Religion

Debatte über das Wahlrecht bei der Nordkirche

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Edgar S. Hasse

Kirchenpolitischer Salon fordert eine basisnahe Mitbestimmung über Direktwahl. Bischöfe verteidigen das momentane Wahlrecht jedoch vehement.

Hamburg. Der frühere Präsident des Nordelbischen Kirchenamtes, Professor Klaus Blaschke, hat sich für eine Änderung des Wahlrechts in der neuen Nordkirche ausgesprochen. „Ich finde es wichtig, dass die Direktwahl kommt“, sagte der renommierte Kirchenrechtler im Rahmen des 1. Kirchenpolitischen Salons in Hamburg. Blaschke lehrt an der Bucerius Law School evangelisches und katholisches Kirchenrecht. Das bislang festgelegte Wahlverfahren vom Kirchenvorstand über die Kirchenkreissynode bis zur Landessynode bezeichnete er als „Ochsentour“.

Veranstalter des Treffens waren evangelische Christen, die sich an der Basis engagieren und Kritik an Entscheidungen von leitenden kirchlichen Mitarbeitern üben – etwa am Engagement für den Rückkauf der Energienetze in Hamburg.

Blaschke sagte auf der Veranstaltung, die bisherige „Siebwahl“ müsse durch eine Direktwahl und damit mit einer stärkeren Beteiligung der Kirchenbasis abgelöst werden. Vorbild sei etwa die Praxis in der Württembergischen Landeskirche. Mit dem Instrument der Direktwahl würde „frischer Wind“ in die Nordkirche kommen, weil sie mehr Christen ermuntern könnte, sich in den kirchlichen Gremien zu engagieren. Mit der Einführung der Direktwahl werde das Wahlrecht einfacher – und die Wahlbeteiligung bei den Kirchenmitgliedern würde steigen. Sie liegt im Durchschnitt bei unter 20 Prozent.

Bislang sind die Kreissynoden neben der Kammer für Dienste und Werke die wichtigsten Wähler für die Zusammensetzung der Landessynode – und nicht das Kirchenvolk. Kritiker des gegenwärtigen Wahlrechts wie der Hamburger Ex-Bildungsstaatsrat Reinhard Behrens (CDU), der den Kirchenpolitischen Salon initiierte, sieht darin eine Benachteiligung der Laienvertreter aus den Kirchengemeinden. Und zieht einen Vergleich: „Auf die Hamburger Bürgerschaft bezogen würde dies bedeuten, dass eine knappe Minderheit der Abgeordneten aus Ortsausschüssen in die Bezirksversammlungen und von dort in die Bürgerschaft gewählt wird.“ Die Mehrheit dagegen würde jeweils in eigenen Gruppen von den Beschäftigen der Hansestadt gewählt, darüber hinaus von den Aktiven der großen städtischen „Dienste und Werke“ – also vergleichsweise den Wasserwerken, der Hochbahn und der Sprinkenhof AG, so Behrens, der sich in Klein Borstel kirchlich engagiert.

Befürworter des gegenwärtigen Wahlrechts wie der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit sagen dagegen: „Die Wahl durch ein Gremium von seinerseits gewählten kirchlichen Repräsentanten stellt sicher, dass Kundige wählen.“ Dadurch sei die Beeinflussung der Wahl durch spontane Gefühlslagen oder durch die Funktionalisierung durch kirchenfremde Motive nicht so leicht möglich. Nach Ansicht von Blaschke hat das gegenwärtige „Siebwahl“-System jedoch dazu geführt, dass über Jahrzehnte hinweg häufig dieselben Akteure in den Synoden auf Kirchenkreis- und Landeskirchenebene sitzen. „Das jetzige System der ‚Siebwahl’ können sich eigentlich nur Rentner und Pensionäre leisten“, sagte er.

Bislang gibt es eine Direktwahl der Kirchenparlamentarier lediglich in der Württembergischen Landeskirche. Ob diese Form der basisnahen Mitbestimmung zum norddeutschen Modell werden könnte, ist derzeit noch völlig ungewiss. Aber immerhin prüfen Juristen des Kieler Kirchenamtes auch diese Variante. Wie Frank Zabel, Sprecher der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, dem Abendblatt sagte, arbeitet das Rechtsdezernat derzeit an einem neuen Wahlrechtsentwurf – wie es das Einführungsgesetz der Pfingsten 2012 gegründeten Nordkirche vorsieht. „Dabei diskutieren die Juristen natürlich auch die Möglichkeiten einer Direktwahl“, sagte Zabel. Die zuständigen Gremien würden sich mit dem Entwurf befassen, sobald er vorliege. „Allerdings besteht hier kein Grund zur Eile. Das neue Wahlrecht muss Ende 2015 in Kraft treten.“ Die nächste Kirchenwahl findet am 1. Advent 2016 statt. Unterdessen verteidigen die Bischöfe das momentane Wahlrecht. Bischof Hans-Jürgen Abromeit: „Es ist völlig abwegig, schon knapp zwei Jahre nach Inkraftsetzung der Verfassung essentielle Änderungen der Verfassung zu fordern.“ Wenn Korrekturen vorgenommen werden sollten, könne dies nur vor dem Hintergrund der Erfahrungen mehrerer Legislaturperioden geschehen. „Es ist deswegen zurzeit müßig, über solche Fragen nachzudenken“, so Abromeit.

Wie der Diskussionsprozess über ein neues Wahlrecht schließlich ausgeht, sei die Entscheidung der Landessynode, betonte Nordkirchen-Landesbischof Gerhard Ulrich. Der Geistliche bezeichnet die Strukturen in der Nordkirche als „ausgeprägt demokratisch“. Schon jetzt sei es möglich, dass Kirchenmitglieder in die Landessynode gewählt werden, ohne dass sie Mitglied im Kirchengemeinderat oder in der Kirchenkreissynode sind.

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