Nordsee

Helgoland lernt von Neuseeland: Das sind die neuen Pläne

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Elisabeth Jessen
Die Hummerbuden prägen den ersten Eindruck von Helgoland. Der Tourismus soll jetzt nachhaltiger werden.

Die Hummerbuden prägen den ersten Eindruck von Helgoland. Der Tourismus soll jetzt nachhaltiger werden.

Foto: picture alliance / DUMONT Bildarchiv | Olaf Meinhardt

Der Tourismusdirektor setzt auf Segeln, Surfen und Stand-up-Paddling. Was die Hochseeinsel jetzt zu einem Ganzjahresziel machen soll.

Helgoland. Wer dieser Tage auf Helgoland ankommt, wird zwar nicht mehr von einem Begrüßungskomitee in Tracht mit Musik und Schokolade empfangen wie die allerersten Gäste nach dem Lockdown, aber trotzdem freuen sich die Insulaner über jeden Besucher, ob Tagesgast oder Urlauber. Endlich läuft der Tourismus wieder.

„Es war ein herzliches Willkommen“, sagt Stephan Hauke, der neue Tourismusdirektor der Hochseeinsel, in Erinnerung an den 17. Mai, als erstmals in diesem Jahr wieder Urlauber kommen durften. Schon das Weihnachts- und Silvestergeschäft war ausgefallen, auch Ostern war die Insel noch wie leergefegt, obwohl Helgoland über viele Monate coronafrei geblieben war. Trotzdem mussten die Bewohner alle Corona-Beschränkungen mittragen, die für Schleswig-Holstein galten. Während des monatelangen Lockdowns durften nur Dienstreisende mit einem Negativtest die Insel betreten.

Stephan Hauke traf Bürgermeister von Helgoland

Dass Stephan Hauke, der in Karlsruhe geboren und in Freiburg aufgewachsen ist (wo er mit Joachim Löw beim SC Freiburg in einer Fußballmannschaft war), auf Helgoland gelandet ist, hat auch ganz direkt mit der Pandemie zu tun. Der 63-Jährige, der bis zuletzt mehr als 30 Jahre in Neuseeland lebte, war im vergangenen Jahr beruflich gerade in Deutschland. „Ich wollte im Oktober wieder nach Hause fliegen“, sagt er, doch am Bodensee habe er Jörg Singer getroffen, den Bürgermeister von Helgoland.

Hauke ist seit vielen Jahren im Tourismusmanagement tätig ist und betreibt seit 1999 in Auckland die Unternehmensberatung Domino International Ltd. mit den Schwerpunkten Marketing und Branding, Strategie und Controlling sowie Personalwesen und Führungskraftentwicklung. 60 Prozent der Kunden kommen seinen Angaben zufolge aus dem Tourismusbereich.

„Ich kam ganz unbedarft auf Helgoland an“

Singer erbat daraufhin von Hauke nähere Informationen. Der musste noch kurz überlegen, welcher Insel er den Vorzug gibt, doch man sei sich schnell einig geworden, sagt Hauke. Seine Aufgabe: In beratender Funktion den Helgoländer Tourismus-Service fit für die Zukunft machen. Im November 2020 kam der 63-Jährige schließlich auf der Hochseeinsel an, die mit ihren 1500 Einwohnern so ganz anders ist als seine Wahlheimat Neuseeland mit seinen 4,9 Millionen Inselbewohnern.

„Ich kam ganz unbedarft auf Helgoland an“, erinnert er sich an seine ersten Tage und Wochen. „Was mich wirklich begeistert hat, dass jeder dort Hallo sagt.“ Inzwischen dauere sein Weg zum Bäcker eineinhalb Stunden, fast alle seien per Du auf der Insel. „Man sitzt auf der gleichen Insel, im gleichen Boot“, sagt Hauke, dessen drei erwachsene Kinder in Neuseeland aufgewachsen sind, aber mittlerweile alle in Deutschland leben.

Seit Juni ist Hauke neuer Tourismusdirektor

Sein Beratervertrag, der ursprünglich nur von November 2020 bis März 2021 lief, wurde schließlich bis Ende Mai verlängert, um die Nachfolge für seinen Vorgänger Lars Johannson zu regeln. 35 Bewerbungen habe es für die Stelle gegeben, sagt Hauke, tolle Leute seien da dabei gewesen. Sein Vorteil war: Er hatte die Insel und ihre Bewohner im Winter schon gut kennengelernt und offenbar für viel Vertrauen in seine Fähigkeiten gesorgt. „Ich hatte sozusagen ein sechsmonatiges Bewerbungsgespräch.“ Im Juni wählten ihn Tourismusausschuss und Gemeindevertretung einstimmig zum neuen Tourismusdirektor. Sein Vertrag läuft drei Jahre mit Option auf Verlängerung.

