushalten.
Die Sparmaßnahmen an der Struktur des Theaters sind aller Voraussicht nach nicht mehr zu verhindern. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich entscheiden, in welcher Form das Theater in Zukunft weitermachen kann. Die Frage nach der langfristigen Finanzierung wird damit jedoch noch nicht erledigt sein.
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