Eier und Fleisch von nur einer Rasse: Einige Landwirte setzen wieder auf die alte Haltungsform

Waddeweitz/Hamburg. Zwei Dutzend beigefarbene Hühner und schwarzbunte Hähne toben durch ihren Auslauf unter alten Eichen, scharren auf dem Kröter Hof im Wendland nach Fressbarem, verstecken sich im Brennnesselkraut vor zu aufdringlichen Menschen. Die Tiere gehören der alten, fast vergessenen Rasse Deutsches Lachshuhn an und könnten zu Pionieren werden. Denn Lachshühner sind eine Zweinutzungsrasse. Das heißt, die Hennen haben eine passable Legeleistung, und die Hähne setzen ordentlich Fleisch an.

In der früheren bäuerlichen Hühnerhaltung waren Rassen üblich, die sowohl Eier als auch Fleisch liefern. Doch dann entzweite die Züchtung auf Hochleistung die Hühnergesellschaft in Legehennen und Masttiere. Das führte zur Praxis, dass männliche Küken der drei bis vier weltweit verbreiteten Legehennenlinien gleich nach dem Schlüpfen zu Tierfutter zerhäckselt oder vergast werden. 34 Millionen Legehennen wurden 2011 in Deutschland gehalten. Da in etwa jedem zweiten Ei ein Hähnchen steckt, wurde eine ähnlich hohe Zahl an männlichen Küken sofort getötet und zu Tierfutter verarbeitet.

Dieser Umstand wird zumindest im Bio-Landbau mit jährlich 2,4 Millionen Legehennen seit Jahren diskutiert. Erste Projekte versuchen, den Missstand zu beseitigen. So lässt die in diesem Jahr gegründete Bruderhahn Initiative des Bauckhof in Klein Süstedt bei Uelzen und fünf weiterer Höfe die männlichen Nachkommen der Legehennen am Leben und macht aus ihnen Masthähnchen. Da die Tiere zu langsam Fleisch ansetzen, um wirtschaftlich aufgezogen werden zu können, werden die derzeit gut 10 000 Bruderhähne von ihren Schwestern subventioniert: Die Höfe und drei beteiligte Naturkostgroßhändler nehmen einen Aufschlag von vier Eurocent pro Ei und finanzieren damit die Aufzucht der Hähnchen. Sie nennen ihren Aufschlag "Vier Cent für die Ethik".

Die Bruderhahn Initiative arbeitet derzeit noch mit einer der industriellen Hybrid-Legerassen, also den hochgezüchteten Tieren. Ökolandwirt Carsten Bauck will mehr: "Unsere Hähnchenmast mit einer modernen Legerasse ist gewissermaßen eine Brückentechnologie, ein Übergang zu einer modernen Zweinutzungsrasse. Die traditionellen Rassen sind zu naturnah, um in den heutigen Vermarktungsrhythmus zu passen. So legen sie zwischen Weihnachten und Ostern, wenn die Nachfrage am größten ist, nur wenige Eier." Wichtig seien deshalb die Zuchtanstrengungen in Richtung leistungsfähigerer Zweinutzungsrassen.

Familie Flegel vom Demeter-Hof im wendländischen Waddeweitz wollte nicht solange warten und griff zu einer Traditionsrasse. "Ich habe die Lachshühner das erste Mal im Zoo von Hannover gesehen und fand sie sehr hübsch. Dann habe ich im Internet einen Züchter gefunden. Im Frühjahr 2011 habe ich mit etwa 35 Tieren begonnen", sagt Bäuerin Britta Flegel. Sie betreut damit den Hobbybereich des Hofes, den sie zusammen mit ihrem Mann Manfred bewirtschaftet. Das Geld für ihre vierköpfige Familie verdienen die Flegels mit zwei Gruppen von jeweils 1000 Hybrid-Legehennen und einer 1300-köpfigen Mastgeflügel-Gruppe.

Der Leistungsvergleich zwischen den Hühnerrassen zeigt das Problem der Zweinutzungsrassen: Die Hybridhennen legen etwa 300 Eier pro Jahr, die Lachshühner dagegen nur 160. Letztere schmecken übrigens keinesfalls nach Fisch - das lachsfarbene Federkleid der Hennen gab der Rasse ihren Namen. "Bislang haben wir die Eier nur für den Eigenverbrauch und zur Zucht eingesetzt. Wir haben in diesem Jahr knapp 100 Tiere ausgebrütet. Ein Großteil ging als Kleingruppen mit einem Hahn und vier bis fünf Hennen an Hobbyhalter, damit sich die selten gewordene Rasse wieder ein bisschen verbreitet. Einige Hähne werden noch ein paar Wochen gemästet, andere sind bereits geschlachtet und verkauft worden."

