Allein in Hamburg sind zwölf Fälle des HU-Syndroms aufgetreten

Hamburg. In Norddeutschland sind in kurzer Zeit ungewöhnlich viele Menschen am hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) erkrankt. Diese bakteriell bedingte Krankheit geht typischerweise einher mit Magenkrämpfen und blutigem Durchfall und kann im schlimmsten Fall zu Nierenversagen führen.

Eine 19 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Harburg liegt in Hamburg auf der Intensivstation. In der Hansestadt waren bis Freitag abend zwölf Fälle gemeldet worden. Die Betroffenen seien zwischen elf Jahre und 74 Jahre alt und würden derzeit alle stationär behandelt, sagte der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Rico Schmidt. "Wer unter einem blutigen Durchfall oder schweren Magenkrämpfen leidet, sollte einen Arzt aufsuchen." Was genau die Erkrankungen in Hamburg verursacht habe, sei noch nicht bekannt, sagte Schmidt. Dies untersuchten Fachleute des Robert-Koch-Instituts (RKI) aus Berlin.

Auch im Klinikum Lüneburg soll es eine Häufung mit blutigen Durchfällen geben, Genaueres sei aber noch nicht bekannt, sagte der Sprecher des Niedersächsischen Gesundheitsministeriums, Thomas Spieker. In der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) werden vier Patienten mit dem gleichen Symptom auf der Intensivstation versorgt.

"Diese Patienten sind in einem stabilen Zustand und nicht in Lebensgefahr", sagte Dr. Jan Kielstein, diensthabender Oberarzt auf der Internistischen Intensivstation an der MHH. Alle vier, im Alter zwischen 17 und 60 Jahren, leiden am HUS. Diese seltene Komplikation einer sogenannten, bakteriellen EHEC-Infektion kann zu kleinen Blutgerinnseln in der Niere und im Gehirn führen. Die Patienten befinden sich auf der Intensivstation, weil dort eine Plasmapherese durchgeführt wird, mit der schädliche Eiweiße aus dem Blut entfernt werden. Da bei Erwachsenen die Krankheitsverläufe schwerer seien als bei Kindern, werde diese Therapie oft schon früh veranlasst, so Kielstein. Bei Kindern, bei denen die Erkrankung wesentlich häufiger auftrete als bei Erwachsenen, könne in der Regel darauf verzichtet werden. Kielstein sagte, das HU-Syndrom sei zwar eine seltene aber ernste Erkrankung. Fünf Prozent der Betroffenen könnten sterben. Generell seien Patienten aber bei einer frühzeitigen Therapie gut behandelbar.

Aus dem Landkreis Cuxhaven sind zwei Fälle bekannt. Ob zwischen den Fällen in Norddeutschland eine Verbindung bestehe, sei noch unklar, sagte Thomas Spieker, Sprecher des Niedersächsischen Gesundheitsministeriums. "Es handelt sich bei den Erkrankungen aber zum Teil um sehr schwere Verläufe", sagt Spieker. "Die Häufung der Krankheitsfälle ist sehr ungewöhnlich." Zum Vergleich: 2010 wurden in Deutschland 65 HUS-Fälle gemeldet (davon zwei Fälle in Hamburg), 2009 waren es 66 (davon zehn in der Hansestadt). Jetzt sind allein in Norddeutschland in wenigen Tagen mindestens 19 Menschen erkrankt.

Ungewöhnlich ist auch das Altersspektrum der Betroffenen, denn in der Regel betrifft HUS Kleinkinder. Bei ihnen kann das Syndrom in fünf bis zehn Prozent der Fälle schlimmstenfalls zu Nierenversagen führen. Außerdem können Blutarmut und neurologische Zeichen, wie zum Beispiel Krampfanfälle, auftreten. "Wir sehen aber auch Kinder, die nur neurologische Symptome haben", sagte Prof. Markus Kemper, Leiter der Kindernephrologie am Universitätsklinikum Eppendorf.

HUS wird verursacht von den Giftstoffen einer krank machenden Untergruppe der Darmbakterien Escherichia Coli, der sogenannten EHEC-Bakterien. Diese Infektion sei hoch ansteckend, deswegen würden erkrankte Kinder isoliert, sagte Kemper. EHEC werde von Mensch zu Mensch übertragen, entweder durch direkten Kontakt mit Infizierten oder durch die Berührung von verseuchten Flächen. Die Infektionsquellen seien meist unzureichend gegartes oder rohes Fleisch, Rohmilch oder Rohkäse. Auch Tiere wie Ziegen, Schafe, Rinder, Rehe und Hirsche können die Erreger übertragen.

Um einer Ansteckung vorzubeugen, ist es besonders wichtig, die allgemeinen Hygieneregeln zu beachten. Das bedeutet vor allem, sich häufig und gründlich die Hände zu waschen. Außerdem sollte man den Kontakt mit erkrankten Personen vermeiden und auf die bereits genannten Lebensmittel möglichst verzichten oder diese gut durchgaren. Eltern sollten bei ihren Kindern darauf achten, dass diese ihre Finger nach dem Kontakt mit dem Boden oder mit Tieren nicht in den Mund stecken. Speisen und Getränke sollten Kinder nur außerhalb von Tiergehegen zu sich nehmen.

In der Therapie des HU-Syndroms geht es vor allem darum, die Symptome zu behandeln. Durchfall wird mit Medikamenten behandelt. Bei Nierenversagen müssen die Kinder an die Dialyse angeschlossen werden. "In 90 bis 95 Prozent der Fälle heilt das Nierenversagen komplett aus. Normalerweise dauert es zwei Wochen, bis sich die Nieren erholt haben", sagte Kemper. Eine Antibiotikatherapie werde nur bei schweren Entzündungen eingesetzt. Diese Medikamente könnten die Krankheit sogar verschlimmern, weil sie zum Absterben der Bakterien führten und damit zu einer stärkeren Freisetzung der schädlichen Bakteriengiftstoffe.