Schlüsselprotein lässt die Ausläufer von Nervenzellen wachsen

Greifswald/Stockholm. Ein deutsch-schwedisches Forscherteam hat einen Mechanismus entdeckt, der eine wichtige Rolle für die embryonale Entwicklung des menschlichen Gehirns spielt. Die Erkenntnisse könnten neue Wege zur Therapie von neurologischen Krankheiten wie Alzheimer und Epilepsie eröffnen, teilte die Universität Greifswald gestern mit.

Bisher liegt hier noch vieles im Dunkeln, denn das Gehirn ist ein extrem kompliziertes Stück Materie: Es enthält 100 Milliarden Nervenzellen, die durch eine Billiarde Synapsen miteinander verknüpft sind. Relativ genau bekannt ist, welche Aufgaben seine verschiedenen Strukturen erfüllen; nur ansatzweise bekannt ist allerdings, wie diese Strukturen überhaupt entstehen.

Das Forscherteam unter der Leitung von Christopher Horst Lillig von der Universität Greifswald und Carsten Berndt vom Karolinska-Institut in Stockholm konnte nun einen bisher unbekannten Regelkreis im Gehirn identifizieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Protein Glutaredoxin-2: Es verändert die Aminosäure Cystein und beeinflusst dadurch weitere Proteine, die das Auswachsen von sogenannten Axonen mitbestimmen, den Ausläufern von Nervenzellen. Diese Ausläufer verbinden über Kontaktstellen - Synapsen - mehrere Nervenzellen. So bilden sie das komplizierte Netzwerk des Gehirns.

In Modellversuchen mit Zebrafischen, einem wichtigen Beispielorganismus für den Menschen, entzogen die Forscher den Tieren Glutaredoxin-2. Darauf seien die sich entwickelnden Nervenzellen wegen der fehlenden Verknüpfung abgestorben, schreiben Christopher Horst Lillig und seine Kollegen im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).

Die Forscher wollen nun prüfen, ob das für Wachstum und Rückzug der Axone verantwortliche Schlüsselprotein womöglich eine Rolle bei neurologischen Krankheiten wie Alzheimer oder Epilepsie spielt. Denn nur wenn die Axone die Nervenzellen richtig miteinander verknüpften, funktioniere die Weiterleitung von Reizen sowie die Kommunikation zwischen den verschiedenen Arealen des Gehirns und den Muskelzellen, erläutert der Greifswalder Forscher Lillig.

Neben Wissenschaftlern von der Universität Greifswald und vom Karolinska-Institut Stockholm haben auch Forscher der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und der Philipps-Universität in Marburg an dem Projekt mitgearbeitet.