Angesichts der deutlich schlechteren Legeleistung der Hennen und der aufwendigen Haltung der wenigen Tiere müsste sie für ein Lachshuhn-Ei derzeit einen Euro verlangen, sagt Britta Flegel schmunzelnd. Für die Eier ihrer Hybridhennen bekommt sie 27 bis 32 Cent; die Bio-Läden, die das Paar direkt beliefert, nehmen dann zwischen 40 und 50 Cent von ihren Kunden. Da kann das Deutsche Lachshuhn bei Weitem nicht mithalten. Und das gilt auch für die Hähnchenmast, allerdings hat sich hier eine Marktnische aufgetan.

"Die Hähnchen müssen ein halbes Jahr wachsen. Wenn man Glück hat, wiegen sie dann zwei Kilo. Unsere Hybrid-Masthähnchen erreichen dagegen in der halben Zeit ihr Schlachtgewicht von rund 2,5 Kilo. Und in der konventionellen Mast werden die Tiere nur noch sechs Wochen alt", sagt Britta Flegel. Die Mastlachshähne fressen also doppelt so lange und bringen dennoch weniger Gewicht. Deshalb kosten sie 20 Euro das Kilo. Hier hat Britta Flegel einen verlässlichen Abnehmer: Jens Witt, Betreiber von Wackelpeter, einem Hamburger Unternehmen, das Kindertagesstätten mit Bio-Kost beliefert.

Jens Witt nimmt den Flegels sämtliches Hybridmastgeflügel und auch überschüssige Lachshähne ab. "Er verarbeitet das ganze Tier, will nicht nur Brust oder Schenkel", lobt Britta Flegel den engagierten Hamburger, der auch Mitglied in der Hamburger Slow-Food-Gruppe ist. Unter den Genuss-Essern fanden sich kürzlich bei einer abendlichen Verkostung mit anschließendem Verkauf genügend dankbare Abnehmer für das exquisite Geflügel.

"Dem Hof Flegel und mir ist das Comeback des Zweinutzungshuhns ein Anliegen", sagt Jens Witt. "Wir möchten die ideale Hühnerhaltung der Vergangenheit wiederbeleben." Denselben Ansatz verfolgt das Projekt "ei care". Hier haben sich einige Naturland-Höfe im Großraum Berlin zusammengeschlossen, um eine andere Rasse mit zweifachem Nutzen zu halten: die französischen "Les Bleus" (Die Blauen). Der Name bezieht sich auf die blauen Beine der Tiere, die besser unter dem Namen Bresse-Hühner bekannt sind. Doch diese Bezeichnung ist für die Verwandtschaft reserviert, die tatsächlich in der ostfranzösischen Region Bresse aufwächst. Die französische Variante stellt das Lachshuhn beim Eier-Ertrag in den Schatten: Die Organisatoren des 2011 gestarteten Ei-care-Projekts kalkulieren mit jährlich 260 Eiern pro Henne; der Fleischansatz ist in etwa vergleichbar.

Doch auch diese Tiere werden voraussichtlich die Ausnahme bleiben. Dr. Steffen Weigend vom Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Löffler-Instituts: "Wir sollten von den alten Rassen keine Wunder erwarten." Er sieht sie "in der Nischenproduktion mit Lokalbezug zu Produkten tierischer Herkunft. Das sind Felder, in denen auch heute einige der alten Rassen ihren Platz in der Landwirtschaft (wieder-)finden."

Welche Zukunft die kleine Lachshuhngruppe auf dem Kröter Hof in Waddewitz haben mag, darauf will sich Britta Flegel noch nicht festlegen. Sie könnte sich schon vorstellen, eine Elterntiergruppe mit rund 100 Hennen und 25 Hähnen zu halten. Doch andererseits sei dies sehr arbeitsintensiv, sagt sie, zumal die Hühner keinen Bruttrieb haben, sodass der Nachwuchs künstlich ausgebrütet werden muss.

Jetzt werden erst einmal 20 Hennen und vier Hähne durch den Winter gebracht. In dieser Zeit legen die Hennen aus Lichtmangel von Natur aus keine Eier. Im Frühjahr startet jedoch wieder das Brutgeschäft, und die bunte Hühnerschar wird sich vermehren. So viel ist sicher.