Berlin/Kundus. Die erste Nachricht ließ noch Platz für Hoffnungen. Um 10.25 Uhr meldete die Bundeswehr gestern einen Sprengstoffanschlag auf deutsche Soldaten der Isaf-Mission, dem internationalen Stabilisierungseinsatz in Afghanistan. Das Attentat habe gegen 7.24 Uhr mitteleuropäischer Zeit stattgefunden, sechs Soldaten seien "vermutlich verwundet" worden, hieß es in der knappen Mitteilung. Bergung und Rettungsmaßnahmen am Anschlagsort, 36 Kilometer südlich von Kundus, seien angelaufen.
Etwa 15 Minuten später folgte jedoch die traurige Gewissheit in Form einer weiteren Meldung: "Bei dem Anschlag wurde ein Schützenpanzer Typ Marder angesprengt. Dabei starb ein deutscher Soldat , fünf weitere deutsche Soldaten wurden verwundet." Die verletzten Soldaten befänden sich inzwischen im Rettungszentrum des Wiederaufbauteams Kundus in sanitätsdienstlicher Versorgung. Zwei von ihnen seien schwer verletzt. Die Angehörigen des Gefallenen seien informiert worden.
Damit steigt der Blutzoll der Bundeswehr am Hindukusch weiter: Es ist der dritte Gefallene, den die Bundeswehr in den vergangenen neun Tagen in Afghanistan zu beklagen hat. Erst am Sonnabend waren bei einem Anschlag auf ein deutsch-afghanisches Sicherheitstreffen in der Provinzhauptstadt Talokan zwei Bundeswehrsoldaten getötet und sechs weitere verletzt worden. Drei Tage zuvor starb ein deutscher Soldat bei einem Anschlag mit einer improvisierten Sprengfalle nordwestlich von Kundus. Ein weiterer wurde leicht verletzt, ebenso ein afghanischer Übersetzer. Wie der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Rainer Glatz, mitteilte, galt der Anschlag gestern Soldaten des Ausbildungsschutzbataillons Masar-i-Scharif in der Provinz Baghlan. Bei dem getroffenen Schützenpanzer Marder habe es sich um die modernste Variante des Fahrzeugs gehandelt. Diese Variante ist unter anderem mit Störsendern gegen ferngesteuerte Bomben ausgestattet.
Es wirkt wie bittere Ironie, dass die eingesetzte Einheit laut Glatz den Auftrag hatte, entlang einer Hauptverbindungsstraße nach Sprengfallen zu suchen. Glatz zufolge waren die Soldaten gerade dabei, einen "Verdachtsort" zu überprüfen, an dem solche selbst gebauten Sprengsätze vermutet wurden, als sich der Anschlag ereignete. Die Verletzten seien von US-amerikanischen Helikoptern ins Rettungszentrum des Wiederaufbauteams in Kundus transportiert worden, teilte die Bundeswehr mit.
Das Attentat bedeutet auch einen Rückschlag für die Afghanistan-Truppen, da das Gebiet eigentlich als gesichert galt: Im Frühjahr hatten bei der Operation "Nawroz" afghanische, deutsche und US-amerikanische Soldaten die Region einnehmen und die Aufständischen vertreiben können.
Deutsche Politiker äußerten ihr Entsetzen über den Anschlag und den Tod eines weiteren Bundeswehrsoldaten, so auch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU): "Einmal mehr haben wir einen gefallenen deutschen Soldaten und fünf zum Teil schwer verwundete zu beklagen", sagte de Maizière am Rande des evangelischen Kirchentages in Dresden. "Diese Nachricht erschüttert uns alle." Den Verwundeten wünschte er baldige Genesung. Zugleich drückte er den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. "Die Häufung der Anschläge sorgt uns", fügte der Minister hinzu. Er betonte zugleich, an dem Auftrag am Hindukusch festhalten zu wollen. Die Taliban hätten an Boden verloren und griffen nun zum Mittel der Gewalt. "Wir werden in unserem Engagement nicht nachlassen", versicherte der Minister. Die politische Entwicklung müsse aber besser vorangetrieben werden.
Auch die Grünen-Chefin Claudia Roth verurteilte den Anschlag "auf das Schärfste". "Wir brauchen jetzt eine politische Debatte über die seit Monaten andauernde Offensivstrategie der Isaf in Afghanistan, die bislang auch von der Bundesregierung unterstützt wird", erklärte die Grünen-Politikerin. "Diese Offensivstrategie führt offenkundig nicht zu einer zunehmenden Stabilisierung Afghanistans." Überfällig seien stattdessen "verstärkte Anstrengungen und ein klares Konzept für eine politische Lösung".
Für die FDP-Fraktion teilten der Vorsitzende Rainer Brüderle und die sicherheitspolitische Sprecherin Elke Hoff mit, sie verurteilten den "hinterhältigen Anschlag". Sie seien bestürzt über den Tod des Soldaten. "Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Familien, den Angehörigen und Kameraden." Nach den Anschlägen der vergangenen Wochen müsse "alles Menschenmögliche" getan werden, um den Schutz der Soldaten im Einsatz vor Sprengfallen zu verstärken.
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