corvallis. Es gibt viel mehr Fläche als gedacht, sagten Forscher vor Monaten. Nun gibt es Streit

Um die Frage, wann ein Wald eigentlich ein Wald ist, dreht sich ein wissenschaftlicher Streit, der derzeit im Fachblatt „Science“ ausgetragen wird. Ein halbes Jahr nach der Meldung, dass die globale Waldfläche knapp ein Zehntel größer sei als angenommen, gibt es nun Kritik an der Zählweise: Forscher um Daniel Griffith von der Oregon State University in Corvallis (Oregon, USA) machen vor allem geltend, dass in ungenügendem Maße zwischen Wald und Savanne unterschieden worden sei. Dies könne gefährliche Folgen haben.

Im Mai berichteten Forscher um Jean-François Bastin von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO), dass es 4,67 Millionen Quadratkilometer mehr Wald gebe als gedacht. Zum Vergleich: Indien ist etwa 3,3 Millionen Quadratkilometer groß.

Mit Hilfe von mehr als 210.000 hochauflösenden Bildern von Google Earth, die jeweils einen halben Hektar zeigen, bewerteten die Wissenschaftler um Bastin zahlreiche Landflächen neu, besonders im Bereich des Trockenwaldes. Grundsätzlich gibt es auf der Erde völlig unterschiedliche Waldtypen – von tropischen Regenwäldern über die Wälder gemäßigter Klimazonen wie in Mitteleuropa bis hin zu Trockenwäldern.

Griffith und Kollegen bemängeln, dass der größte Teil des neu klassifizierten Waldes falsch eingeordnet und in Wahrheit Savanne sei. Diese unterscheide sich von Wäldern durch einen durchgehend grasbedeckten Boden, der Säugern Nahrung bietet und leicht brennt.

Das Team um Bastin hatte aber nur berücksichtigt, welche Fläche des Bodens durch Baumkronen bedeckt ist. Gebiete, bei denen mindestens zehn Prozent der Fläche bedeckt waren, sahen sie als Wald an. Das entspricht der Walddefinition der FAO. Besonders kritisch bewertet die Gruppe um Griffith, dass Standorte als „Wald“ klassifiziert wurden, an denen die Baumbedeckung „vorübergehend unter zehn Prozent liegt, sich aber voraussichtlich erholt“.

Die Forscher fürchten nun, dass aufgrund der falschen Einordnung als Wald versucht werden könnte, Savannen zu verändern: „Aufforstungs- und Brandbekämpfungsstrategien in Savannen riskieren die Zerstörung eines Reichtums an spezialisierter und endemischer Biodiversität der Savanne, der einzigartige ökologische Prozesse unterstützt.“ In einer Antwort in derselben „Science“-Ausgabe rechtfertigen Bastin und Kollegen ihre Vorgehensweise. Die Datenbank sei so aufgebaut, dass mit verschiedenen Definitionen von Wald gearbeitet werden könnte. Ein geringer Baumbestand sei zudem nicht als Niedergang eines Waldes aufgefasst worden, den es zu beheben gelte.