Ostseepipeline

Verteidigungsministerium klagt gegen Pipeline

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abendblatt.de

Die Erdgastrasse kreuzt bei Rügen ein Artillerieschießgebiet der Bundeswehr. Beschädigungen seien nicht auszuschließen.

Greifswald. Die Ostseepipeline soll nach dem Willen der Bundeswehr stärker vor möglichen Beschädigungen durch Munition geschützt werden. Am Mittwoch verhandelt das Oberverwaltungsgericht Greifswald über eine Klage des Verteidigungsministeriums gegen das Bergamt Stralsund, das den Verlauf der Trasse in den küstennahen Gebieten und damit auch in einem Artillerieschieß- und Luftwarngebiet der Bundeswehr genehmigt hatte. Mit der Anfechtungsklage sollen entweder zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wie der Schutz der Pipeline durch Beton- und Stahlteile erreicht oder der Nachweis durch unabhängige Gutachter erbracht werden, dass die Schießübungen der Bundeswehr kein Risiko für die Pipeline darstellen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag. Auf das Übungsgebiet verzichten, will die Bundeswehr nicht.

Marine und Luftwaffe nutzen die betroffenen rund 500 Quadratkilometer großen Gebiete (Artillerieschießgebiet „Pommersche Bucht“ und Luftwarngebiet D47B) regelmäßig für Schießübungen. Mit dem mit dem Persilschein eines Gutachtens sollen teure Haftungsfälle vermieden werden. Der Betreiber der Pipeline, Nord Stream, wollte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. Durch die insgesamt 1200 Kilometer lange Pipeline strömt seit vier Monaten russisches Erdgas nach Deutschland.

Das beklagte Bergamt hält in seinem Planfeststellungsbeschluss vom Dezember 2009 Beschädigungen der Pipeline für unwahrscheinlich, schließt aber ein „hypothetisches Restrisiko“ nicht aus. Darauf reichte das Verteidigungsministerium Klage ein. „Berechnungen der Bundeswehr haben ergeben, dass die Pipeline durch den Übungsbetrieb möglicherweise doch beschädigt werden könnte“, sagte der Ministeriumssprecher.

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Obwohl die Bundeswehr versichert, im Manövergebiet über Wasser zu schießen und dabei Munition ohne Explosivstoff zu verwenden, warnt sie in einer Stellungnahme vom 25. Mai 2010 vor möglichen Detonationsschäden an der Pipeline. Besonders im Bereich der Schweißnähte, wo die Pipeline nicht durch einen Betonmantel umhüllt sei, könnten sich bei Detonation eines Geschosses des Kalibers 76 mm in unmittelbarer Nähe zur Pipeline Dehnungen im Stahl von 35 bis 40 Prozent ergeben. Ein Bruch der Pipeline – so Berechnungen der Bundeswehr – sei dann „sehr wahrscheinlich“.

Ein Verzicht auf das Gebiet kommt für Marine und Luftwaffe nicht in Betracht. „Es ist das einzige in der Ostsee gelegene Schießgebiet, in dem mit größeren Kalibern geschossen werden kann.“ Konkret geht es um Geschosse mit Kalibergrößen 76 und 127 mm. Entsprechende Geschütze finden sich auf Fregatten der Bremen-Klasse oder der neuen Fregatten 125, wie sie in der EU-Operation “Atalanta„ vor der Küste Somalias, am Horn von Afrika oder am Golf von Aden im Einsatz sind. Im Sommer 2010 – ein gutes halbes Jahr nach der ersten Genehmigung – hatte das Bergamt seinen Planfeststellungsbeschluss verändert und Nord Stream bereits verpflichtet, die Pipeline auf einer Länge von zusätzlich knapp 20 Kilometer im Meeresboden zu vergraben. Obwohl Nord Stream die Pipeline daraufhin eingrub, zog das Verteidigungsministerium seine Klage nicht zurück. Lediglich 1,2 Kilometer der Pipeline im beklagten Übungsgebiet liegen noch auf und nicht im Meeresboden.

Die Angaben des Verteidigungsministeriums zu den Gefahren der bei den Übungen in der Pommernbucht verwendeten Munition bleiben widersprüchlich – wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kirsten Tackmann (Linke) vom 9. Februar 2008 zeigt. Tackmann hatte nach Gefährdungen für den Fischbestand gefragt. Es gebe keine Gefährdungen, antwortete die Regierung damals, da in den Geschossen keine Gefechts- und Explosivstoffe zum Einsatz kommen. Die Unterwasserwirkung der bei einem Aufschlag auf das Wasser erzeugten Druckwelle sei vernachlässigbar. Auch durch das Absinken der Munition auf den Meeresboden ergäben sich keine Gefährdungen.

Das Bergamt Stralsund geht in seiner Beurteilung davon aus, dass „bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Waffensysteme und der Anwendungsrichtlinien“ keine gefährdenden Schäden an der Pipeline zu erwarten sind. (dpa)

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