Seine große Erfahrung mit touristischen Destinationen, aber auch sein unbefangener Blick auf Helgoland, seien sein großer Vorteil, sagt Stephan Hauke. „Der Bürgermeister hat zu Beginn alle Informationen zurückgehalten, ich habe mir völlig unbedarft Einblick verschafft. Ich kenne ja die ganzen Vorgeschichten nicht und habe dann gefragt, warum es etwas nicht gibt.“

Insel an der Nordsee ideal für Wassersport

Der leidenschaftliche Segler stellte beispielsweise ganz schnell fest, dass die Insel mit der Nordsee drumrum zwar ideale Bedingungen für Wassersport bietet, aber diesen Standortvorteil überhaupt nicht nutzt. „Ich lebte in Neuseeland, habe da auch Segelkurse gegeben und dann komme ich auf eine Hochseeinsel und da ist nichts. Es gibt keine Segelschiffe, die Kinder in der Schule lernen nicht mehr, Optimist zu segeln, es gibt kein Windsurfen, kein Stand-Up-Paddling, kein Kajakfahren.

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Seine Schwerpunkte sind deshalb klar: „In den kommenden Jahren werde ich die Schwerpunkte auf eine leistungsstarke Ausrichtung des Helgoland Tourismus-Service, die Vernetzung der Partner und den besonderen Fokus auf Wassersport, gesunden und nachhaltigen Tourismus setzen.“

Quartiere auf Helgoland ausgebucht

So sei denkbar, Kurse für den Segelschein anzubieten. Durch die 60 Mitarbeiter des Tourismus-Service sei ein Ruck gegangen, sagt Hauke. „Wenn dieser Ruck auch durch die Politik geht, können wir viel bewirken.“ Klar sei nämlich, dass Politiker mit ihren Entscheidungen nicht nur für sich selbst etwas ändern können, sondern auch für ihre Enkel und Urenkel. Bürgermeister Singers Unterstützung ist ihm sicher: „Ich freue mich sehr, dass wir Stephan Hauke mit seinen langjährigen Erfahrungen in der Entwicklung von Tourismusorganisationen gewinnen konnten, den Kurs hin zu einer Ganzjahresdestination fortzusetzen.

Wer jetzt im Juli und August auf Helgoland ein Quartier sucht, muss schon viel Glück haben. „Wir sind ausgebucht“, sagt Hauke, aber durch die eine oder andere Absage in Pandemiezeiten sei ja doch manchmal etwas möglich. „Durch die nötigen Testungen werden doch einige abgeschreckt“, glaubt der Tourismusdirektor. Ein eigenes Testzentrum an den Landungsbrücken mache die nötigen Testungen für die Besucher der Insel aber recht unkompliziert. Helgoland bietet laut Hauke 2770 Gästebetten in Hotels, Ferienwohnungen und Pensionen sowie etwa 20 gastronomische Betriebe. Spontan essen zu gehen sei in diesen Wochen eher nicht ratsam. „Wenn die Insel voll ist, machen die Restaurants zwei bis drei Schichten“, sagt Hauke, zu reservieren sei von Vorteil.

Meeresausstellung Bluehouse eröffnet auf Helgoland

Wie die Gewerbetreibenden den Lockdown überstanden haben sei zurzeit noch nicht genau abzusehen. Es gebe zwar die eine oder andere freie Ladenfläche nach dem erneuten Lockdown, doch er wisse nicht von vielen Geschäftsaufgaben. Im vergangenen Jahr habe es etwa 60 Prozent weniger Ankünfte gegeben. „Für 2021 sind alle voller Hoffnung,“, sagt Hauke.

Noch für dieses Jahr ist der Start für das Bluehouse geplant, eine Meeresausstellung zum Erleben und Mitmachen. Das Gebäude entsteht an der Stelle des Aquariums, das wegen baulicher Mängel geschlossen werden musste. Dessen Abriss ist für das zweite Halbjahr 2021 vorgesehen, die Eröffnung des Bluehouse nach Angaben von Hauke für Frühjahr 2023. Das Kurmittelhaus soll ebenfalls saniert werden und danach Vier-Sterne-Qualität haben.

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