Das größte Sparpaket in der bundesdeutschen Geschichte steht. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat sich das schwarz-gelbe Kabinett am Montag in Berlin endgültig auf ein umfassendes Programm vor allem mit Ausgabenkürzungen verständigt. Eine höhere Einkommensteuer wird es nicht geben. Auch ähnliche Belastungen, die alle Bürger betreffen, seien nicht geplant. Nähere Angaben wurden zunächst nicht bekannt. Vorgesehen sind unter anderem Einschnitte im Sozialbereich, massive Stellenstreichungen bei Bundesbehörden sowie der Abbau von Steuervergünstigungen und anderen Subventionen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das von der Bundesregierung ausgehandelte Sparpaket als einmaligen Kraftakt bezeichnet. Ziel sei es, auf der einen Seite solide Finanzen zu schaffen und zugleich durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und Zukunftsinvestitionen für alle eine Teilhabe an der Gesellschaft zu gewährleisten, sagte Merkel am Montag nach einer zweitägigen Sparklausur des Bundeskabinetts in Berlin. Gleichzeitig solle Deutschland als Industriestandort wettbewerbsfähig bleiben.
Nach Angaben der Kanzlerin müssen 80 Milliarden Euro bis zum Jahr 2014 eingespart werden. Die Situation Griechenlands und anderer Euro-Staaten hätten gezeigt, von welch großer Bedeutung solide Finanzen seien.
Merkel und ihre Minister wollen mit dem Sparpaket den wegen Finanzkrise und Rezession aus dem Ruder gelaufenen Bundeshaushalt wieder auf Kurs bringen und die ab 2011 greifende Schuldenbremse im Grundgesetz. Dazu sollen im Haushalt 2011 strukturelle Einsparungen von rund elf Milliarden Euro vorgenommen werden.
Insgesamt strebe die Regierung im Haushalt 2011 strukturelle Einsparungen im Volumen von 11,2 Milliarden Euro an, hieß es in Kreisen. Im Jahr 2012 betrage die Summe der beschlossenen Sparmaßnahmen 19,1 Milliarden Euro, im Folgejahr 24,7 Milliarden Euro. Für 2014 ergebe sich ein Volumen von dann 26,6 Milliarden Euro. Hinzu kommen 2014 weitere Maßnahmen von 5,6 Milliarden Euro, die aber noch nicht konkret beschlossen sind.
Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle wollten die Beschlüsse im Laufe des Nachmittages der Öffentlichkeit vorstellen. Anschließend will die CDU/CSU-Bundestagsfraktion darüber beraten, am Abend die FDP-Fraktion. Es wird damit gerechnet, dass die Parlamentarier noch Änderungsbedarf anmelden.
Grüne, SPD, Gewerkschaften und Sozialverbände warnten schon vorab vor Einschnitten im Sozialsystem und bei den Arbeitslosen. Die Grünen im Bundestag beantragten vorsorglich eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Gerechte Verteilung der Lasten statt einseitiger Kürzungen bei Eltern und Arbeitslosen“.
Die Grünen warnten eindringlich vor Sozialabbau und sprachen sich für höhere Steuern aus. "Erschreckend ist, dass dieser Bundesregierung beim Thema Sparen vor allem der Bereich Soziales einfällt und Maßnahmen, die den Ärmsten in unserer Gesellschaft an die Gurgel gehen, obwohl jenen das Wasser ohnehin schon bis zum Hals steht", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir dem Hamburger Abendblatt. "Dagegen tut die Bundesregierung weiter nichts bei der Finanztransaktionssteuer, mit der endlich die Finanzmärkte in die Verantwortung für die Krise genommen werden könnten." Sparen allein werde nicht reichen, "wir brauchen auch eine zeitlich befristete Vermögensabgabe für große Vermögen und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent".
Die Bundesregierung schlingere "planlos durch den Nebel ihrer Spardiskussion, da sind weder Kurs noch Ziel zu erkennen", kritisierte Özdemir. "Es liegen ausreichend Sparvorschläge auf dem Tisch, die sinnvoll sind. Es ist jetzt ein Lackmustest für diese Bundesregierung, wo sie spart und wo nicht."
Der Grünen-Chef forderte einen "klaren Kurs, dessen Leitlinie es sein muss, die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu stärken". Dafür müssten sich die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) vor allem eine Liste des Umweltbundesamts vornehmen, aus der ein Sparpotenzial von 48 Milliarden Euro bei umweltschädlichen Subventionen hervorgehe.
Ver.di-Chef Frank Bsirske warnte, eine „plumpe Rotstift-Politik“ würde die soziale Schieflage verschärfen. Offenbar wolle die Bundesregierung einseitig die Schwachen belasten, statt starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen. „Einschnitte bei den Rentenbeiträgen für Langzeitarbeitslose, Abstriche beim Elterngeld, Kürzungen bei den Fördermitteln für Erwerbslose, Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst – gerecht geht anders“, meinte er. Bsirske verlangte, stattdessen sollten große Vermögen und reiche Erben steuerlich stärker herangezogen werden.
Der DGB wandte sich gegen mögliche Abstriche bei den Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose. Gewerkschaftschef Michael Sommer sagte im Südwestrundfunk, statt im Sozialetat zu kürzen könne Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble relativ einfach zu 30 Milliarden Euro an Mehreinnahmen kommen. Zwölf Milliarden seien über eine Vermögensabgabe zu erzielen, sechs Milliarden über eine höhere Erbschaftssteuer und noch einmal zwölf Milliarden über eine Finanzmarktsteuer.
Die SPD kündigte massiven Widerstand gegen die Sparpläne der Bundesregierung an. Das Hauptproblem seien die geplanten Kürzungen bei denen, die sich kaum wehren könnten, sagte Generalsekretärin Nahles auf NDR-Info. Auf der anderen Seite traue sich die Bundesregierung nicht, zum Beispiel Spekulanten zu besteuern, um so die Einnahmesituation zu verbessern. In den Gewerkschaften, den Sozialverbänden und Umweltverbänden habe die SPD Verbündete.
Der Sozialverband Deutschland monierte ebenfalls, die vorgesehenen Sparmaßnahmen träfen vor allem sozial Benachteiligte und bezögen starke Schultern viel zu wenig ein. „Durch die anvisierte Rotstift-Politik bei den Rentenbeiträgen für Langzeitarbeitslose, dem befristeten Zuschlag sowie Eingliederungsmaßnahmen und Elterngeld soll vorrangig bei Menschen gekürzt werden, denen schon jetzt das Wasser bis zum Hals steht“, erklärte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Ähnlich äußerten sich AWO und Caritas.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, nannte es „widersinnig“, wenn die Koalition noch einmal bis zu 15.000 Stellen bei den Bundesbehörden einsparen wolle. „Wer jetzt neue Regeln zur Bändigung von Zockerei und Spekulation diskutiert und gleichzeitig die staatlichen Kontrollinstanzen personell aushungern will, straft sich selbst Lügen.“ Auch ein weiterer Abbau bei der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt sei für den Erhalt der inneren Sicherheit höchst riskant, meinte er.
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